24 - [Wasser]

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Etwas weiter weg von der Polizeistation, parkte meine Mutter ihr Auto. Von weitem allein, machte mir dieses kleine Gebäude mit unerfahrenen Officers Angst.

Ich konnte nicht mehr atmen. Jeder Atemzug war schmerzhaft. Alles tat weh. Doch nicht wegen der Polizei, sondern wegen Quinn.

Alles war in meinem Kopf. Physikalisch gesehen ging mir blendend, doch mental gesehen, hätte es mir nie schlechter gehen können.

Mir war nicht bewusst gewesen, dass man Schmerzen auf so vielen Ebenen empfinden konnte. Das Quinn das auf so vielen Ebenen durchleben musste.

Aufgeregt löste ich den Gurt.
,,Mom, was tust du?" Meine Stimme war nur ein Schatten ihrer selbst gewesen. Rau und verängstigt.
,,Ich schnall mich ab" Schnaufte sie verteidigend.

Verkrampft lehnte ich mich vor.
,,Bitte bleib im Auto" Völlig verdutzt sah sie mich an.
,,Aber..." Wollte sie Veto einlegen, doch wurde von selbst schon still. Ich trug diesen verzweifelten Ausdruck auf den Lippen, der sagen wollte, dass ich das allein machen musste.

Widerwillig blieb sie sitzen.
,,Danke" Wisperte ich zu ihr.

Ich stand völlig neben mir. Mit jedem Schritten in den Wald, wollte ich mich noch stärker übergeben.

Der Mond stand so hoch im Himmel, dass alles einen Schatten über mich schmiss. Es war beängstigend.

Die knisternen Blätter und Äste auf dem Boden, ließen mich ich wieder aufschrecken.

Die Bäume lichteten sich langsam. Auch das plätschern des Wassers, konnte ich nun wahrnehmen.

Wie versteinert blieb ich stehen. Genau wie damals, saß Quinn auf dem Steg.

,,Quinn?" Keine Reaktion. Genau wie damals. Vorsichtig Schritt ich zu ihr. Immer schneller hob und sank meine Brust wieder.

Der hölzerne Steg knarrte und half den plätschernen Wasser, die Stille auszufüllen.

Ich ließ mich zu ihr nieder. Jetzt reagierte sie.
,,Du hast mich gefunden" Ihre Stimme brach, sie war heiser.

Auch damals war ihr Gesicht verdeckt gewesen. Wie ein Schleier, hing ihr Haar herab.

Unruhig atmete ich ein und aus. Ich traute nicht nicht, meinen Blick zu senken. Ich hatte Angst, was mich erwarten würde. Und ich hatte recht.

Langsam hatte sie sich von der Mitte ihres Armes zu ihren Pulsadern vorgearbeitet. Jeder Schnitt war tiefer gewesen, als der zuvor.

Die Wunden waren so frisch gewesen, dass das Blut teilweise noch immer in strömen ihren Arm herunter lief und in das blaue Wasser mündete, welches sich rot verfärbte.

Ich wusste nicht, was ich tun sollte.
,,Quinn..." Flüsterte ich schamvoll ihren Namen, als sei es mir verwert gewesen, ihn zu sagen.

Sie schwieg und starrte weiterhin ins Wasser herab.
,,Ich möchte mich entschuldigen" Ich hätte schwören können, dass für einen kurzen Moment, sie zusammenzuckte

Sie wollte aufsehen, doch konnte einfach nicht.
,,Du hattest recht" Begann ich dieses einseitige Gespräch.
,,Du brauchst mich nicht. Weder um dir deine Gefühle zu erklären, noch um dich zu retten" Sie Zwang sich immer weiter, ihren Blick gesenkt zu halten.

,,Das bin ich leider. Eine besserwisserische, selbstsüchtige und egoistische Person. Ich habe dich nicht ernst genommen. Ich dachte, dass solche Gefühle-" Alles drehte sich nur um mich, auch bei meiner Entschuldigung.

,,Quinn, du bist einzigartig. Du bist unglaublich intelligent, dabei bist du über Monate hinweg, nie zur Schule gekommen. Du bist stark. Du hast Schmerzen ausgehalten, die sich kaum einer ausmalen könnte" Langsam gleitete meine Hand runter zu ihrer. Ich nahm sie nicht, ich schloss einfach meinen kleinen Finger um ihren.

,,Möchtest du es so enden lassen?" Schluchzte ich etwas.
,,Du verdienst es, glücklich zu sein" Schlagartig sah sie mich an.

Sie war am weinen. Ihr Augen strotzten nur so vor röte. Quinns Lippen zitterten auf und ab.

Ihr Anblick war schmerzhaft. Wie sehr wollte ich sie in die Arme nehmen, doch wusste ich nicht, ob sie mich gelassen hätte.

,,Warum wolltest du mich sehen?" Wisperte sie zerbrechlich.
,,Weil du mir wichtig bist"
,,Lüge!" Sie klang nicht wütend, nur verletzt.

Und sie hatte recht, es war gelogen. Über jedes noch so kleine Wort, welches durch meinen Kopf schwirrte, fragte ich mich, ob dies das richtige war, um meine Gefühle zu beschreiben. Es gab kein Gedanke, kein Wort, kein Satz, mit dem ich mich hätte richtig ausdrücken können. Aber sie verdiente eine Antwort.

,,Ja, eine Lüge" Wiederholte ich.
,,Ich konnte deine Gefühle einfach nicht akzeptieren, ohne meine eigenen zuzulassen. Ich habe noch nie so etwas gefühlt. Es hat mir einfach Angst gemacht" Beschämt sah ich weg.

,,Bleib hier, bei mir" Flehte ich.
,,Nein" Sprach sie panisch.
,,Nein" Wiederholte sie Kopfschüttelnd.
,,Nein!" Schrie sie unter Tränen.

,,Was muss ich tun, damit du lebst?" Schrie Ich verzweifelt zurück. Meine Hände hatten ihre Arme ergreifen, mit welche sie fast um sich schlug. Mit Druck fasste ich auf ihr offene Wunde drauf.

,,Glaubst du im allem ernst, dass du das hier richten kannst?" Spöttisch lachte sie mich schon fast aus.
,,Du machst es doch nur schlimmer!"

Mein Griff wurde immer lockerer, bis sie schlussendlich meine Hände wegschulg.

,,Du bist genau wie meine Eltern" Sie lachte, doch nicht über mich, sondern über sich selbst.
,,Du versuchst mich zu kontrollieren"
,,Nein, dass tu ich nicht" Schüttelte ich mein Kopf verteidigend.

Das plötzlich Knarren des Stegs ließ uns verängstigt aufschreckte. Reflexartig drehte ich mich um.
,,Miss Thompson?" Hörte ich Quinn flüstern.

Eliza und mein Vater standen vor uns. Meine Mutter stand etwas weiter abseits. Sie wisperte etwas ins Telefon.

,,Quinn" Sprach Eliza in der selben Tonlage wie meine Mutter, wann immer ich als Kind Angst hatte.
,,Du fühlst dich gerade allein und verloren. Als wenn es keinen Ausweg mehr gibt, nicht wahr?" Sie kam immer weiter auf uns zu.

Hätte Quinn zurück weichen können, dann hätte sie es wohl getan, stattdessen krallte sich ihr Fingernägel in das Holz.

Beschämt nickte sie zu Elizas Frage.
,,Das ist in Ordnung. Du bist ein Kind, dass etwas traumatisches durchmacht. Niemand verlangt von dir, dass du so etwas allein überstehst" Überlegt setzte sie eine Pause. Eliza hatte Quinns völlige Aufmerksamkeit.

,,Es tut mir leid, dass ich als deine Klassenlehrerin versagt habe. Ich weiss nicht, was du durchgemacht hast, doch als deine Lehrerin hätte ich ein Auge auf dich werfen sollen"

Quinn brach ins schluchzen aus. Sie zog ihre Nägel aus dem Steg und krallte sie in Elizas Haut ein.
,,Es wird alles wieder gut, versprochen" Flüsterte sie so leise, so beruhigend, dass nicht einmal mehr ich mich vor morgen fürchtete.

It's Okay - I'm There For You Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt