Kreuzverhör

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Dass er Maria dann in der Bar sehen würde, hatte er nicht für möglich gehalten.

Auch nicht, dass es ihn aus der Fassung bringen konnte, als sich diese Männer seiner Tochter genährt hatten. Am liebsten hätte er mehr körperliche Gewalt angewendet, als nötig gewesen war.

Als der Krankenwagen mit ihr davonfuhr, hatte er sich schnell verabschiedet und war nach Hause gelaufen. Durch eine aufregende Nacht, vor einiger Zeit hatte er im Krankenhaus einen Kontakt, der ihn nun mit Informationen versorgen sollte.

„Bobby, endlich meldest du dich mal!" Ging eine gehetzt klingende Stimme an das Handy. „Für dich immer noch Bob, Charlie." Wies er den Arzt mit einem Lächeln zurecht. „Du gönnst mir den Spaß nie. Also was kann ich für dich tun, Bob?" Seufzte er gespielt genervt. „Ich brauche Informationen zu einer Patientin, sie sollte grade mit dem Krankenwagen ankommen." „Name?" „Maria Lee." „Und was hast du angestellt?" „Gar-gar nichts. Ich war dabei, als sie ohnmächtig geworden ist und – und ich möchte wissen, wie es ihr geht." Dass sie seine Tochter war musste er nicht wissen. Charlie hatte andere Qualitäten. „Ich kümmere mich darum. Was bekomme ich dafür?" Wollte er Arzt wissen und der Pilot konnte das verschmitzte Grinsen des Mannes vor seinem inneren Auge sehen. „Du kannst mir einen Drink ausgeben." „Kein Sex? Och, komm schon." Bettelte er. „Einen Drink, Charlie." Betonte er und war erleichtert, als es am anderen Ende der Leitung seufzte. „Einverstanden. Ich melde mich, bis dann Bobby." Bevor er sich beschweren konnte, hatte der andere aufgelegt. Charlie und er waren Bekannte für angenehme Abende. Sie mochten sich und der Arzt hätte sich den Piloten am liebsten ans Bein gebunden. Weil der aber weder Sex noch eine Beziehung wollte, belohnte Bob kleinere Gefallen mit seiner Anwesenheit und seiner Aufmerksamkeit.

Während Bob sich um seinen Kontakt bemüht hatte, hatte es sich Hangman nicht nehmen lassen Phoenix nach Hause zu begleiten und sich mit ihr über ihren WSO zu unterhalten. „Du hast ihn gut erzogen. Ich wusste nicht, dass er so wütend werden kann. Ist das nicht auf Dauer anstrengend ihn an der kurzen Leine zu halten?" Mal wieder spielte er auf eine Affäre zwischen den beiden an. „Nun, er ist deutlich besser auszuhalten als du." „Ansichtssache. Bist du nicht eifersüchtig, dass er sich in dieses junge Ding verknallt hat?" „Wieso soll ich eifersüchtig sein, mir scheint er, dass du es bist." Focht sie zurück. „Ich habe immerhin ein Date morgen." „Meinst du sie ist der Grund, warum er in letzter Zeit so komisch drauf ist?" Das gewinnende Grinsen verschwand. „Was meinst du?" Harkte er nach. „Er ist abwesend, vergisst sein Mittagessen, weil er ganz in Gedanken ist. Heute war das erste Mal, dass er mal wieder mit in die Bar gekommen ist. Irgendwas stimmt nicht, aber er rückt nicht mit der Sprache raus." Es war untypisch, dass sie ihm das Herz ausschüttete. Die beiden Piloten respektierten, mochten sich aber nicht besonders. Unter anderen Umständen hätte Hangman sie jetzt hängen lassen, aber es ging hier erstens um Bob und zweitens wenn sie es ihm schon erzählte, musste etwas auf jeden Fall schief laufen.

„Ich spreche mal mit ihm." Meinte er und bevor sie eine überraschte Antwort geben konnte, verabschiedete er sich, drehte sich um und verschwand.

Gleich am nächsten Tag machte er seine Ankündigung wahr. Auf dem Dienstplan hatte er herausgefunden welche Gruppe der Lt. Betreute und wartete nun vor dem Raum. Ein paar Bewunderer hatten sich getraut ihn anzusprechen und er ließ sich nur zu gern von dem Ruhm befeuern. Als der WSO dann um die Ecke bog, vertröstete er sie und fing ihn ab. Eigentlich lief der Mann in ihn rein, weil er wieder in Gedanken war und wäre er nicht so toll wie er vorgab zu sein, hätte Jake seine Unterlagen nicht gefangen, sondern auf dem Boden verteilt. „E-Entschuldigung. Das war keine Absicht." Entschuldigte sich der Kleinere schnell. „Dir auch einen guten Morgen. Hast du kurz Zeit?" Die Frage war obligatorisch, er würde sich die Zeit nehmen müssen. „Nein, die anderen warten. Was auch immer es ist, es muss bis zur Mittagspause warten." Und damit war Bob so schnell im Raum verschwunden, dass Hangman keine passende spitze Bemerkung darauf einfallen wollte. Später war er fällig, das war so sicher wie seine jetzige Flugeinheit.

Als der Unterricht endete, endete auch die Konzentration. Es war Bob schwer gefallen sich auf seine Lehrinhalte zu konzentrieren. Nicht nur, der Arzt sich noch nicht gemeldet hatte, sondern auch weil er sich auf die plötzliche Nähe zu Jake nicht hatte vorbereiten können. Es hatte ihn vollkommen aus dem Konzept gebracht und das konnte er sich nicht leisten. Der Gedanke, dass er ihn unfreundlich versetzt hatte half nicht sich zu beruhigen. Er hatte den Mann gut genug um zu wissen, dass er ihn sich beim Mittagessen vorknöpfen würde.

Erschöpft setzte Bob sich auf seinen Stuhl, legte die Brille auf den Tisch und fuhr sich durchs Gesicht. Er würde heute einfach nicht hingehen, Hunger hatte er sowieso nicht. Dennoch würde er sich zusammenreißen müssen. Phoenix war er schon aufgefallen, wenn das seinen Kollegen auffallen würde, könnten die es zu seinem Vorgesetzten tragen und dann wäre die ganze Schufterei umsonst gewesen. Er liebte diesen Job und er würde um ihn kämpfen.

„Hier steckst du." Augenblicklich saß er grade und setzte seine Bille wieder auf. Hangman stand vor seinem Tisch. Er hatte nicht gehört, wann er reingekommen war. „Du wolltest dich wohl drücken." Grinste der Blonde wissend und setzte sich halb auf die Kante des Tisches. „Aber jetzt sind wir allein und niemand kann uns stören." Der verruchte Unterton, in dem er das sagte, half Bob nicht wirklich ruhig zu bleiben. „Was willst du?" Fragte er und wollte diese Unterhaltung so kurz wie möglich halten. „Mit dir reden. Du bist in letzter Zeit komisch. So komisch, dass es auch schon den anderen aufgefallen ist." Fuck. Es war schon anderen außer Natasha aufgefallen. Wenn er sich also nicht besserte stand er ganz schnell oben im Büro. Hangman wollte eine gute Erklärung, die er nicht hatte. Und als wäre das nicht genug, konnte er nicht den Blick von diesen schönen Augen nehmen. Wie sich seine Lippen wohl anfühlen würden, wenn er....

„Sagst du mir was Sache ist? Wenn es um die Frau von gestern Abend geht, kann ich da bestimmt was machen." Bot er an und bemerkte nicht, dass er durch seine Frage den Mann wieder ins hier und jetzt geholt hatte. „Es geht dich nichts an." „Es geht uns alle was an. Wenn du im Jet sitzt und träumst, dann gefährdest du das Leben von jedem der mit dir fliegt."

Auf einmal stand er direkt vor ihm, drehte seinen Stuhl zu sich um und stützte sich auf den Armlehnen ab. Ihre Gesichter waren sich so nah wie noch nie. Er konnte ihn riechen, jedes Detail in seinem Gesicht erkennen. Hätte er grade keine Angst um seinen Job und die Ungewissheit um seine Tochter, hätte er sich definitiv die Zeit genommen alles in sich aufzusaugen. „Ich fliege noch immer genau so gut wie vorher." Versuchte er sich zu verteidigen und überlegte fieberhaft, wie er diesen Mann auf Abstand bringen konnte. Denn kalt ließ es ihn nicht. „Aber auch nicht besser." „Es kann und will eben nicht jeder so ein Arschloch sein wie du." Die Worte hatten seinen Mund verlassen, ehe er sie hatte überdenken können. Er biss sich auf die Lippe und wandte den Blick ab.

Plötzlich spürte er heißen Atem an seinem Ohr und erstarrte. „Ich bin vielleicht ein Arschloch, aber ich bin ehrlich und ich werde nicht zulassen, dass der lieben Phoenix etwas passiert, weil du mit deinen Gedanken woanders bist. Wenn du mir jetzt nicht sagst was los ist werde ich mir etwas einfallen lassen, um dich zum Reden zu bringen." Seine Drohung war ernst, nicht zu überhören und dennoch musste er sich mit aller Gewalt ein Keuchen verbieten. Er musste weg, sofort. Bob stand auf, packte seinen Kammeranden am Kragen und stieß ihn mit aller Kraft weg. Dann eilte er aus dem Raum, direkt in die Umkleide und unter die Dusche. Er stallte sie eiskalt damit sie sein kleines Problem löste. Dass er in aller Eile die Handtücher vergessen hatte war ihm egal. Damit konnte er sich später beschäftigen. Jetzt musste er erstmal runterkommen.


Erstens kommt es anders / Top GunWo Geschichten leben. Entdecke jetzt