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November 2021
Wolfsburg, Deutschland
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Klopfen.
Das müsste er nur tun, damit Julian vielleicht endlich rauskommen würde.
Klopfen.
Stattdessen stand Kai vor der Tür des Borussia Spielers und tat nichts. Er starrte nur auf das Holz, welches langweilig weiß war, hoffte das ihn niemand dabei sah und gleichzeitig das sie endlich von allein aufgehen würde.
Zwei Tage hatte er sich jetzt das Trauerspiel angeschaut. Julian der aussah wie eine Leiche, ihn ignorierte und er selbst wie er spielte wie eine Leiche. Ironisch.

Der Kampf und der Zwiespalt in seinem inneren war nur von Tag zu Tag schlimmer geworden, bekam er einfach nicht Julians leere Blicke aus dem Kopf. Er fühlte sich schuldig und dieses Gefühl kratzte ihm im Nacken.
Morgen hatten sie ein Spiel und Kai wollte unbedingt davor mit Julian reden, um genau diesen Umstand möglichst zu ändern. Zumindest war es das, was er sich vor dem Spiegel stehend eingeredet hatte, denn wie immer sah die Realität anders aus als er geplant hatte. Egal wie sehr er es sich nämlich seit fünf Minuten vornahm, er schaffte es nicht die Tür zu öffnen.

„Du weißt schon das durchs Starren keine Tür aufgeht.", erschrocken drehte sich der Chelsea Spieler um, verfluchte sich schon im inneren für die nun folgende peinliche Situation und blickte dann in Marco Reus skeptisches Gesicht. Er stand mit verschränkten Armen ein paar Meter vor ihm in Flip-Flops, hatte nur einen Bademantel an und sah aus, als kam er gerade aus der Sauna.
„Ich...also...", fing Kai stotternd an, hatte auf einmal jegliche Kompetenz zu sprechen verloren und kratzte sich am Kopf. Das ihm das Ganze unangenehm war, glich einer Untertreibung. Marco selbst war hingegen ziemlich unbeeindruckt von der Situation, fast so, als hätte er schon auf so eine Situation gewartet. Das macht die Nervosität in Kai nur schlimmer, denn er hatte keine passende Ausrede. Jegliche Sätze, die er irgendwann einmal geplant hatten, waren weg.
„Ich wollte nur Julian fragen, ob er Lust hat...ob-"
„Ja?"
Er hatte nur halb den Satz zu Ende gedacht und Marco war nicht dumm, merkte wie sein Gegenüber ins Schlenkern kam. Je mehr Kai also redete, desto mehr ritt er sich auch in die Scheiße. Der Kapitän Dortmunds hingegen starrte ihn weiter fragend an, wartete geduldig auf die Wahrheit, was sein Gegenüber nur noch mehr unter Druck setzte.
„Ich sollte wohl besser gehen.", beendete Kai seinen verzweifelten Versuch für eine gute Ausrede. Er drehte sich sofort auf dem Absatz um, wollte verschwinden, sich die nächste Ecke suchen und dort irgendetwas gegen Werfen, doch Marco kam ihm zu vor.
„Kai, wenn du jetzt wieder wegrennst, wird das nie was."

Der junge Mann stockte sofort in seiner Bewegung. Für einen kurzen Moment war er wieder in Ibiza, an diesem dämlichen Strand wo alles kaputt ging. Genau wie damals rannte er weg, genau wie damals war er ein Feigling. Wusste Marco davon? Hatte Julian ihm davon erzählt und war das der Grund, warum Marco ihn so beobachtete?
„Er wird es zwar nicht zugeben, aber er würde sich sicherlich besser fühlen, wenn ihr wieder miteinander redet. Was auch immer zwischen euch passiert ist, solltet ihr dringend regeln.", erklärte Marco nun seinen Satz, nur wahrscheinlich, um Kai nicht noch mehr zu verwirren. Er war dennoch verwirrt und so blieb er auch erstmal stehen. Er wusste nun nicht mehr, was er denken sollte. Einerseits wollte er weg, doch alles dabei belassen, wie es ist, andererseits wollte er aber auch kein Feigling mehr sein. Aber was meint Marco mit besser fühlen? Ging es Julian etwa wegen ihm tatsächlich so schlecht?
Der Kapitän wollte wieder zu einem Satz ansetzen, jedoch ging mit einem Mal die Tür des Grauens, direkt neben dem braunhaarigen, auf. Kai der halb immer noch davor stand, blickte erschrocken zur Seite. Lars Bödecker, der Teamarzt des DFB blickte ihn mit überraschter Miene an, als er fast gegen den Mittelfeldspieler prallte.

„Oh Hallo Kai!"
„Äh...Hallo."
Lars lächelte, fand es anscheinend etwas lustig sein Gegenüber so aus der Fassung zu bringen. Kai hatte wiederum kaum Zeit nun einen Satz für den Arzt rauszupacken, denn er wurde erneut aus der Fassung gebracht. Julian ploppte nämlich plötzlich im Hintergrund auf. Mit wachsamer Miene blickte er um die Ecke, während er sich einen Pullover überzog. Es brauchte erneut nicht lange da landeten die Blicke der beiden aufeinander. Müde Augen trafen auf verzweifelte, eine kaputte Seele traf auf eine gesprungene. Erneut blitzten die Scherben im Sonnenlicht auf.

Ein Song reichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt