Die Tür knarzte, als Ms Griffiths diese sachte öffnete und mit einer frischen Kanne Tee in das Kaminzimmer eintrat. Das Feuer prasselte lustig vor sich hin und wärmte das kühle Zimmer etwas auf. Mycroft Holmes studierte konzentriert die Zeitung in seinen Händen, während er mit übereinander geschlagenen Beinen in seinem roten samt Sessel saß. Er war den ganzen Tag recht ruhig gewesen, als hätte er ein Geheimnis vor mir. Ms Griffiths füllte mein Teeglas und setzte die Kanne auf dem Beistelltisch ab. Ich lächelte die junge Frau dankend an, bevor sie sich aus dem Raum entfernte. Mit einem dumpfen Schlag klappte ich mein Buch zu und richtete mich seufzend auf. Mycroft machte keine Anstalten, den Blick von seiner Informationsquelle abzuwenden. Er ignorierte mich und hoffte ich würde es nicht bemerken, aber das tat ich. „Mycroft.", zerbrach ich die Stille sanft. Angesprochener senkte seine Zeitung ein Stück und sah mich über den Rand abwartend an. „Möchtest du mir nicht etwas sagen?" Er runzelte kurz die Stirn. „Ich wüsste nicht was.", antwortete er knapp und richtete die Zeitung wieder nach oben. Ich verdrehte die Augen und ließ mich niedergeschlagen in meinen Sitz fallen. Er würde es mir nicht sagen und ich hatte keine Lust, mit ihm zu streiten, aber es machte mich doch sauer. „Wieso fahren wir morgen wirklich zu deiner Mutter?", versuchte ich also anders an meine Antworten zukommen. Er seufzte genervt und schloss schlussendlich seine Zeitung, um sich ganz mir zu widmen. Während er Luft holte und nach den richtigen Worten suchte, verschränkte er die Finger ineinander und beugte sich leicht nach vorne. Er konnte mir erzählen was er wollte, nur die Antwort, dass seine Schwester Geburtstag hatte, wollte ich nicht hören. Mycroft hatte sie nie besucht, warum sollte er es jetzt plötzlich tun. „Ich habe ein paar Dinge mit ihr zu besprechen.", gab er zu. Ich zog eine Augenbraue hoch: „Dinge in Bezug auf was?" Seine Antwort war mir zu ungenau und ich war der Meinung zu erfahren, was er vorhatte. Entnervt sah er auf den Boden, schien kurz nochmal genau zu überlegen, was er mir sagen wollte und was nicht. „In Bezug auf meine Schwester Enola, mein Haus und ihre Zukunft.", legte er seine Karten offen aus und ließ mich perplex verstummen. Mit seiner Offenheit hatte ich an diesem Abend nicht mehr gerechnet.
Es war kein Geheimnis, dass seine Mutter und er ein schwieriges Verhältnis zueinander hatten, auch wenn er es so nie beschreiben würde. Ich wollte dieses Gespräch nicht unnötig verkomplizieren und erhob mich von meinem Sessel. Mycroft folgte meiner Bewegung, mit seinem Blick. „Ich werde zu Bett gehen.", erklärte ich mich und legte mein Buch zu meinem, unnötiger und ärgerlicher Weise vollem, Glas Tee. Mein Mann lehnte sich in den Sessel zurück, schlug seine Zeitung wieder auf und richtete an mich ein: „Ich werde in einer halben Stunde nachkommen."∞
Die Sonne war kaum aufgegangen, als wir uns am Bahnhof eingefunden hatten und auf unserem Zug warteten. Die Menschen tummelten über den Bahnsteig und suchten ihre Verwandten oder den richtigen Wagon. Für diese frühe Zeit war viel Tumult um uns herum. Mycroft sah ungeduldig auf seine Taschenuhr, allerdings nicht wegen unseres Zuges. Sondern wegen einer Person, die mal wieder auf sich warten ließ. Und das war niemand geringeres als Sherlock Holmes, sein Bruder. „Wo bleibt er nur? Waren meine Worte nicht klar und deutlich, Elizabeth?", richtete er sein Blick zu mir. Etwas überrumpelt von seiner Frage zögerte ich kurz. „Ja Mycroft, das waren sie!", antwortete ich ihm knapp. Er seufzte und sah sich wieder um. Die Unpünktlichkeit seines Bruders schien ihm sehr zuzusetzen. Die Last auf seiner Schulter wiegte schwer und mir missfiel es, dass ich nicht mehr für ihn tun konnte, als für ihn da zu sein. „Er wird schon rechtzeitig hier sein. Der Zug ist auch noch nicht eingetroffen.", lächelte ich warm und sah zu ihm hoch. Mycroft schenkte mir ein kurzes Lächeln, bevor seine Sorgenfalten zurückkamen. Doch in diesem Moment sah ich hinter ihm einen jungen Mann auf uns zukommen. Mit schnellen Schritten, die schon fast hastig über den Boden flitzten, kam Sherlock mit seinem Koffer auf uns zugeeilt. Mein Ehemann verfolgte meinen Blick und drehte sich um. Seine Miene erleichterte sich allerdings nicht, sondern war genauso streng wie vorher. „Es tut mir leid, mir ist etwas dazwischen gekommen Mycroft.", stieß der jüngere zu uns. „Nun Bruder, der Zug lässt auch noch auf sich warten.", nahm er seine Entschuldigung an. „Einen wunderschönen guten Morgen, Elizabeth.", richtete sich Sherlock an mich und schenkte mir ein warmes Lächeln. Ich erwiderte sein Blick: „Dir auch, Sherlock." Es waren gut drei Wochen vergangen, seitdem wir uns das letzte Mal begegnet waren. Ich vermisste ihn ab und zu, versuchte den Kontakt so gut es ging zu halten, aber er war immer unterwegs und hatte oft nur wenig Zeit für einen Plausch.
Kaum war Sherlock am Bahnsteig angekommen, fingen die Schienen an zu quietschen. In der Ferne konnte man das Tupfen der Dampflok vernehmen, die immer lauter wurde und damit auch immer näherkam. Mycroft atmete erleichtert aus, „Na endlich!", sprach er, seine Geduld schien an einem dürren Faden zu hängen. Ich richtete meinen Kopf zu der Seite, aus der die Bahn kommen musste und erspähte die Schnauze der Lok. „Wir haben reservierte Plätze.", erwähnte Mycroft, während unser Zug in den Bahnhof einfuhr. Ein Luftstoß wehte über den Steig, während die Lok quietschend immer langsamer wurde und schlussendlich zum Stehen kam. Mycroft nahm unsere Koffer vom Steig und ging voraus zu unserem Wagen. Die Stufen zur Tür waren beschwerlich zu benutzen. Das lag eindeutig am Kleidungsstil, den man uns als modisch und angesagt verkaufte. Mein Mann hielt mir seine Hand entgegen und half mir einzusteigen. Endlich in unserem Abteil angekommen, verstauten die zwei unser Gepäck und ließen sich nieder. Mycroft und Sherlock schlugen die Beine übereinander und schüttelten ihre Zeitung auf. Ich verdrehte belustigt die Augen, sie waren sich in mancher Hinsicht sehr ähnlich.
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Elizabeth Cavanaugh - The Wife Of Mycroft Holmes
FanfictionElizabeth Holmes, geborene Cavanaugh, war sich noch nie ganz einig, ob selbsterverwirklichung im Bezug auf die Gesellschaft extrem ausgeübt werden sollte, oder ob man ab und zu auch bestimmte Regeln akzeptieren musste. Ihr Mann hingegen, Mycroft Hol...