𝗰𝗵𝗮𝗽𝘁𝗲𝗿 𝗼𝗻𝗲 • 𝗴𝗿𝗮𝘆𝘀𝗼𝗻

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G R A Y S O N

Wie bringt man Leuten am einfachsten bei, dass man nichts mit ihnen zutun haben will?

Ich dachte bis jetzt immer, dass man es an meinem Augenrollen von selber merkt, aber Fehlanzeige.

Das Mädchen vor mir, welches Violet heißt, plappert ununterbrochen auf mich ein und erzählt mir von der ach so spannenden Schulgeschichte. Desinteressiert kaue ich auf meinem Kaugummi und mustere sie langsam, um dabei ihr Gerede auszublenden.

Violet sieht nicht schlecht aus, das gebe ich zu. Sie hat einen olivfarbenen Hautton und trägt einen schwarzen Kurzhaarschnitt. Aber ihre riesengroßen Ohrringe sind etwas übertrieben. Ihre katzengleichen Augen hat sie mit dunklem Kajal betont.

»Und das unglaublichste ist-« , redet sie weiter, doch ich unterbreche sie mit einem Handzeichen. »Interessiert mich nicht«, sage ich und wippe mit meinen Füßen aus Langeweile immer wieder vor und zurück.

Sie senkt enttäuscht den Blick und wirkt plötzlich eingeschüchtert von meiner Präsenz.

Dann dreht sie ihren Kopf zu mir und zwängt sich ein Lächeln auf: »Wenn du nichts nettes zu sagen hast, dann halte lieber deinen Mund.«

»Na wenigstens kommt aus meinem was sinnvolles«, gebe ich augenrollend zurück. Violet und ihre blöde Motivation können mich mal.

Violet erwidert nichts auf meine Antwort und wirft ihre Haare schwungvoll nach hinten. Anscheinend ist sie beleidigt, doch versucht es zu überspielen.

Wir gehen von einem Bild, dass den Schuldirektor zeigt, weiter zu einem nächsten, welches weiter hinten im Gang liegt. Zwischenzeitlich betrachte ich die bunten Spinde.

Oh Gott, hier ist alles viel zu farbenfroh. Bin ich etwa in einer Schule für Hippies gelandet?

»Guck nicht so misstrauisch«, kommentiert Violet, die meine komischen Blicke bemerkt haben muss. »Nur weil hier alles nicht so schwarz wie deine Seele ist, muss das noch lange nichts Schlechtes heißen.«

Angewidert wende ich meinen Blick von ihr. Sie gehörte anscheinend zu den grausam positiven Menschen, die versuchen die Menschen aus ihren dunklen Löchern zu zerren. Darauf kann ich gut verzichten.

Positiv ist nicht so mein Ding. Farbenfroh auch nicht. Das erkennt man schon an meiner komplett schwarzen Kleidung und dem durchgehend grimmigen Gesichtsausdruck.

»Hör mal«, sage ich zu Violet. »Ich weiß jetzt wie das hier alles läuft und so und dein Scheiß langweilt mich total. Warum kann ich nicht einfach gehen?«

»Niemand zwingt dich zu bleiben.« Sie zuckt mit den Schultern. »Aber an deiner Stelle würde ich mir mal ein bisschen mehr Mühe geben. Die Schule ist eine große Chance für dich, also nutze sie auch.«

»Hab ich nicht nötig.« Ich hatte genug von der Konversation mit Violet. Sie hatte zu viel Geduld mit mir. Andere Menschen wären an ihrer Stelle schon komplett durchgedreht.

Mit einem letzten Augenrollen drehe ich mich um und verlasse, ohne mich zu verabschieden, das Schulgebäude. Ab jetzt heißt es wieder Ruhe. Kein Mensch der mich nerven kann in Sicht.

Draußen ist es unheimlich heiß. Schließlich sind noch Sommerferien hier in Arizona und das Thermometer zeigt circa siebenunddreißig Grad. An diesem Tag habe ich mir echt schöneres vorgestellt als schon vor Schulbeginn den ersten Geschmack von Verpflichtungen zu bekommen.

Wenn ich etwas hasse, dann das mir jemand oder etwas meine Freiheit wegnahm. Und genau das tut die Schule, aber natürlich will das keiner verstehen.

Ich setze mich auf einen Stein, der von der Sonne ziemlich warm ist, doch durch meine lange Hose spüre ich es nicht all zu sehr.
Meine Lederjacke lege ich mir lässig über die Schulter.

Ja, auch im Sommer brauche ich meine Lederjacke. Sie ist schließlich nur dazu da, um cool auszusehen und mir mein Selbstbewusstsein etwas zu stärken. Nicht, dass es mir daran mangelt.

Nach mehreren Minuten oder auch Stunden höre ich aus der Ferne das Hupen eines Geländewagens. Ich halte eine Hand vor mein Gesicht, damit die Sonne mich nicht blendet und schaue genauer hin.

Auch das noch. Tristan sitzt lässig am Steuer und lehnt entspannt im Sitz.

»Komm schon Alter, steig ein«, brüllt er mir entgegen und hupt noch ein paar weitere Male. Ich ignoriere ihn. Wenn er denkt, dass ich überhaupt jemals wieder ein Wort mit ihm wechseln werde, hat er sich gewaltig geschnitten.

Tristan drückt auf das Gaspedal und wendet auf der Straße. Plötzlich fährt er mit seinem Wagen über den Sand, geradewegs auf mich zu. Mir rutscht vor Schreck fast das Herz in die Hose.

Ich versuche mir nichts anmerken zulassen und gehe so gelassen wie möglich in die Richtung, in der ich mein Haus vermute. Beziehungsweise den Wohnwagen von meinem Dad, meinem Bruder und mir. Wir waren uns bei dem Standort noch nicht ganz einig.

Tristan hupt jetzt fast ununterbrochen. Zum Glück sind die Häuser hier alle gut schallisoliert.

»Grayson«, brummt seine Stimme hinter mir und verursacht ein unangenehmes Piepen in meinem Ohr. Mit starrem Blick nach vorne, gehe ich desinteressiert weiter.

»Sei nicht so ein Spielverderber«, versucht Tristan es weiter und fährt mit dem Wagen nun genau neben mir her. Dafür, dass er so gut wie gar nicht Auto fahren kann und auch keinen Führerschein besitzt, tut er sich ganz gut.

Langsam verliert Tristan die Geduld. »Grayson! Ich rede mit dir. Du kannst ruhig sagen, wenn du ein Problem mit mir hast.«

»Nicht nur eins«, antworte ich genervt und spucke mein durchgekautes Kaugummi in den Sand. Ich habe das Gefühl, dass mein ganzer Körper nur noch aus Schweiß besteht.

Mein Dad ist schon immer der Meinung, dass ich meine Schweißdrüsen nur noch mehr fördere, indem ich ausschließlich schwarze Kleidung trage. Dazu auch noch lange Hosen. Das Schwarz absorbiert das Sonnenlicht zu stark und saugt somit mehr Hitze auf.

»Mag ja sein, dass du mich nicht sonderlich ausstehen kannst Alter, aber ich bin hier hergekommen um dich abzuholen, weil Dad es so will. Steig jetzt ein.«

»Fick dich, Tristan!«, zische ich. Auf keinen Fall hat Dad ihn geschickt. Das würde er mir nicht zumuten. Er kann mich mal.

Nachdem mein Bruder keine Anstalten macht wieder umzukehren, balle ich meine Hände zu Fäusten. »Wenn du jetzt nicht sofort gehst..«

»Dann was? Dann schlägst du mich?« Tristan lacht. »Da macht mir ja selbst deine schlechte Laune mehr Angst.«

Ich weiß, dass er es liebt mich zu provozieren und ebenso gerne provoziere ich zurück. Aber heute habe ich dafür keine Energie mehr.

Wütend funkele ich Tristan an und bleibe stehen, damit er anhält. Als der Wagen steht, mache ich mir nicht einmal die Mühe die Tür zu öffnen, sondern klettere einfach durch das offene Fenster.

»Du hast aber schnell aufgegeben«, bemerkt Tristan und lacht amüsiert. »Muss ganz schön an deinem Ego kratzen. Bekommt dir Arizonas Hitze etwa nicht so gut?«

Er macht sich über mich lustig. Noch so eine Sache, die ich hasse. Am liebsten würde ich mich wehren, aber gerade weiß ich nicht wie. Das heißt, außer Gewalt habe ich gerade keine Lösung im Kopf.

Sobald ich mich verkrampft in den Sitz fallen lasse, strömt die kalte Luft der Klimaanlage in mein Gesicht und trocknet meinen Schweiß.

Jetzt muss ich nur noch die Fahrt mit meinem führerscheinlosem Bruder überstehen.

𝐃𝐄𝐄𝐏𝐄𝐒𝐓 𝐒𝐎𝐔𝐋𝐒Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt