Kapitel 2

275 5 0
                                    

Mit der U-Bahn dauert der Weg zur Arbeit nicht lange. Die Bar sieht wirklich edel aus, Lily hat mir nicht zu viel versprochen. Sofort sticht mir der riesige Bartresen ins Auge, hinter dem alle Arten an Alkohol in gläsernen Regalen platziert sind. An den Pole Stangen tanzen leicht bekleidete Frauen, während Männer auf roten Ledersesseln an Glastischen ihnen gierig zusehen, wie sich die Frauen gekonnt daran räkeln.
Vorab muss ich natürlich ins Büro des Chefs, weshalb ich mich sofort zu den Hinterräumen begebe.
„Viel Glück", zwinkert Lily mir zu und verschwindet hinter dem Tresen.
Als ich die Tür öffne sehe ich den Geschäftsführer der Bar bereits in seinem schwarzen Ledersessel an einem massiven Holztisch auf mich warten. Natürlich lässt sich der eigentliche Eigentümer der Bar nicht selbst dazu herab, die Einstellungsgespräche zu führen. Dafür habe ich das Vergnügen mit einem gewissen Herrn Hill, der laut Lilys Erzählungen gerne den dicken Obermacker spielt. Er soll es genießen, die Bedienungen zu schikanieren, sobald der Geschäftsinhaber den Laden verlässt und Herr Hill die Bar für sich alleine hat. Dabei ist er selbst nur ein gewöhnlicher Angestellter mit einer leitenden Position.
„Sie müssen Mia Thiel sein, freut mich Sie kennenzulernen. Kommen Sie doch bitte rein", begrüßt mich der breitgebaute, braunhaarige Mann mit seiner dunklen Stimme, der für sein Alter noch sehr attraktiv ist. Er ist schätzungsweise Mitte vierzig und wirkt auf mich etwas furchterregend, fast wie man sich einen Zuhälter vorstellt.
„Guten Abend Herr Hill, die Freude ist ganz meinerseits", erwidere ich ihm mit einem gespielt freundlichen Lächeln. Ich komme seiner Aufforderung nach und setze mich auf den Stuhl vor ihn.
„Warum möchten Sie bei uns im Paradise Place arbeiten? In Ihren Unterlagen habe ich gelesen, dass Sie siebenundzwanzig Jahre alt sind und bisher in Frankfurt gelebt haben. Aus welchen Gründen verschlägt es sie nach Berlin?", fragt er unvermittelt und lehnt sich lässig in seinem Sessel zurück.
„Ich möchte hier in Berlin neu anfangen. Ich habe bereits in Frankfurt einige Jahre als Köchin in der Gastronomie gearbeitet, außerdem liegt mir der Umgang mit Kunden im Allgemeinen. Ich würde mich gerne beruflich neu orientieren und sehe es als große Chance für mich im Paradise Place zu arbeiten", erwidere ich kurz und knapp, voller gespielter Euphorie, in der Hoffnung, dass er keine weiteren Fragen stellt.
„Haben Sie denn keinen Kontakt zu Ihren Eltern? Freunden? Sind Sie ganz alleine in Berlin?", bohrt er nach und lässt mich dabei nicht aus den Augen.
Leicht nervös starre ich auf meine ineinander verschränkten Hände. „Nein, wie bereits erwähnt. Ich möchte hier in Berlin neu anfangen", antworte ich zögerlich und etwas verwundert. Für ein gewöhnliches Vorstellungsgespräch sind seine Fragen ziemlich persönlich.
„Ich wollte Sie nicht in Verlegenheit bringen. Sie können natürlich sofort anfangen zu arbeiten. Ihre Kollegin Lily soll Ihnen alles zeigen." Er reicht mir noch seine Hand, die ich ergreife. „Auf gute Zusammenarbeit."
„Vielen Dank" sind meine letzten Worte, bevor ich fast fluchtartig sein Büro verlasse. Er scheint ziemlich beschäftigt zu sein, denn es dauert nur Sekunden, bis er zu seinem iPhone greift und telefoniert.

Nachdem mich Lily in alles eingewiesen hat, zieht sie mich dicht an sich, bevor sie flüstert: „Siehst du die Typen da drüben? Du bist heute für deren Tisch eingeteilt. Der linke ist Mike Miller, von dem ich dir schon so viel erzählt habe, und der rechte ist Liam Voß, dieses Arschloch von Geschäftsinhaber."
Unauffällig drehe ich mich kurz um, doch sie sind zu weit weg. „Ich kann von hier aus nichts erkennen", schmolle ich, doch Lily drückt mir ein Tablett in die Hand, auf dem eine Flasche Champagner und vier Gläser stehen. „Liam, dieser arrogante Drecksack, will, dass du ihm die Bestellung servierst. Er hat darauf bestanden, dass nur du ihn bedienen sollst."

Gefangen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt