4. Kapitel

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Es herrscht Ruhe und ich versuche einzuschlafen, um den Schmerz zu vergessen. Doch dazu komme ich leider nicht, denn die Tür öffnet sich schlagartig. Elija stürzt an mein Bett und streicht mir sanft über die Wange. Tränen Tropfen von ihr auf mich herab. Hinter ihr geht,ich schlucke, mein Vater durch die Tür. Zögerlich bleibt er in der Tür stehen und sieht einfach nur zu. Es ist wirklich erstaunlich, dass er Elija nicht wieder anschreit, wegzugehen. Er lässt sie einfach machen.
Ich bin müde und bekomme alles nur so halb mit, aber nun kommt er auf mich zu und schiebt die weinende Elija weg von mir. Na toll. Sie steht auf und kommt auf die andere Seite meines Bettes. Mein Vater setzt sich und sieht mich an. Sanft streicht er mir über die Wange. Ich fühle mich unwohl. Das geht wieder in die falsche Richtung. Er sagt streng zu der fremden Frau, die auf einmal im Zimmer steht und sich nicht rührt:
„Könnte ich kurz allein mit meiner Tochter reden?"
„Natürlich. Ich warte vor der Tür. Soll ich ihre Frau mit nach draußen nehmen?", fragt sie und zeigt auf Elija. Diese sieht meinen Vater an und wartet auf seine Antwort. Er lacht.
„Wie bitte? Das ist doch nicht meine Frau. Nehmen Sie sie bitte mit nach draußen", sagt er darauf.
„Und da bin ich sehr froh drüber, also dass ich deine Frau nicht sein muss. Ich gebe dir genau fünf Minuten bevor ich wieder hereinkomme und mich mit der netten Dame hier um Keylam kümmere", antwortet Elija streng und die andere nickt ihr freundlich zu, bevor die beiden das Zimmer verlassen. Die fremde Frau hält einen kleinen Koffer in ihrer Hand, scheint also eine Ärztin zu sein.

Ich habe Angst. Jetzt war er hier allein mit mir. Ohje. Was sollte ich nur tun?

Er rutscht näher an mich heran und legt seine beiden Hände um meinen Kopf.
„Schließe die Augen", sagt er, doch ich zögere.
„Vertrau mir", versucht er mich davon zu überzeugen. Ich überlege kurz und kann mich schließlich überwinden, ihm ins Gesicht zu sagen:
„Das kann ich nicht. Womöglich kann ich das nie mehr"
Er sieht mich ungläubig an.
„Was?! Wieso nicht?", fragt er und es klingt, als ob er sich mein Misstrauen wirklich nicht erklären konnte. Also muss ich es ihm wohl erklären. Ich seufzte.
„Sieh mich nur an. Das ist deine Schuld. Und zwar nur deine. Nur weil du keine andere Frau hast, die du dafür nutzen kannst, vergreifst du dich an mir. An deiner eigenen Tochter! Nur weil Mutter nicht mehr da ist...", fange ich an zu erklären, doch er unterbricht mich.
„Erwähne sie nicht! Hast du gehört?", schreit er und holt mit der Hand aus, um zuzuschlagen. Ich schließe die Augen. Die Tür öffnet sich und Elija und die Frau kommen herein gestürmt.
„Hör sofort auf. Was tust du da?", ruft Elija.
„Bitte verlassen Sie sofort den Raum",sagt die Frau mit strenger Stimme. Er schnaubt wütend und geht hinaus. Ich sehe sein verärgertes Gesicht und den bösen Blick, den er uns Frauen zuwirft. Langsam schließe ich die Augen und lasse die Frau meine Wunden versorgen.

Als ich die Augen öffne sitzt Elija neben mir und schläft in einem Stuhl, der neben meinem Bett steht. Erschöpft schließe ich die Augen wieder. Mein eigener Vater hatte mich wieder schlagen wollte, obwohl es mir sowieso schon schlecht ging. Und das nur, weil ich meine Mutter erwähnt hatte und dazu hatte ich ein gutes Recht.

Sie war gestorben, als ich sieben Jahre alt gewesen war und seitdem sehnte sich mein Vater nach einer Frau, mit der er tun und lassen konnte was er wollte, um seine Wut über ihren Tod auszulassen. Und je älter ich wurde, desto mehr hatte ich darunter leiden müssen.
Sie war eine so tolle Frau gewesen und hatte mir alles beigebracht, was man als Frau wissen sollte und wissen musste. Und da war rein gar nichts dabei gewesen, was Vater mir nun beibringen wollte. Zu ihrem Tod hatte sie ein hellrosa Kopftuch getragen, welches einen goldenen Rand hatte. Es war mein Lieblingskopftuch und ich trug es bei jeder Gelegenheit. Wenn ich es nicht trug wurde Vater wütend und ließ seine Wut an mir heraus. Wäre Mama noch da, würde er das niemals tun! Ich vermisste sie soo sehr, aber er verstand das einfach nicht. Ich wusste, dass es ihm genauso ging und er das einfach nicht zeigen wollte. Er hatte mir verboten Bilder von ihr aufzuhängen oder auch nur anzusehen. Ich durfte sie nie erwähnen und auch nie etwas über sie fragen. Das einzige, was ich durfte und sollte war, das Kopftuch zu tragen. Ich fand es albern, dass er mir keine Mutter verbot, aber ich wusste, dass er Angst hatte, an sie erinnert zu werden und erneut in einem Tief der Trauer zu versinken. So war es nämlich kurz nach ihrem Tod gewesen. Er hatte keine Sekunde mit mir verbracht, weil ich ihr ähnlich sah und ihn so traurig machte. Ich hatte mich furchtbar gefühlt und hatte ihm nicht einmal helfen können, weil er mich ja nicht sehen wollte. Durch ein paar gute Worte meiner Großmutter und einigen seiner Freunde hatte er sich nach und nach wieder normal verhalten. Wir hatten einen engen Draht, bis er eine neue Frau kennengelernt hatte, die ihn nach kurzer Zeit wieder verließ. Seitdem hasste er alle Frauen und all seinen Hass ließ er an mir aus. Als Mama noch gelebt hatte war er nie so gewesen. Er war der bezauberndste Mann, den ich kannte und alle Frauen beneideten Mama um ihn. Wenn sie jetzt noch hier wäre hätte sie mir sicher helfen können und niemals würde sie das hier zulassen.

Ich seufze erneut und schweife von meinen Gedanken über Mama und Vater wieder zurück in das Zimmer, in dem ich liege. Elija wacht auf und küsst meine Stirn.
„Welch ein Glück. Du bist wach", sagt sie und holt die Frau herein.
„Ich bin Sena. Deine Krankenschwester", begrüßt mich diese. Sie untersucht mich und testet irgendwas. Nachdem sie damit fertig ist sagt sie zögerlich:
„Also Ähm. Dein Vater... er will mit dir reden. Und ich... ich wollte dich fragen, ob das für dich oke ist... ob du bereit bist dafür"
Ich nicke vorsichtig und flüstere:
„Aber bitte bleibt bei mir"
Die beiden lächeln und nicken mir zu. Anschließend öffnet Sena die Tür und er tritt ein. Er stellt sich vor mein Bett und erklärt:
„Es tut mir leid Keylam. Wirklich. Du musst mir das glauben"
Ich sehe ihn nur an und warte, was er noch sagen wollte. Ich weiß, dass es nicht das ist, was er mit mir besprechen wollte. Er fährt fort:
„Ich tue das alles nur, um dich auf etwas wichtiges vorzubereiten"
„Und was bitte? Ich bin dafür verantwortlich", mischt sich Elija ein.
„Auf die Ehe. Das ist das wichtigste Ziel im Leben und man muss darauf vorbereitet sein", erklärt er und ich sehe ihn verwirrt an. Ehe?!
„Sieh mal. Du bist jetzt ein Teenager und es wird Zeit dir einen Ehemann zu organisieren"
„Sie ist 13 Jahre alt! ", protestiert Elija.
Ich sehe die beiden entsetzt an. Ich kann nicht heiraten. Ich bin doch noch ein Kind. Diesen Gedanken spreche ich aus und daraufhin sagt Vater:
„Sieh es mal so. Wenn du verheiratet bist stehen dir alle Türen offen. Und ich helfe dir den richtigen Ehemann zu suchen. Keine Sorge"
Elija schnaubt verächtlich und ich bin auch nicht wirklich überzeugt. Er verlässt den Raum und ich starre einfach nur die Tür an, durch die er gerade gegangen ist. Ehe?

Sein Wunsch ist mir BefehlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt