Kapitel 5 / 1

43 5 2
                                    

Als Skye dieses Mal wieder zu Bewusstsein kam, fühlte sie sich niedergeschlagen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Unzählige Stellen ihres Körpers taten ihr weh, und ihre Augen ließen sich so schwer öffnen, als wären sie zusammengeklebt worden. Als es ihr schließlich gelang, war ihr  Blick unscharf, sodass sie ein paarmal blinzeln musste, damit die verschwommenen Umrisse zu scharfen Gegenständen wurden. Das helle Licht brannte ihr in den Augen als sie sich versuchte umzusehen, denn ein paar Sonnenstrahlen fielen ungehindert in ihr Gesicht. Schnell wandte sie den Blick ab und musste ein wenig warten, bis sie keine bunten Punkte mehr sah. Nun konnte sie sich in dem Raum, in dem sie war, ein wenig besser umsehen. Neben ihrem Bett stand eine Kommode, auf der ein Krug voll Wasser stand, daneben ein Glas. Die Kommode selber war aus dunklem Holz, hatte an den Schubladen runde Griffe. Sie war etwas länglich, und als Skye ihren Blick weiter durch den Raum schweifen ließ, fiel ihr eines auf: Sie war an einem ihr gänzlich unbekannten Ort. Wo dieser Ort war, konnte sie nicht sagen, es schien, als wäre eine Lücke in ihrem Gedächtnis, denn sie hatte das Gefühl, dass sie eine Sache vergessen hatte. Und besonders diese eine Sache, von der sie wusste, dass sie wichtig war, wollte ihr einfach nicht einfallen. Sie gab es auf so angestrengt Nachzudenken, da es ihr Kopfschmerzen bereitete und  konzentrierte sich wieder auf ihre Umgebung. Was ihr davor noch nicht aufgefallen war, war die Tatsache, dass sie auf einer Krankenstation war. Zumindest deuteten die ganzen anderen, freien Betten, daraufhin. Doch der fehlende Geruch nach Desinfektionsmittel machte sie bei ihrer Vermutung unsicher. Sie drehte sich suchen in ihrem Bett umher, hielt Ausschau nach einem Fenster oder einer Türe, doch das einzige was sie erkannte waren Wände. Hellblaue Wände mir weißen Schäfchenwölkchen, so wie sie Kinder zeichneten. Auf Höhe des Bodens waren grüne Wiesen zu sehen, mit Hügeln und Blumen, umgeben von rotem Gras. Rote Blumen und weiße mit schwarzen, gelben, verwelkten braunen oder roten Blättern. Ein schöner Anblick, wären da nicht die Gestalten auf der Wiese gewesen. Manche standen sich gegenüber, andere lagen in komischen Posen auf dem Boden. Erst als Skye die warme, weiche weiße Decke mit den Beinen zurückschlug, aufstand und sich vor dem Bild auf ihre Schienbeine setze, konnte sie ihren Fehler erkennen:

Die Gestalten waren Kämpfer, Krieger die mit langen Breitschwertern oder einfachen Stöcken um ihr Leben kämpften. Andere mit Gewähren, gerichtet auf die Feinde. Wiederum andere  hatten keine Fernwaffen, sie hatten Krallen, Klauen und Reißzähe. Diese Krieger waren gekrümmt, hatten lange Arme, kurze, in die falsche Richtung abgeknickte Beine, waren grau und hatten struppige Pelze. Einige von den Gestalten hatten diesen Kampf schon verloren, lagen tot auf dem Boden.

Und auch die Blumen täuschten auf den ersten Blick, doch nicht auf den zweiten: Das rote Gras war in Wahrheit Blutlachen die sich auf der grünen Wiese verteilten und das Gras verfärbten, rutschig und matschig machten. Die weißen mit den verwelkten braunen, roten, weißen, schwarzen oder gelben Blättern waren weiße Köpfe, am Ansatz des Halses, unter dem Kinn abgetrennt. Und die Blütenblätter waren die Haare, die um die toten Gesichter verteilt herum lagen, strähnig vom But, zusammengeklebt.

Das Bild war trotz der Kriegsszenerie die es darstellte, wunderschön. Es hatte etwas von einer Kinderzeichnung, kritzelig und übertrieben, man musste lächeln, auch wenn das Bild nicht schön war. Skye hatte das Gefühl, die Kreaturen würden jeden Moment aus ihrer Starre erwachen und weiterkämpfen. Bis auf den Tod, bis kein anderer außer der eigenen Einheit stand. Im Hintergrund, hinter der Wiese, konnte man einen Wald erkennen. Ein Wald, in dem sich die Baumkronen dem starken Wind beugten. Dem Wind, der im Vordergrund des Bildes nicht existierte. Doch besonders zwei Gestalten hielten Skyes Blick gefangen:

Majestätische Geschöpfe, hoch oben in dem Himmel. Eine wie der Nebel, grau und verschwommen, durchsichtig und ungreifbar, dennoch so Formfest und greifbar. Die andere wie ein Feuer, lodernde Flammen und rote Augen, leuchtend wie die glühende Kohle. Sie wirbelte durch die Luft wie ein Waldbrand, Gefährlich und Unberechenbar.

Moon Days - ErwachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt