chapter 18 • malia

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M A L I A

Für einen kurzen Moment stehe ich einfach nur an Ort und Stelle und versuche schwer, einen Anfang zu finden.

Anstatt etwas zu sagen, gehe ich vorsichtig auf Grayson zu. Dieser mustert mich. Ich weiß, dass ich ihm einige Erklärungen schuldig bin und doch weiß ich nicht, ob ich bereit bin, ihm die ganze Wahrheit zu sagen. Doch er gibt mir das Gefühl, ihm vertrauen zu können.

Ich lasse mich langsam ins Gras neben ihn gleiten und lehne meinen Kopf gegen seine Schulter. Er weist mich nicht zurück und ich bin froh darüber, für einem kurzen Moment durchatmen zu können. Seine Nähe fühlt sich gut an. Besser, als ich es mir jemals eingestehen würde.

Wir sitzen einfach nur dort und beobachten schweigend das Wasser, dass sich durch den Wind in kleinen Wellen bewegt. Der Himmel färbt sich in der Zwischenzeit von Orange zu Lila. Langsam wird es dunkel und mein Herz schlägt nicht mehr so schnell vor Aufregung. Ich denke, ich bin bereit. Zumindest zu 50%.

»Es gibt einige Dinge, die du nicht über mich weißt«, beginne ich ruhig zu erzählen, noch immer unsicher, wie viel Grayson überhaupt erfahren soll, wie viel ich erzählen kann, bevor ich in Tränen ausbreche.

Grayson schaut mir tief in die Augen. »Sag es mir nur, wenn du es auch wirklich willst, Malia. Du sollst nichts bereuen.«

»Ich bereue schon genug«, murmele ich. »Unter anderem, dass ich dich sitzen lassen hab, dass ich einfach so abgehauen und dir seitdem aus dem Weg gegangen bin.«

Grayson versucht sein Leid zu überspielen, doch seine Augen verraten ihn. In ihnen liegt noch mehr Trauer als sonst. Er kann sich vor mir genauso wenig verstecken, wie ich mich vor ihm. »Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass es mich nicht verletzt hat«, gibt er zu.

Aha. Auch dem Bad Boy kann mal das Herz gebrochen werden und wenn er keins besitzt, dann eben sein Ego.

»Und das tut mir so unfassbar leid«, flüstere ich und spiele nervös mit meinen Fingern. Jetzt ist der perfekte Zeitpunkt, um über meinen eigenen Schatten zu springen. Ich hebe meinen Kopf und blicke direkt in Graysons makelloses Gesicht. Am liebsten würde ich mich verstecken, doch es gibt kein zurück mehr. »Bevor du herkamst, gab es einen anderen Jungen in meinem Leben.«

Ich warte ab, bis Grayson etwas sagt, doch er schweigt. Also fahre ich fort: »Nolan war mein bester Freund. Höflich, lustig und immer bereit, anderen unter die Arme zu greifen, wenn sie Hilfe brauchten.« Schwach lächelnd schaue ich in dem Himmel und erinnere mich daran, wie Nolan eben war: einfach perfekt. Das war immer das Bild, was ich von ihm hatte und das, was er vorgab zu sein. Nur leider ist nicht immer alles so, wie scheint. »Er hat sich letztes Jahr das Leben genommen.«

Eine Träne kullert mir über die Wange und im nächsten Moment spüre ich, wie Grayson seine starken Arme um mich schließt. In meinem Herzen spüre ich den vertrauten Stich, der immer auftaucht, wenn Nolan wieder Präsenz in meinem Kopf einnimmt. Noch nie habe ich es laut ausgesprochen. Nichtmal dem Therapeuten konnte ich mich wirklich öffnen. Wie Nolan starb, wollte ich mir nie eingestehen. Ich konnte es nicht glauben, leugnete es. Doch jetzt fühlte es sich wie eine Befreiung an, es endlich jemandem anzuvertrauen. Es war ein Geheimnis, dass nur meine Mutter, Nolans Eltern und ich mit mir herumtrugen. Alle anderen gehen noch immer davon aus, dass er an einer schweren Lungenentzündung starb. Er selber wollte es so, schrieb es mit seinen eigenen Worten in die Briefe. Die Briefe..

»Das ist verdammt schrecklich.« Grayson streichelt mir nun beruhigend über den Rücken, während ich meine Tränen kaum noch zurückhalten kann: »Ich war in ihn verliebt und er in mich. Er sagte mir, er könne nicht mit mir zusammen sein und ich fragte mich ständig, wieso zur Hölle er es nicht konnte.« Ich mache eine kurze Pause, um mich zu beruhigen, doch trotzdem pocht mein Herz unaufhörlich. »Er konnte es nicht, weil er zu diesem Zeitpunkt schon seinen Tod plante.«

Damit wollte er mich beschützen. Leider funktionierte sein Plan nicht, denn ich stürzte fast genauso tief wie er, in ein dunkles Loch, aus dem es fast keinen Ausweg gab. Es er schwer, den richtigen Ausweg zu wählen.

»Als du mir im Park gesagt hast, dass du mich magst, hat mich die Vergangenheit eingeholt«, sage ich schließlich ehrlich und hoffe, dass Grayson mir verzeiht.

»Es tut mir so leid für dich, Malia. Ich hatte keine Ahnung...« Seine Stimme ist gefüllt mit Mitgefühl und mein Herz mit dem für Grayson. Er hat es nicht verdient, dass ich weiter unehrlich zu ihm bin.

»Mach dir keinen Kopf, Grayson. Ich bin froh, dass du es jetzt weißt.« Zudem bin ich erleichtert, dass ich nicht komplett die Kontrolle verloren, keine Panikattacke wie bei Theo bekommen habe. Ich bin stolz auf mich und lächle Grayson an, der mich sofort wieder in seine Arme zieht. Der Moment könnte für immer bleiben.

»Und ich hatte schon Angst, dass du weggelaufen bist, weil ich stinke oder so.«

»Wenn dann hätte ich es wegen deiner albernen Lederjacke getan.«

»Sag nichts gegen mein bestes Stück!«, verteidigt Grayson seine Jacke und verschränkt die Arme.

»Ich dachte, das befindet sich bei Männern in der Hose.«

»Männer wie ich, haben ihre Qualitäten nicht nur dort, sondern auch woanders.« Mit einem Zwinkern von Grayson fallen wir gemeinsam in Gelächter ein. Manchmal spinnt Grayson ein wenig und ist sehr von sich selbst überzeugt, aber so mag ich ihn eben. Mal wieder hat er es geschafft, mich im wenigen Minuten aufzumuntern.

A/N: Nach gefühlten 10 Jahren wieder ein Kapitel, falls überhaupt noch wer das hier liest haha.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 23, 2023 ⏰

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𝐃𝐄𝐄𝐏𝐄𝐒𝐓 𝐒𝐎𝐔𝐋𝐒Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt