6.

320 15 1
                                    

September 2019
Dortmund, Deutschland
__________________________

Weiß.
Die Wand an Julians Decke war weiß. Ein dreckiges wenn man es genauer betrachtete. Aus künstlerischer Sicht war es eine sehr kalte Farbe, die trotz ihrer Einfallslosigkeit sehr oft an Wänden vorkam und somit wahrscheinlich zu den Top drei der Wandfarben gehörte. Aus der Sicht eines blonden Fußballers war die Farbe einfach nur langweilig. Und trotzdem hatte er sie sich ausgesucht und in seine Wohnung verteilt.
Genauso wie er es sich ausgesucht hatte hier in Dortmund zu sein.

Es waren einige Monate vergangen, die Saison hatte schon längst begonnen, doch es standen immer noch zahlreiche Kartons in Julians Wohnung, die teilweise noch bicht einmal geöffnet waren. Selbst sein obligatorischer Nachtschrank war ein Karton, der jedoch immer mehr in sich zusammenfiel. Auch sein Couchtisch war ein Karton, nicht wirklich mehr stabil als sein Nachtschrank. Der chaotische Zustand der während des Umzugs geherrscht hatte, wurde zu einem Dauerzustand und der Verursacher war nicht gewillt dies zu ändern.
Stattdessen lag dieser auf seinem Bett, was glücklicherweise kein Karton war und starrte besagte Wand an.
Auch das war zu einem Dauerzustand geworden. Das tägliche anstarren der Wand nahm mittlerweile mehr Zeit in Anspruch, als wie viel Zeit er im Gym verbrachte.
Grund für diesen Zustand war der simple Fakt das Julian nicht schlafen konnte. Weder dößen, noch einfach nur da liegen oder ein Power Nap. Es ging fast nichts. Seitdem er aus seinem Urlaub zurückgekommen war hielt dieser Zustand an und auch seitdem hatte er jegliche Entspannungstechniken ausprobiert die es gab. Hatte so gut funktioniert wie Liegestütze ohne Arme.
Welche er übrigens auch mit Armen nicht mehr schaffte.

Der nicht vorhandene Schlaf raubte ihn alle seine Kräfte und Nerven, so das jedes Training eine reinste Qual wurde. Auch der extreme Konsum von Koffein oder Taurin machte dies nicht weg und wenn dann nur bis zu einem gewissen Punkt. Man konnte sich also denken wie gut er spielte. Richtig, beschissen. Es hatte nicht mal zwei Spieltage gebraucht und die Medien hatten ihn zerissen. Das er ein Transfer-Flopp war, war noch das harmloseste was sie über ihn schrieben. Julian hatte ihn den letzten Wochen mehr als nur das an den Kopf geworfen bekommen. Auch im Verein selbst betrachtete man ihn mit skeptischen Blicken, dabei gab Julian alles was er konnte. In der Zeit wo er nicht schlief, trainierte er. Versuchte alles aus seinem müden Körper rauszuholen. Es machte jedoch nur einen Teil aus und dieser Teil reichte nicht.
Zusätzlich konnte er das nun auch nur noch mit Vorsicht genießen, denn er war das letzte mal beim Cardio eingeschlafen. Obwohl man sollte es lieber erschöpft zusammen gesackt und ohnmächtig geworden nennen. Den Tag darauf hatte er das Training verpennt. Die Wut aller war groß und die Blicke auf ihn wurden noch kritischer. Selbst seine eigenen Kollegen warfen die ein oder anderen skeptischen Blicke auf den jungen Dortmunder. Die meisten zumindest. Es gab auch welche die ihn mehr mit Sorge betrachteten, ob das gut war darüber lässt sich diskutieren. Primär war dieser jemand niemand geringeres als Marco Reus, der seine Rolle als Kapitän sehr ernst nahm.

Das Julian wie eine wandelnde Leiche rum lief, wusste er selber. Der Spiegel in seinem Bad war momentan einer seiner größten Feinde, denn er war erbarmungslos ehrlich. Marco jedoch auch, denn er  fand das das ganze überhand nahm. Er wusste das Teamwechsel sehr schwer sein konnte, weswegen er auch alles tat um den jüngeren irgendwie mit ein zu beziehen. Meistens blieb dies aber vergeblich. Keiner wusste eigentlich viel über Julian. Niemand wusste wie seine Wohnung aussah, wo er überhaupt wohnte, was sein Lieblingsessen war oder was er freizeitlich gerne machte. Er war ein kleines Mysterium. Doch eins wussten sie, wenn ein guter Tag war und Julian sich wohlfühlte, war er ein lustiger Mensch. Niemand hatte da Probleme mit ihm, doch es war halt auch nicht immer so.
Das wollte Marco aber ändern.
Er hatte Julian eingeladen mit der Rest der Mannschaft zu feiern. einen nennenswerten Grund gab es dafür nicht, aber so lange sie es nicht übertrieben war es ja nicht schlimm. Oder? Eigentlich hatte der Blonde vorgehabt abzusagen, doch diese Antwort akzeptierte der Kapitän nicht, weswegen er nun in genau einer halben Stunde vor einer Bar in Dortmund stehen sollte.
Lustigerweise lag er immer noch in seinem Bett.

Ein Song reichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt