Epilog
Schicksal. Manche Dinge sind womöglich wirklich Schicksal, auch wenn ich bisher nicht behauptet hätte, dass ich an sowas glaubte. Vorsehung war etwas, das andere gerne benutzten, wenn sie nicht genug Energie besaßen, um etwas selbst in die Hand zu nehmen, wenn sie ihr Leben dahinplätschern ließen und einfach warteten, was dann kommen würde.
Kam etwas – war es Schicksal. Kam nichts... na, dann wohl auch.
War es also Schicksal, dass ich an diesem Morgen meinen Anzug von der Reinigung holte und im Umschlag mit der Rechnung eine Autogramkarte in Postkartenformat steckte, die ich wohl in der Innenseite meines Jacketts vergessen hatte?
Nein, es war Vergesslichkeit.
Für einen Moment drehte ich die Karte in den Fingern, war drauf und dran sie wegzuwerfen, als mich die Frau an der Kasse ablenkte, weswegen ich sie wieder einsteckte. Auch jetzt ergaben sich noch keinen schicksalhaft verstellten Weichen, denn die Karte war ja nun Mal nicht mehr als eine Karte eben, ein Bild, eine Erinnerung – wenn auch eine sehr schöne.
Dann war es womöglich Schicksal, dass ich, während ich in meinem Lieblingscafé saß und zu meinem Kaffee ein Herrenmagazin durchblätterte, das jemand liegengelassen hatte, auf fast exakt dasselbe Foto stieß und überrascht innehielt? Zu dem Foto gehörte außerdem ein zweiseitiger Artikel und ich ertappte mich dabei, wie ich selbst die süße Beigabe zu meinem Kaffee vergaß, während ich las. Am Ende klappte ich das Magazin rasch zu und schob es weg – war ja nicht meins. Ich trank meinen Kaffee, beobachtete die Menschen, die an mir vorbeiliefen und schlug mich mit den Bildern in meinem Kopf herum.
Mit cremefarbener Seide auf weicher Haut.
Jetzt wäre ich trotz aller Tagträumereien noch nicht so weit gegangen, den Artikel als schicksalhaft zu deuten, oder dass ich mich ausgerechnet an den Platz gesetzt hatte, wo dieses Magazin liegengeblieben war.
Nein, wenn es ein Schicksal gab, dann schlug es zu, als ich gerade im Begriff war, den Kellner zu rufen, um mir entgegen meiner sonstigen Gewohnheit, noch einen Kaffee zu ordern. Ich wollte noch ein wenig sitzenbleiben, vielleicht noch ein bisschen tagträumen und hob eben die Hand, als ein Mann auf die Terrasse trat, der sofort meine ganze Aufmerksamkeit an sich riss.
Und wohl nicht nur meine.
Schwarze Hosen und ein wollweißer Kaschmirpulli, der über seine schmale Gestalt floss. Eine verspiegelte Sonnenbrille und... sonnenblondes Haar. Das war einfach nicht möglich. Er konnte doch gar nicht hier sein, sollte in Paris, New York, Tokio sein – egal wo – nur nicht hier. Aber er war es und es war weder Schicksal noch Zufall, wie sich wenig später herausstellte. Zunächst aber konnte ich nur sprachlos verfolgen, wie er meinen Tisch ansteuerte, das Lächeln dabei immer breiter wurde, bevor er neben mir stehenblieb, die Sonnenbrille abnahm und mich anblinzelte.
„Hi, ist hier noch ein Platz frei?"
Benommen nickte ich, sah zu, wie Jimin sich setzte und elegant die Beine übereinanderschlug. Mein Gott, er sah aus wie hingegossen, mein Mund wurde ganz trocken.
Mit einem Fingerzeig orderte er Kaffee, doch erst als die Tasse vor ihm stand, fand ich meine Sprache wieder.
„Was für ein Zufall. Was machst du hier?", brachte ich gerade so heraus und lächelte vage, weil ich mir dumm vorkam. Jimin schmunzelte ebenfalls und schob sich jetzt die Sonnenbrille in die Haare.
„Also wenn du das für Zufall hältst, hast du meine Intention nicht wirklich verstanden", sagte er und nippte von seinem Kaffee.
Welche Intention denn? Und woher sollte er denn wissen, wo er mich finden konnte, wenn es kein Zufall war?
„Ich dachte", meinte Jimin leichthin, „ich gehe all in und schaue was passiert."
„All in", wiederholte ich leidlich verwirrt und schüttelte den Kopf. „Und wie hast du mich gefunden?"
Das Grinsen wurde noch breiter und er lehnte sich entspannt zurück, offenbar hatte er nur auf diese Frage gewartet.
„Also nach Seoul dachte ich, Schande, ich hätte wirklich gerne deine Telefonnummer gehabt, also habe ich meine Agentur kontaktiert und nachgefragt wer für diesen Abend zuständig war, der wiederum konnte mir sagen, wen er eingeladen hatte – deinen Arbeitskollegen – damit wusste ich deinen Namen und deine Firma. Deine Sekretärin – übrigens wahnsinnig nett und hilfsbereit – war bei meinem letzten Anruf bereits völlig verzagt, weil sie mich jedes Mal vertrösten musste, weil du nicht in der Firma warst. Wozu hast du eigentlich ein Büro, wenn du ständig unterwegs bist, hm? Aber diese Woche solltest du da sein, sagte sie – und dein Arbeitskollege war so nett, mir zu verraten, dass du deine Arbeitswoche gerne in diesem Café beginnst... Tja, es ist Montag, es ist 9 Uhr, Bürozeit und hier bin ich."
Er breitete die Arme aus, aber ich konnte ihn nur sprachlos anstarren. Als ich nichts sagte, beugte sich Jimin vor und wurde wieder ernst.
„Ich nehme mein Schicksal gerne selbst in die Hand", sagte er leise und hielt meinen Blick gefangen. „Und ich hätte wirklich gerne deine Handynummer."
Das war zu viel – eindeutig – und so konnte ich auch nur den Kopf schütteln, bevor ich tatsächlich auflachte.
„Gib mir dein Telefon", sagte ich und tippte meine Nummer in sein Handy, das er mir reichte. Als ich es ihm zurückgab, lächelte Jimin. Mein Herz hüpfte aufgeregt. Er war genauso schön wie damals auf der Bühne und das ganz ohne jedes Make Up.
„Wenn du heute Abend Zeit hast, könnten wir Essengehen."
Ja, das konnten wir, ich nickte und wieder trafen sich unsere Blicke. Jetzt lachten wir beide leise auf und Jimin wandte sich sekundenlang ab.
„Das ist verrückt", flüsterte er, aber das Funkeln in seinen Augen blieb und zündete kleine warme Flämmchen in meinem Inneren.
* FIN *
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One Night Stand
Fanfiction[BTS- AU] Yoongi ist eingefleischter Single und sieht überhaupt keine Veranlassung, daran etwas zu ändern. Seine letzte, richtige Beziehung ist ewig her und die Erinnerung daran schürt auch keine Sehnsüchte, nach einer neuen. Seine Bedürfnisse nach...