9. Kapitel

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Ich sehe nach oben zu dem Mann. Es ist der Preisverleiher, der Redner.
Ich zucke die Schultern. Er kommt die Treppe runter und setzt sich neben mich.
„Wie?", fragt er mich.
Ich sehe ihn fragend an.
„Wie kann es sein, dass du mit diesem alten Mann verheiratet bist?", fragt er entsetzt.
Ich sehe ihn traurig an.
„So ist das halt"
„Liebst du ihn?", fragt er flüsternd.
Ich sehe ihn fragend an. Ich kenne keine Liebe, also schüttle ich den Kopf.
„Das dachte ich mir"
Ich nicke stumm.
„Unmöglich, dass sowas heute immer noch passiert", sagt er und ich nicke vorsichtig.
„Und du kannst wirklich gar nichts tun?"
„Leider nicht"
„Ist es denn wenigstens erträglich mit ihm", fragt er und sieht mir tief in die Augen.
Schnell wende ich den Blick von ihm ab und zucke lächelnd die Schultern.
„Er tut dir doch nicht etwa weh oder?"
Ich sehe ihn mit einem Blick an, der alles sagt.
„Ich würde dir gern helfen, ich weiß nur nicht wie", sagt er und kratzt sich am Hinterkopf.
Er steht auf und reicht mir seine Hand. Zögernd nehme ich sie. Plötzlich schreit jemand von der Treppe.
„Was zur Hölle ist hier los?"
Ich sehe erschrocken nach oben und sehe niemand anderen als Raich. Na super.
„Lassen Sie sofort die Finger von meiner Frau oder ich rufe die Polizei", schreit er.
„Das können Sie sehr gerne tun. Denn ich kann Ihnen versprechen, dass die Polizei mir sicher gern helfen wird Keylam von Ihnen zu befreien"
Verwirrt starrt Raich den Redner an.
„Keylam Liebes. Sag ihm, dass du zu mir gehörst"
Ich sehe zwischen den zwei Männern hin und her.
Raich sieht mich böse an, der Redner lieb und fürsorglich.
Wenn ich könnte würde ich mich sofort für den Redner entscheiden, doch sollte ich das tun werde ich sicher nie wieder mit meinem Vater sprechen dürfen.
„Ist schon gut. Ich gehe wieder zu ihm. Machen Sie sich keine Sorgen", sage ich schließlich.
„Bist du sicher, dass du das wirklich willst?", fragt mich der Redner und ich höre tiefe Sorge in seiner Stimme.
„Es geht nicht anders. Danke", antworte ich, gehe an Raich vorbei und sehe nicht zurück. Zufrieden folgt er mir. Der Redner bleibt wie erstarrt draußen stehen.
Als wir wieder auf dem Zimmer sind bricht Raich in ein Gewitter aus Wut und Hass aus. Er schreit mich an und ich stehe einfach nur stumm da und lasse seinen Zorn über mich ergehen.

Nach seinem Wutausbruch sieht er mich unverständlich an und ich sehe beschämt weg. Er schüttelt den Kopf und stürmt aus dem Zimmer. Ich höre den Schlüssel im Schloss und renne sofort zur Tür, doch sie ist abgeschlossen. So ein Dreckskerl.

Als ich schon seit mehr als einer Stunde vor der verschlossenen Tür sitze, kommt mir eine Idee. Ich springe sofort auf und hole das Telefon. Ich wähle die Nummer meines Vaters, auch wenn es mich viel Überwindung kostet.
„Hallo?", erklingt seine tiefe Stimme aus dem Hörer.
„Hallo...äh ich bin's...Keylam"
„Oh schön, dass du anrufst. Wie geht es dir und Raich?"
Ich schlucke. Natürlich sorgt er sich nur um meinen Ehemann.
„Gut. Gut. Es ist alles...super", antworte ich, obwohl ich ihm am liebsten gesagt hätte, wie schrecklich Raich ist, dass ich von hier weg will und dass ich es hasse verheiratet zu sein. Doch ich kenne die Antworten meines Vaters. Es sei ja eine riesige Ehre, einem Mann zu dienen, ihm jeden Wunsch zu erfüllen und dass ich mich glücklich schätzen konnte, dass ich einen so tollen Mann wie Raich abbekommen hatte. Natürlich würde er das sagen. Er war ja mein Vater und er tickte genau wie Raich.
„Keylam? Bist du noch da?", fragt mein Vater mich und reißt mich so aus meinen Gedanken.
„Ja. Ja. Alles gut. Ich... ich muss jetzt auch wieder los. Tschüss Vater", antworte ich und lege schnell auf, damit er die Tränen nicht hört, die sich wieder in meinen Augen sammeln.
Ich sacke auf den Boden und bleibe liegen. Wie sollte ich diesem Alptraum nur jemals entkommen? Ich war ja erst ein paar Tage mit ihm verheiratet und konnte es jetzt schon nicht mehr ertragen.

Am späten Abend, als es bereits dunkel ist, höre ich, wie sich der Schlüssel im Schloss dreht. Schnell wische ich mir die letzten Tränen weg und richte mein Kopftuch. Die Tür öffnet sich und ich höre Raich, wie er sich mit einem anderen unterhält. Schnell stürme ich in die Küche und mache ein Tablett für die Willkommenszeremonie bereit, zu der ich als Ehefrau verpflichtet bin. Er tritt ein, sieht mich und wendet den Blick ab. Er führt seinen Begleiter, den ich nicht kenne ,in ein anderes Zimmer. Ich stelle das Tablett ab und setze mich auf den Boden.
Als Ehefrau hatte ich versagt.
Ich konnte ihm keine Kinder schenken, was er mir wohl übel nahm.
Und.
Mein Vater würde enttäuscht von mir sein.
Schlimmer konnte es ja nicht werden, also suche ich verzweifelt nach einem Ausweg.
Mein Blick fällt auf die Tür. Sie war zwar geschlossen, doch der Zimmerschlüssel liegt auf dem Couchtisch. Sollte ich....
Nein, das konnte ich nicht tun. Ich würde meine Ehe verlieren, von Vater verstoßen werden und allein auf der Straße enden.
Und was, wenn ich den Redner...
Nein! Ich wollte ihn nicht belästigen.
Meine Überlegung wird von einem wütenden Schrei unterbrochen. Erschrocken sehe ich auf. Schnelle Schritte sind auf dem Flur zu hören, gefolgt von Raichs Geschrei.
„Keylam! Komm sofort her. Hast du allen Ernstes...", schreit er.
Schnell springe ich auf, schnappe mir den Schlüssel und die Kette meiner Mutter, die daneben liegt. Ich hechte zur Tür, reiße sie auf und schließe sie von außen zu. Mit dem Schlüssel fest in meiner Hand, renne ich über den Hotelflur. Bloß raus hier!
Ein Gepäckjunge sieht mir irritiert nach, doch ich habe keine Zeit dafür.
Ich renne die Treppe runter, an der Hotelrezeption vorbei und stürze fast die Treppe runter.
Wohin?
Ich schaue mich panisch um. Ich höre jemanden an die Scheiben klopfen und drehe mich um. Oben in einem kleinen Fenster des Hotels trommelt Raichs Begleiter wütend an die Scheibe. Er dreht sich um und ruft jemandem etwas zu. Raich erscheint im Fenster, starrt mich fies an und hebt seine Faust. Er ruft etwas, dass wohl ein Schimpfwort sein soll. Ich wende mich ab.
Egal wo ich hinlaufen werde, er wird es von dort oben sehen und mich ,sobald er aus dem Zimmer raus ist, verfolgen, suchen und bestrafen. Also entschließe ich mich um das Hotel herum zu laufen und auf der anderen Seite, wo er mich nicht sehen kann einen Weg zu finden.
Es musste einfach eine Möglichkeit geben!

Als ich an der Rückseite des Hotels angekommen bin, erlaube ich mir eine kurze Verschnaufpause. Ich schaue in alle Richtungen, nur um sicherzugehen, dass mir niemand gefolgt ist. Ich halte inne und lausche in die Stille. Plötzlich vernehme ich ein paar Männer reden. Die Stimmen kommen näher. Sie rufen sich laut etwas zu, doch ich verstehe es nicht. Wer ist das?
Ich drehe mich panisch im Kreis und laufe durch eine schmale, dunkle Gasse hindurch. Schnell schaue ich hinter mich.
Raich wird mich hassen! Er war nur wegen mir so wütend! In meiner Wut, dass er mich eingesperrt hat, habe ich sämtliche Dokumente von ihm verwüstet und darin nach einem Hinweis gesucht, der mich aus diesem Zimmer oder von ihm befreien könnte. Die Suche war hoffnungslos gewesen.
Ich sprinte weiter durch die Gasse. In knapp hundert Metern wurde es heller, ich konnte eine Art Marktplatz erkennen.
Gleich geschafft!
Hinter mir ist niemand zu sehen, stelle ich etwas erleichtert fest, während ich einen letzten Blick nach hinten wage.
Auf einmal muss ich abrupt stehen bleiben. Ich bin gegen jemanden gelaufen. Wie peinlich. Aber egal. Schnell will ich mich an ihm vorbeidrängen, doch er hält mich fest.
Verdammt!
Das war's wohl. Ich will schon aufgeben, als ich zögernd einen Blick auf ihn wage. Er hat braunes, verwuscheltes Haar, wunderschöne Augen und lächelt mich freundlich, aber verwirrt an.
„Was war das denn?", fragt er lachend und seine warme Stimme reißt mich kurz aus meiner Angst.
„Ich...es tut mir leid. Ich muss schnell... da sind Männer... sie...sie wollen mich fangen... glaube ich", stottere ich und versuche mich an ihm vorbeizuschieben und weiter zu rennen, doch er hält mich fest.
„Was? Wieso das denn?", fragt er und späht an mir vorbei in die dunkle hasse, die hinter mir liegt.
„Bleib einfach ruhig", sagt er und hält mich noch immer zurück.
Mein Atem entspannt sich und ich bemühe mich ruhig zu sein. In der Gasse ist es still. Das einzige Geräusch kommt vom Marktplatz.
„Ich bringe dich am besten mal zu einem Freund von mir. Er kennt sich mit solchen Situationen aus. In Ordnung?", fragt er und sieht mir tief in die Augen.
In mir schreit alles, ihm nicht zu vertrauen, aber so wie er mich ansieht....
So liebevoll und freundlich.
Vorsichtig nicke ich.
Es wird schon nichts passieren, denke ich, um meine innere Stimme zu beruhigen.

Er führt mich über den Marktplatz. Meine Hand lässt er nicht einmal los, sondern hält sie in seiner großen und warmen Hand die ganze Zeit fest. Ich beruhige mich und versuche mich auf die Umgebung zu konzentrieren. Benahm sich hier jemand seltsam? Doch der Markt ist friedlich. Kleine Leute erledigen ihre Einkäufe. Ein paar Frauen stehen am Ufer und werden Blumen hinein. Ich lächele. Das hatte ich früher auch getan.
Wir biegen in eine Gasse ein. Schließlich bleibt er vor einer Tür stehen. Sie ist dunkelgrün gestrichen und Blumen wachsen wild aus dem Blumenkasten, der daneben am Fenster hängt.
„Bereit?", fragt mich der geheimnisvolle Mann. Ich weiß es nicht. Was erwartet mich denn? Will ich ihn fragen, doch ich nicke nur ganz zärtlich.
„Na dann", sagt er und öffnet schwungvoll die Tür.
Hinter der Tür befindet sich eine Art kleiner Empfangsraum. Und direkt gegenüber von der Tür steht ein Schreibtisch. Von dort lächelt mich ein bekanntes Gesicht an. Hektisch trete ich zurück. Das...das konnte nicht sein. Wie...
„Hallo Keylam. So sieht man sich wieder. Trotz nur ein", sagt er und zeigt auf den Stuhl gegenüber von ihm. Ich sehe zwischen ihr und dem Mann, der mich hergebracht hat, hin und her.
Das...war nicht möglich.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 05, 2023 ⏰

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