"Ich glaube, ihr seid jetzt soweit."
Martha hatte die beiden heute besonders stark gefordert. Nala lag ausgestreckt auf dem Boden und dachte nur daran, weiter zu atmen, während Marlon sich eine Kanne Wasser über den Kopf schüttete. Marthas Worte ließen beide innehalten."Für was?"
"Für den Spießrutenlauf. Ihr werdet heute das Mittagessen im großen Saal einnehmen - dort, wo alle Teams essen. Bis zu eurem ersten Kampf werdet ihr alles dort ertragen. Jede Stichelei, jede Erniedrigung, jedes unfaire Benehmen. Ihr werdet nur dann kämpfen, wenn ihr euch verteidigen müsste, aber ihr werdet nicht angreifen und schon gar nicht einen Kampf provozieren.
Verstanden?"
Beide nickten betäubt. Hier mit Martha war alles so weit weg, so irreal. Nala hatte fast vergessen, wo und was sie war. Sie genoss das Training, war schneller, stärker und mutiger geworden. Die kleine warnende Stimme war fast unhörbar geworden, doch jetzt erwachte sie wieder. Sie war eine Sklavin und wenn sie ihre Rache wollte, musste sie gegen echte Gegner kämpfen und bei tödlichen Wettstreits mitmachen. Nicht, weil sie Freude daran gefunden hatte, sondern um Streitigkeiten der Mutane zu klären, die sie nicht mehr selbst ausfechten wollten. Aber sie hatte sich in letzter Zeit auch oft mit Martha und Marlon unterhalten. Beide waren sich in gewisser Weise ähnlich, denn beide hatten niemand mehr, zu dem sie zurück wollten. Sie hatten sich nicht in die Fluten gestürzt, weil sie Sklaven werden wollten, sondern weil ihr Leben dort oben keinen Sinn mehr für sie hatte. Hier unten war das anders und Nala begann zu ahnen, warum so wenige versuchten, sich dagegen zu wehren.
Zum einen wartete da draußen der Ozean und damit der Tod. Ohne die magischen Ketten um den Hals würden sie von dem Druck des Wasser erdrückt und ertranken erbärmlich. Wer diesen Weg nicht wählte, bekam einen neuen Sinn für sein Leben hier unten. Egal wie bescheiden und erniedrigend es Nala zu sein schien. Dieser Sinn wog mehr als alles andere. Natürlich spielten die Stockholm- und Helsinki-Syndrome eine große Rolle. Alle Menschen waren hier dauerhafte Gefangene und ihre Psyche versuchte einen Weg zu finden, um damit zurecht zu kommen, indem die Sklaven sich mit den Mutanen und ihren Werten identifizierten. Würde einer von ihnen die Mutane verlassen, wenn sie die Wahl hätten? Nala befürchtete, dass niemand gehen würde - und sie selbst spürte dieses gleiche Gefühl. Ohne es wahrzunehmen, hatte sie sich angepasst und redete sich die Dinge schön.
Diese Gedanken waren wie Eiswasser. Nala hatte ein Ziel. Sie wollte den Mutan bestrafen, der ihr ihre Mutter genommen hatte. Das musste sie sich immer wieder vor Augen führen.
"Geht euch duschen und umziehen. Ich zeige euch dann den Weg."
Egal, wie sehr sich Nala auch an ihrem Ziel festhielt, sie musste immer achtsam sein, nicht Teil dieses Systems zu werden. Auch wenn sie sich jetzt erhob und Marthas Anweisungen folge leistete.
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Drowning
خارق للطبيعةNala liebt das Wasser. Sie ist eine gute Schwimmerin, doch sie hat Angst vor dem Meer. Schon seit sie ein kleines Kind ist, träumt sie, im Ozean zu ertrinken. Als ihre beste Freundin sie zu einer Seereise überredet, wird ihr größter Albtraum war un...