Ein Song reicht

5.

November 2021
Wolfsburg, Deutschland
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TW: Panikattacken

Kai hasste es alleine zu fliegen. Wenn nicht die Mannschaft oder zumindest Timo da war, fühlte sich die Reise einfach noch zehn mal länger an. Da half auch der dämliche Podcast zum einschlafen nicht. Im Gegenteil. Die Musik machte den jungen Mann nur unruhiger.
Da Timo ihn in der Natio kurzfristig allein gelassen hatte, blieb ihm nichts anderes übrig als allein zu fliegen. Toni kam seperat, alles Corona gerecht und Kai leidete nur noch mehr darunter allein zu sein. Eigentlich konnte er ja überall einschlafen und sich entspannen, aber dieses Mal hielt ihn die aufkeimende Nervosität davon ab. Nicht unbegründet pulte er also an seinen Fingernägeln. Eine dämliche Angewohnheit.

Julian wurde nominiert.
Es war genau das passiert, wo Kai nicht wusste ob er sich freuen oder ob er weinen sollte. Na gut vielleicht nicht weinen, aber dennoch war da mehr Angst als Freude. Das letzte mal wo er Julian gesehen hatte war über ein Jahr her. Nationalmannschaft während der Pandemie. Selbst dort hatten sie versucht nach allem wie immer zu wirken, zumindest der Chelsea-Spieler. Julian selbst meidete Kai und dieser merkte das sofort.
Und er? Er tat weiter so als wäre dieser Kuss oder gar dieser Streit nie passiert.
Für wenn er das machte? Er hatte keine Ahnung. Kai hielt sich nur noch an der Illusion ihrer restlichen in Scherben gebliebenen Freundschaft fest und versuchte die Zeit zu nutzen in der er ihn sah. Julian selbst schien den Funken verloren zuhaben, hatte die Scherben weggeräumt.
Seitdem wurde Jule nicht mehr nominiert.

Das zehnte mal strich sich Kai müde durchs Gesicht, als er gerade in das Taxi Richtung Unterkunft einstieg. Es war das erste Jahr gewesen wo er Jule wirklich gar nicht gesehen hatte und genau das lies ihn immer wieder etwas bewusst werde.
Er vermisste ihn.
Er hätte nie gedacht das er das mal sagen würde, aber er vermisste das beschissene Gefühl in seinem Magen. Diese warme Geborgenheit die jedes mal auftauchte wenn Julian da war.
Gott wie lange hatte er diese nicht beachtet, sich für diese gehasst. Doch jetzt wollte er es. Denn nicht Sophie, nicht Mason oder Timo lösten in ihm dieses Gefühl aus.
Nur Jule.

Und dennoch war da noch die Angst. Kai war bewusst das er durch sein 'so tun als wäre nichts' und seine harte Worte, nur alles schlimmer geworden war. Er hatte sich nie, seit zwei Jahren für diese Worte am Strand wo sie zusammen Urlaub gemacht hatten, entschuldigt. Für ihm hat dieser Streit danach nie existiert. Das sie sich zwei mal geküsst hattten ignorierte er vollkommen und auch das es nie mehr wurde wie damals, hatte Kai einfach so stehen gelassen. Viel zu sehr klammerte er sich an der Illussion das alles normal war.
Wieder wurde Kai schlecht. Er hasste sich selbst, denn egal wie sehr er es versuchte er konnte nicht abschließen. Egal wie sehr er sich in Arbeit stürzte, er sah überall Spuren von Julian, die alles wieder hoch kommen ließen. Genau deswegen wollte Kai endlich mit Julian reden, wollte seine Worte rückgängig machen oder zumindest entschädigen.
Doch wahrscheinlich war es dafür schon längst zu spät.

Kai war nicht blind. Er hatte jede Schlagzeile, jeden Tratsch um Julian gelesen und wie ein Vampir aufgesaugt. Mit jeder Information die er gesehen hatte, bekam der Fußballer immer mehr das Gefühl das der Zustand seines Freundes seine Schuld war. Das er irgendwas von den Glitzern in Julians Lachen genommen und nie wieder zurück gegeben hatte.
Es gab eine Zeit da hatte er Hoffnung das es besser wurde. Julian hatte da eine Freundin, jemand der nun Kais Part einnehmen konnte und Kai selber hatte Sophie. Der Mittelfeldspieler redete sich ein das es nun Zeit war abzuschließen, dass er nun Sophie hatte.
Er war nicht schwul.
Und sein Beweis dafür war Sophie.
So ekelhaft es klang doch er redete sich genau dies ein, doch eine Lüge hielt bekanntlich nur kurz. Die Beziehung ging kaputt und auch Julian war auf einmal wieder allein. Warum wusste keiner.