Prolog

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Es war dunkel. Der Mond war in seiner dünnsten Fase angekommen.

Man hörte Schreie.

Schnelle Fußtritte folgten.

Jemand rannte.

Er keuchte, doch ausruhen und gehen kam nicht in Frage. Er wusste, wenn er jetzt das Tempo verlangsamen würde, würden Sie ihn umbringen. Er hatte keine Kraft mehr. Lange würde er das nicht mehr aushalten.

Er bog um eine Ecke. Früher war er stolz darauf gewesen das er so groß war, doch jetzt spielte seine Größe gegen ihn.

Sie würden ihn nur schneller finden.

Und Sie durften ihn nicht finden.

Lange Zeit schon hatte er sich vor Ihnen versteckt. Hatte andere seinesgleichen gesucht. Sich mit ihnen verbündet. Sie waren viele gewesen, meinten sie könnten Sie ausschalten, sich ihnen stellen und überleben.

Jetzt war nur noch er übrig.

Allein.

Würde nicht überleben.

Konnte nicht auf den Schutz zugreifen, der ihm zustand.

Musste in matschigen, verregneten Straßen um sein Leben rennen. Konnte wegen der Dunkelheit fast nichts erkennen, und auch wenn es bald Dämmern und der neue Tag anbrechen würde, würde er die Sonne kein einziges Mal mehr wiedersehen, dessen war er sich bewusst.

Durch die jetzige Dunkelheit war er Ihnen fast gänzlich Schutzlos ausgeliefert, denn Sie würden ihn erkennen, ihn sehen. Sie waren ihm mit ihrer hervorragenden Nachtsicht im Klaren Vorteil. Die Nebenstraße in der er sich jetzt befand war noch düsterer als die davor. Enger. Da er nicht viel sah, lief er in eine Pfütze. Ein lautes Platschen folgte, als er mit seinem Fuß hineinrannte.

Ein zu lautes Geräusch.

Sie waren lautlose Jäger.

Geschickt.

Gnadenlos.

Gaben niemals auf.

Sie hatten schon viele auf dem Gewissen. Viele die er kannte.

Freunde. Familie.

Alle waren weg.

Die meisten wurden getötet, die anderen, die übrig waren, hatten sich von ihm abgewandt.

Sein Leben zog an seinem inneren Auge vorbei, als er Ihre Nähe spürte. Er wollte noch nicht sterben. Er hatte nicht gemerkt, dass er stehen geblieben war, und rannte wieder los. Er wollte solange wie möglich Leben und nicht in so einer Nebenstraße sterben. Auch wenn ihn niemand betrauern würde. Das wusste er.

Alle Menschen die ihm wichtig waren, waren weg. Sie würden nicht einmal wissen, dass er tot war, dafür war er ihnen zu unwichtig.

Er war so in Gedanken gewesen und damit beschäftigt zu rennen, das er aufschreckte als es plötzlich Hell und wieder Dunkel wurde.

Ein dünner Mondstrahl hatte sich einen Weg in die Nebenstraße gebahnt.

Und er war mitten hindurchgelaufen.

Und genau dieser eine Mondstrahl, dieses eine Mal Unaufmerksamkeit, dieses eine Mal Aufkeuchen vor Schreck, war zu viel.

Er sah sie.

Schwarze Schatten, rote Streifen.

Er bog um eine Ecke und fluchte sogleich innerlich.

Eine Sackgasse.

Er stellte sich an die Ecke, zuckte erneut zusammen als er einen leichten, ungewöhnlich warmen Lufthauch für diese kühle Nacht in seinem Nacken spürte. Er drehte seinen Kopf langsam, starrte seinen Gegenüber an.

Ein Lhya.

Was machte der denn hier? Ihr Gebiet war auf der anderen Seite. Es war unmöglich dass er hier war.

Es sei denn, er wäre ein Ausgestoßener.

Er spannte sich an, wollte ihn an die kalte, nasse Steinwand drücken, schließlich wusste er nicht einmal was dieser hier machte, wieso sollte er ihm also vertrauen? Doch als er sah wie dieser leicht den Kopf schüttelte und einen Finger auf den eigenen Mund legte, zögerte er. Der Fremde berührte den Gejagten kurz, dieser wartete einen Moment, bevor er misstrauisch nickte. Sie warteten wieder, doch diesmal nahmen sie eine andere Haltung ein.

Lauernd.

Nun drehten die beiden den Spieß um.

Nicht mehr sie waren die Gejagten, sie wurden die Jäger.


Moon Days - ErwachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt