7.

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November 2021
Wolfsburg, Deutschland
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„Ganz gut."

Die Lüge kam so leicht über seine Lippen das Julian sich sicher war, dass es niemanden auffallen würde. Und natürlich, Kevin nickte nur. Wäre ja auch komisch, wenn er jetzt nach hacken würde, warum es dann so lange beschissen lief, wenn es doch ganz gut war. Sowas taten die meisten nicht und wahrscheinlich wollte er eh keine lange Leidensgeschichte hören, lediglich war dies eine Frage der Höflichkeit gewesen.

So dümpelte also der Abend vor sich hin. Jeder gab ab und zu seinen Senf ab, versuchten etwas Teamgeist zu erwecken und irgendwann trennte sich die Runde.
Julian wurde noch schnell getestet und dann durfte er auch schon in sein Zimmer verschwinden. Eigentlich wollte er dieses meiden, aber die Verantwortlichen wollten ihn fürs erste in dem Gebäude behalten, natürlich nur so lange kein Ergebnis da war. Sein Plan sich also draußen die Füße zu vertreten war gestrichen.
So stand er nun wieder in dem Raum, auf dem Teppich, wo er noch vor ein paar Stunden den Atem verloren hatte. Was Besseres konnte es nicht geben.

Er ignorierte jedoch diesen Fakt. Stattdessen versuchte er sich an die Situation zu gewöhnen, dass gut bekannte Beste draus zu machen. Er packte seine Tasche an den zerflederten Griffen und entleerte sie. Sie waren zwar nicht lange hier, doch Tasche auspacken war eine der wenigen Beschäftigungen, die wenigstens sinnvoll waren. Egal ob es sich lohnte oder nicht. Julian nutzte die Zeit auch um sich zu ordnen.
Die letzten 24 Stunden zogen an seinen Nerven und ließen ihn unruhig werden, war sein Kopf sowieso schon ein Karussell. Er merkte wie sich alte Angewohnheiten anbahnten und er konnte schon erahnen wie die Nacht aussehen würde.
Schrecklich bis Tendenz zu beschissen.
Doch das war ihm vorher schon bewusst gewesen. Nur aus reiner Sicherheitsmaßnahme hatte er also eine winzige Packung voller Schlaftabletten mitgenommen. Er wusste das sie ihm nur für den äußersten Notfall verschrieben worden waren, aber das hier fühlte sich wie ein ziemlicher Notfall an. So kramte er also zwischen seinen Boxershorts und Socken nach der Packung, die er dort dazwischen geklemmt hatte, damit sie niemand sah. Zwar hatten den größten Teil seine Brüder gepackt, da er sich fast weigerte zu dieser Veranstaltung zu gehen, aber als er nachgegeben hatte, hatte er extra dafür gesorgt, dass die Packung da landete, wo sie sollte. Allein der Gedanke das diese Tabletten in seiner Tasche existierten hatte Julian beruhigt. Die Tatsache das er definitiv Ruhe finden würde, gab ihm Halt, fast schon ein Stückchen Routine.
Sein Therapeut hatte gesagt er sollte sich nicht zu sehr auf die Wirkung der Pillen verlassen, mehr darauf, dass sie die negativen Sachen wieder hochholen könnte. Eigentlich war das die Chance, um zu beweisen das er nur halb so kaputt war und dass er definitiv es schaffte sich zusammenzureißen. Die Realität sah aber etwas anders aus.
Während ihn diese Gedanken durch den Kopf schwirrten, bekam er immer noch keine Verpackung in die Hände. Je leerer die Tasche wurde, desto hektischer, fast schon panisch, wurden seine Bewegungen. Die Packung tauchte jedoch nicht auf.
Stattdessen fand er einen Zettel.

‚Du schaffst das schon (; '

Fassungslos betrachtete er den Zettel. Er brauchte nicht lange, um zu wissen, wer diesen Zettel geschrieben hat. Diese unordentliche, geschnörkelte Schrift würde er überall wieder erkennen. Die Tatsache das sein Bruder noch einmal durch seine Sachen oder besser gesagt seine Boxer Shorts gewühlt hatte, nur um die Packung rauszunehmen, hinterließ den Blonden fassungslos. Er wusste das er es gut gemeint hatte, doch Jannis hatte keine Ahnung, was er da tat. Es war als hätte dieser ihn nicht angeschnallt in eine Achterbahn gesetzt und Julian war verdammt nah dran aus dieser elegant rauszufliegen. Seine Hand hatte sich zu Fäusten gebildet, den Zettel in diesen gut verpackt und mit Leidenschaft zerknüllt. Die andere packte sein Handy und tippte fahrig Jannis Nummer. Fast befürchtete er, dass dieser nicht ran gehen würde, kurz wusste er nicht, ob es sogar vielleicht so besser war, doch tatsächlich hatte sein Bruder es geschafft sein Handy nicht erneut zu verlegen.

Ein Song reichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt