Kapitel 10

774 20 58
                                    

,,Willkommen auf Neverland.''
Sein Augen glühten vor Freude.

Nein.

Niemals.

Einige Schrecksekunden vergingen.
Fassungslos starrte ich ihn an.

Als die Erkenntnis mich überrollte, setzte mein Herz kurz aus, nur um in der darauffolgenden Sekunde mit dem fünffachen Tempo loszuhämmern. Meine Augen weiteten sich und ich hielt die Luft an. Verzweifelt versuchte ich, einen Schritt zurück zu machen, aber die Eisenkette um meinen Fuß fühlte sich plötzlich an, wie ein Sack Zement. Reglos stand ich da und sah in die giftgrünen Augen. Während sich in meinem Gesicht der blanke Schock wiederspiegelte, konnte ich in seinem Gesicht nichts als pure Freude sehen. Seine Augen funkelten im Licht der Fackeln diabolisch auf. Das Grinsen in seinem Gesicht glich mehr einer Fratze.

,,Es freut mich, dass wir uns endlich kennenlernen, Y/N. ''

Das war nicht möglich.
Pan.
Der Pan, von dem ich entführt wurde, der deswegen ich hier war, war nur ein JUNGE?!
Er war nur ein Stückchen größer als ich und nicht viel älter.
Das war ...
Ich konnte es einfach nicht glauben.

Immernoch fassungslos starrte ich ihn an. Ihm ging es offenbar blendent. Mit seinem Fratzen-Grinsen im Gesicht, schlenderte er um mich herum. Wie eine Raubkatze, die ihre Beute umkreiste.
HA! Genau das waren wir ja auch. Er Raubkatze und ich Beute.

,,Hübsche Kleidung. Steht dir wirklich sehr gut.'' sagte er, während sein Blick an mir herab glitt.
Verdattert von dieser Aussage, blickte ich an mir herunter. Erst jetzt viel mir auf, dass ich meinen Schlafanzug nicht mehr trug. Stattdessen war da eine lange Hose, aus dunkelbraunem Stoff. Um meine Waden und Schienbeine hatte mir jemand Lederstreifen gewickelt, vermutlich als Schoner. Meine Füße steckten in braunen Schuhen. Die waren verdammt bequem. Ob man in ihnen auch durch den Dschungel sprinten konnte?
Das Oberteil war aus unterschiedlich großen Fetzten zusammen genäht, in allenmögliche Grüntönen. Die Ärmel waren hochgekrempelt.
Großer Gott, ich sah aus wie Tinkerbell. Das mussten die Klamotten sein, die sie mir hingelegt hat.

,,Du hast bestimmt Hunger, oder?'' fragend legte er den Kopf zur Seite.
Ja. Mordshunger. Schon die ganze Zeit über, hatte ich das Ziehen in meinem Magen beharrlich ignoriert.
,,Nein.'' Meine Stimme klang heiser.
Zum Kontrast meiner Aussage, begann mein Magen in diesem Moment zu knurren.
Verräter. Jetzt war auch mein Magen gegen mich.
Als Pan meinen Magen, hörte grinste er amüsiert.
,,Bring sie ins Lager, Devin!''

Das Lager lag auf einer großen Lichtung. In den Baumkronen hingen Baumhäuser und zwischen den Bäumen standen Zelte und kleinere Unterstände. In der Mitte der Lichtung knisterte ein Lagerfeuer. Der Geruch von verbranntem Holz und gebratenem Fleisch lag in der Luft. Sofort lief mir das Wasser im Mund zusammen. Es herrschte reges Treiben. Rufe und Schreie halten zu mir herüber. Einige Jungen saßen am Feuer und unterhielten sich. Andere kletterten an Seilen und Lianen empor und wurden von den herumstehenden Jungen angefeuert. Ein paar schauten mit neugierigen Blicken zu uns herüber. Andere sahen nur kurz auf und widmeten sich dann wieder ihrer Beschäftigung. Einige würdigten mich gar keines Blickes.
Devin lenkte mich zu einem Baustamm, der etwas abseits vom Feuer stand. Grob drückte er mich runter. Vor mir auf dem Boden standen eine Platte mit Brot und Beeren. Daneben stand ein kleiner Holzbecher mit einer durchsichtigen Flüssigkeit. Ich gewöhnte mir ab, automatisch davon auszugehen, dass es Wasser war. Wie ich Dank Tink wusste, konnte der Schein hier sehr gut trügen. Während Devin die Platte vom Boden aufhob, ging Pan zu einer Gruppe von Jungen, die gerade auf die Lichtung traten und verwickelte sie in ein Gespräch. Die Gruppe sah aus, wie ein Jagd-Trupp. Sie waren mit Armbrüsten und Speeren bewaffnet. Über ihren Schultern baumelten frisch erlegte Kanninchen und Fassane.

Devins Auftrag war es wohl, mir etwas Essbares einzuflößen. Das hätte ich auch selbst erledigen können, aber Devin weigerte sich meine Hände zu entfesseln. Und so blieben sie fest zusammengebunden hinter meinem Rücken. Er nahm ein Stück Brot und hielt es direkt vor meinen Mund. Wie einem Baby, dem man Babybrei verabreicht. Demonstrativ biss ich die Zähne zusammen und hielt meinen Mund geschlossen. Zum Zeichen was ich davon hielt, drehte ich meinen Kopf weg.

,,Komm schon, Y/N.'' sagte er, nachdem ich das Stück Brot in den Mund genommen und ihm anschließend vor die Füße gespuckt hatte.
,,Entweder die sanfte Tour oder die Harte.'' Es gab eine harte Tour mir Essen zu verabreichen? Eigentlich wollte ich die harte Tour gar nicht kennenlernen.  Trotzdem forderte ich mein Schicksal heraus und blockte wieder ab, als Devin seinen letzten Versuch startete.
,,Na schön. Du hast es so gewollt.'' Er stellte das Brot beiseite.
,,Pan!'' rief er über die ganze Lichtung.
Pan drehte sich um und musterte erst mich, dann die volle Platte mit dem Brot.
,,Sie will nichs esssen.'' fügte Devin unnötigerweise hinzu.
,,Mach es wie besprochen.'' sagte er.
Unsicher sah Devin von mir zu Pan, der sich mit einem ungeduldigen Kopfrucken wieder seinen Jägern zuwandte.

,,Also schön ...'' murmelte er.
Er packte mich an den Fesseln und bugsierte mich zu einem Baum in der Nähe. Der breite Stamm, hatte einen Durchmesser von gut eineinhalb Metern. Innerhalb weniger Sekunden, hatte er mich mit Hilfe von Lianen an den Stamm gefesselt. Meine Hände drückten von hinten in meinen Rücken. Als Devin mit dem Brot in der Hand auf mich zukam fragte ich:
,,Was genau meint er mit 'Mach's wie be-. . . ?''
Weiter kam ich nicht. Devin hatte, noch während er auf mich zuging, ausgeholt und mir seine Faust in den Bauch gerammt. Der Schmerz drückte die Luft aus meinen Lungen. Durch den Würgereiz sammelten sich Tränen in meinen Augen. Meine inneren Organe zogen sich zusammen.
Was für ein Arsch!

Wäre ich nicht an den Baum gefesselt, wäre ich zusammengesackt und hätte mich auf dem Boden gekrümmt. Mein Kopf fiel ein Stück vor und röchelnd versuchte ich zu Atem zu kommen. Mein Herz schlug gegen meine Rippen. Der Sauerstoff kam nicht schnell genug in meine Lunge, sodass ich hechelte. Meine Eingeweide verkrampften sich vor Schmerz. Als ich etwas zu Atem kam, stopfte Devin mir ein kleines Stück Brot in den Mund. Ich reagierte nicht schnell genug. Mein erster Reflex war es, es Devin ins Gesicht zu spucken. Devin, der das längst hat kommen sehen, drückte mir die Hand auf den Mund.
Durch meine tränenerschleierten Augen, suchte ich seinen Blick und funkelte ihn an. Er erwiderte meinen Zorn, mit solch einer Ruhe in seinen braunen Augen, dass ich fast daran dachte mich zu beruhigen.
,,Kauen und schlucken.'' sprach Devin langsam. Betonte jedes Wort.
Natürlich dachte ich nicht daran, hier auch nur irgendetwas wieder zu essen. Um den Schluckreflex zu umgehen schob ich das Brot, welches von meinem Speichel völlig matschig geworden war, in die rechte Backe und wartete. Da Devins Hand noch auf meinen Mund gepresst war, merkte er die Bewegung meiner Wange. Ohne zu zögern, stellte er den Teller ab und drückte mir die Nasenflügel zusammen. Ich war so überrumpelt von dieser Aktion, dass ich den Schluckreflex, der kurze Zeit später darauffolgte, nicht verhindern konnte. Noch ehe ich mich versah, beförderte meine Zunge das Brot durch die Speiseröhre in meinen Magen.
,,War doch gar nicht so schwer, oder?'' fragte Devin.
Jetzt gab es kein halten mehr. Ich, besser gesagt mein Magen, hatte Blut geleckt. Die nächsten Brotstücken die Devin mir in den Mund legte, schluckte ich gierig binnen Sekunden runter. Nach und nach füllte sich mein Magen und ich bemerkte, wie ich wieder zu Kräften kam. Als Devin mir den Becher an die Lippen setzte, leerte ich den Becher in einem Zug. Was auch immer das war, sollte ruhig kommen. Wenn es mich wieder ausknockte, würde ich vielleicht endlich aus diesem Alptraum erwachen.

Peter Pans Gefangene | Once Upon A Time FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt