Kapitel 8

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,,Wieso kommt er nicht her?''
Devin rollte die Augen. ,,Komm jetzt.''
,,Tss, mich erst einfliegen lassen und dann nicht auftauchen.''
Devin ignorierte meine Aussage. Er packte mich an meinen gefesselten Händen und zog mich aus dem Käfig.

Die Lichtung war im Stehen deutlich überschaubarer. Neugierig blickte ich mich um. Überall hingen Lianen von den Bäumen. Schlingpflanzen und Efeu schlängelten sich um die dicken Baumstämme. Obwohl es Vormittag sein musste, war es ziemlich düster. Nur wenige Sonnenstrahlen drangen durch das Blätterdach bis zum Boden vor. Gewaltige Büsche mit Dornen raschelten, als eine leichte Brise wehte. Der Pfad, den Devin genommen hatte, verlief hinter mir.
Ich suchte nach einer Fluchtmöglichkeit.
Nur wie sollte ich Devin außer Gefecht setzen?
Er war zwar nur ein Stückchen größer als ich, jedoch mit seinem kräftigen Rumpf und den breiten Schultern nicht gerade unvorteilhaft gebaut. Wenn Pan ihn als meine Wache eingeteilt hatte, stand er bestimmt nicht unbewaffnet hier rum.

Devin kniete vor mir und machte sich daran, meine Fußfesseln zu öffnen. Unter seinem Umhang zog er einen Dolch hervor. Behutsam schnitt er das Seil an.
Langsam, aber sicher lösten sich die Knoten. Der Druck, der sich um meine Fußgelenke gespannt hatte, ließ nach. Endlich wieder ein sicheres Standgefühl. Augenblicklich bekam ich etwas Kontrolle über die Situation. Devin legte den Dolch neben sich und zog das Seil von meinen Gelenken.
,,Devin?'' fragte ich.
,,Hm?'' brummte er und sah auf.
Das war meine Chance.
Mit ganzer Kraft rammte ich ihm mein Knie ins Gesicht.
,,AHH!'' fluchend hielt er sich die Hände vors Gesicht.
,,Der war für den Pfeil.''
Mit einem weiteren Tritt gegen seine Brust, beförderte ich ihn auf den Rücken.
,,Und der fürs Fallenlassen.''
Hastig griff ich nach dem Dolch und versuchte irgendwie meine Handgelenkfesseln zu zerschneiden.
Als ich fertig war, sprang ich auf. Tausend Gedanken jagten durch meinen Kopf.
Lauf.
Mein Blick sprang zu Devin. Zwischen seinen Händen lief Blut hervor. Vor Schmerz fluchend krümmte er sich auf dem Boden.
Lauf!
Es raschelte hinter mir.
,,Devin?'' ertönte eine Stimme aus dem Unterholz.
LAUF
Eine weitere Aufforderung brauchte ich nicht. Endlich setzte sich mein Fluchtinstinkt durch. Mit dem Dolch in der Hand stürzte ich los. Blindlinks durch Unterholz. Leider war ich nicht weit genug entfernt, um die Stimme des Jungen zu überhören.
,,Y/N IST ENTWISCHT!''
Sofort legten meine Beine einen Zahn zu. Zweige und Blätter peitschten in mein Gesicht. Immerwieder wich ich Büschen und Bäumen aus. Schlug mehrere Haken und fuchtelte mit dem Dolch herum, um Gestrüpp zu zerschlitzen.

Ich sprang über einen umgestürzten Baumstamm und landete auf einem schmalen Trampelpfad. Mein Herz hämmerte gegen meine Brust, wie eine Herde Wildpferde. Ohne groß drüber nachzudenken hechtete ich auf dem Pfad weiter. Der Weg war mit Schlingpflanzen überwuchert. Er schien schon lange nicht mehr benutzt zu werden. Ich stolperte mehrmals. Meine Füße verfingen sich immer wieder. Der Pfad schien kein Ende zu nehmen. Das Laufen wurde durch das Seitenstechen, welches sich zunehmend verstärkte, nur noch anstrengender. Meine Lungen brannten. Die Seiten schmerzten. Jegliches Zeit- und Raumgefühl war verloren. Einzig und allein die Angst trieb mich an.

Wie lange war ich gerannt?
Aber noch wichtiger: wie weit?
Ich beschloss anzuhalten. Nicht nur um zu überprüfen, ob mir jemand folgte, viel mehr brachten mich die Signale meines Körpers zum Stoppen. Ich drosselte das Tempo, bis ich ins Gehen verfiel. Schweratmend stützte ich mich an einen Baum und hielt mir die Seite.
Ich hasste Sprinten.
Über meine schweren Atemzüge hinweg, spitzte ich die Ohren.
Nichts.
Es war so unnatürlich still. Nichteinmal Tiere, geschweige denn Vögel, waren zu hören. Das einzige Geräusch, welches dieser Dschungel machte, war das Rauschen der Blätter, wenn Wind aufkam.
Ich blickte an mir herab. Nur um meine Vermutung bestätigt zu sehen, dass mein Körper so aussah, wie er sich anfühlte. Das Nachthemd klebte an mir und war an mehreren Stellen gerissen. Einzelne Fetzen fehlten. Braune und grüne Flecken färbten den Stoff. Meine Beine, Hände, Arme - alles war zerschrammt, dreckig oder geschwollen. Kleine Blutrinsel liefen an meinen Beinen hinunter. Am meisten schmerzten meine Füße. Meine Beinmuskeln pulsierten von diesen ungewohnten Bewegungen. Meine Hände waren vom Klettern wund. Es grenzte an ein Wunder, dass ich mir noch keinen Splitter geholt hatte oder in Dornen getreten war.
Weil immernoch keine Geräusche zu hören waren, lehnte ich mich mit dem Rücken an den Baum und rutschte langsam nach unten. Meine Arme umschlangen die angewinkelten Knie. In meiner rechten Hand hielt ich den Dolch umklammert. Mit der Stirn gegen die Knie gepresst, saß ich da und versuchte diese Ereignisse zu verarbeiten.
Ich wurde entführt.
Von einem Schatten.
Auf eine Insel.
Ein gewisser Pan steckt dahinter und grade in diesem Moment jagen seine Handlanger über die Insel und suchten nach mir.
Diese Geschichte glaubt mir doch kein Mensch, dachte ich kopfschüttelnd. Ich konnte es ja selbst kaum glauben. Würde sich das hier nicht so verdammt real anfühlen, hätte ich alles für einen Traum gehalten.
Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, was ich jetzt tun sollte.
Nachhause. Ich musste Nachhause. Nur wie?
Devin meinte, irgendwas von einer Erlaubnis die Insel zu verlassen.
Nachdenklich legte ich meinen Kopf in den Nacken und schloss die Augen.

Peter Pans Gefangene | Once Upon A Time FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt