8. Kapitel

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Es ist dunkel in meinem Zimmer.
Ich hasse Dunkelheit!
Sie erinnert mich an meine Kindheit.

Raich hat seinen angeblichen Freund gestern sofort weggeschickt und mir versprochen, dass das nie wieder vorkommen würde. Daraufhin habe ich ihn gefragt, warum er das dann am Telefon versprochen hatte. Er hatte mich verwirrt angesehen und sich schließlich entschuldigt. Er hatte mit einem früheren Schulfreund telefoniert, als ich ihn belauscht hatte. Die beiden machten scheinbar immer irgendwelche schmutzigen Scherze, ohne sie ernst zu meinen.

Als die Sonne aufgeht stehe ich auf und gehe zu meinem Kleiderschrank. Heute steht die große geschäftliche Reise an. Ich wähle daher ein schlichtes und graues Kleid, sowie mein dunkelrotes Kopftuch, unter dem ich mein Haar verstecke.

Nach dem Frühstück geht es los. Wir werden von einem Chauffeur abgeholt, der uns zum Flughafen bringt. Es ist das erste Mal, dass ich in ein anderes Land fliege. Bevor wir das Flugzeug betreten beten wir zu Vishnu, dass uns auf dem Flug nichts geschieht. Wir fliegen schließlich fast zehn Stunden und da kann, laut Raich, einiges passieren.
Innen sitzen wir in der ersten Klasse und um uns herum sind nur reiche und alte Männer. Ich fühle mich unwohl. Immerhin bin ich hier völlig allein unter all diesen Menschen. Nur Raich ist bei mir und ob ich ihm wirklich vertraue weiß ich noch nicht.

Nach zehn Stunden, in denen ich hauptsächlich geschlafen habe, landen wir endlich und verlassen das Flugzeug. Um uns herum sind viele Menschen, die ganz anders aussehen als wir. Sie eilen umher mit hohen, glänzenden Schuhen, bunter Kleidung und Frauen in Hosen. Erstaunt beobachte ich sie. Raich folgt meinen Blicken und schaut empört zu der Frau.
„Was erlauben die sich nur? Frauen in Hosen? Pah", sagt er herablassend.
Ich antworte nicht, da ich die Frau sehr hübsch finde und sie für ihr Selbstbewusstsein bewundere. Ich hätte mich das nie getraut!
Wir begeben uns Richtung Ausgang und werden von einer schwarzen Limousine abgeholt. Der Fahrer spricht kein Wort, er öffnet mir still die Tür und hilft mir ins Auto hinein.
Wir werden zu einem großen Gebäude gefahren. Ein junger, elegant aussehender Mann nimmt unsere Koffer und bittet uns, ihm zu folgen. Wir werden in ein riesiges Zimmer gebracht. Ein paar Frauen kommen und fangen an, unser Gepäck auszupacken. Ich will ihnen zur Hand gehen, doch Raich weist mich zurück:
„Lass sie nur machen. Das ist ihr Job. Dein Job ist es nur, mich gut aussehen zu lassen, mich zu begleiten, dass die Leute nicht denken, ich wäre unbeweibt"
Ich stutze.
„Und jetzt zieh dich um. Wir werden in einer Stunde erwartet. Oder willst du so gehen?"
Er lacht.
Ich schüttle den Kopf und gehe mit gesenktem Kopf in Richtung meines Koffers.
Dort nehme ich ein violettes seidenes Kleid heraus und suche ein passendes Kopftuch.
Nachdem ich mich umgezogen habe stelle ich mich vor den Spiegel und schmücke mich mit silbernen Ohrringen, Ketten und anderem Schmuck. Vorsichtig ziehe ich mir die Wimpern und Augenlieder nach. Ich betrachte mich eine Weile und lächle in den Spiegel. Wenigstens gibt es eine kleine Angewohnheit, die mir geblieben ist.
Zehn Minuten später sitze ich auf einem Sofa vor dem Fenster und warte auf meinen Ehemann. Er kommt herein, dreht sich vor mir um und fragt mich, wie er aussehe. Ich sage nur „gut", doch ich finde seine Kleidung seltsam. Er trägt schwarze Lederschuhe, ein weißes Hemd, eine schwarze Krawatte sowie einen Zylinder. Das war keine traditionelle Kleidung für unser Land und doch wollte er sich so in der Öffentlichkeit zeigen.
„Sei ehrlich. Was ist los?", fragt er. 
„Nun ja. Es ist nicht typisch indisch", sage ich nur.
Er sieht mich ungläubig an, Holt Welt aus und schlägt mir voll in Gesicht. Ich weiche zurück und halte mich mein schmerzendes Gesicht. Erschrocken sehe ich ihn an und renne ins Bad. Nachdem ich die Tür verschlossen habe, kühle ich meine Wange mit kaltem Wasser. Was sollte das? Warum hatte er das gemacht? Ich sehe in den Spiegel. Na toll. Mein MakeUp war verwischt, doch ich hatte keine Zeit mehr, es neu zu machen.
„Alles gut da drinne?", fragt er von draußen.
Ich gebe keine Antwort.
Schnell wische ich alles mit Wasser ab, öffnender Badtür und rauschd schnell an ihm vorbei.
„Warte", ruft er.
Ich bleibe stehen.
„Zeig dein Gesicht"
Zögernd drehe ich mich zu ihm.
Er betrachtet es ganz genau.
„So können wir das nicht lassen. Was sollen denn die Leute von dir denken?", stellt er fest.
Er ruft eines der Zimmermädchen und trägt ihm auf, meine Wange zu überschminken.
Sie kommt zu mir, sieht mich mitleidig an und beginnt mit ihrer Aufgabe.

Mit einer fünfminütigen Verspätung kommen wir schließlich in einem großen Saal an, in denen viele Menschen auf ihren Plätzen sitzen. Zwei Minuten nachdem wir uns in die erste Reihe gesetzt haben, ertönt ein Gong und ein freundlich lächelnder Mann betritt das Zimmer. Er begrüßt alle und fängt an, etwas von irgendwelchen Geschäften zu erzählen. Ich verstehe kein Wort, lächle aber durchgehend so, wie es mir Raich befohlen hatte.
Nach einer gefühlten Ewigkeit ruft er nacheinander verschiedene Menschen auf und zeichnet sie für irgendetwas aus.
Als er Raich aufruft, bedeutet mir dieser mit vor zu gehen. Ich laufe also so elegant wie möglich nach vorne und bleibe neben Raich stehen. Der Redner lächelt mir freundlich zu und fragt schließlich:
„Na. Wie alt bist du denn?"
„13", antworte ich und lächle zurück.
„Ich habe auch eine Tochter, die so alt ist wie du", sagt er.
„Ist das Ihre einzige Tochter?", fragt er schließlich Raich.
„Sie ist meine Frau", sagt er kalt.
Ich sehe, wie dem Redner das Blut aus dem Gesicht weicht. Er ist kreideblass geworden.
Er versucht mir traurig zuzulächeln und ich lächle zurück.
„Können wir nun mit der Auszeichnung fortfahren?", fragt Raich genervt.
„Natürlich", antwortet der Mann.
„Hier hast du sie"
Er gibt ihm eine goldene Trophäe und verlässt schnell den Raum. Traurig sehe ich ihm nach.

Eine reichliche Stunde später sind wir wieder auf dem Zimmer. Wütend schleudert Raich die Trophäe zu Boden.
„Das ist alles deine Schuld!", brüllt er mich an.
Er reißt die Zimmertür auf.
„Raus mit dir! Na mach schon", schreit er und schnell verlasse ich mit gesenktem Kopf das Zimmer.

Draußen angekommen stelle ich mich orientierungslos vor das Hotel. Wo sollte ich jetzt hin? Was sollte ich ohne meine Sachen tun? Würde er mich wieder rein bitten?

Ich beschließe  zu warten. Also setze ich mich an die Seite der Treppe auf den kalten Boden. Es dämmert bereits und ein kühler Wind weht. Mit meinem Kopftuch schütze ich mein Gesicht.

„Was machst du denn hier?", fragt eine männliche Stimme von der Treppe.

Sein Wunsch ist mir BefehlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt