Das Zweite, oder wie ich meiner Kontrahentin erneut begegnete!

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Die Kartoffelsuppe sah mich herausfordernd an. Wenn es ein Essen gab, dass ich über alle Maßen nicht runterbekam, dann war es Suppe. Aber meine Gouvernante hatte stets darauf geachtet, dass ich auch das Essen runterbekam, dass mir nicht sonderlich schmeckte. Ich war mir nie ganz sicher, ob dies der richtige Weg sei. Schließlich belog ich dadurch strenggenommen meine Gastgeber und ich hatte nie die Möglichkeit, vielleicht doch irgendwann eine Speise auf den Tisch zu bekommen, die ich auch wirklich aß. Mycroft war da natürlich anderer Meinung. Es ziemte sich nicht, das Essen abzulehnen, wenn man eingeladen wurde. Aus diesem einfach gestrickten Grund, war es mir auch verwehrt, das Essen ausfallen zu lassen. Vielleicht würde das am heutigen Tage anders aussehen, aber ich wollte nicht noch mehr mit den Nerven meines Mannes spielen, der sich die Fahrt nach Hause von Grund auf anders vorgestellte hatte. Nun wurde er jede Minute vor ein neues Problem gestellt.
Enola saß am Tisch und löffelte ihre Suppe wortwörtlich wie ein Bauer. Ihr Rücken war weder Gerade noch machte sie Anstalten nicht zu schlürfen. Geräusche während des Essens nahm ich als absolut störend wahr. Zwar schien es Enola zu schmecken, aber mir war damit der Appetit auf die Kartoffelsuppe vergangen. Ich seufzte lautlos und räusperte mich kurz, bevor Mycroft die Möglichkeit in Betracht zog, zu reagieren. Eine ruhige Hand hielt ich für angemessener, als seine direkte Art. „Enola?" Sie schaute auf. „Ich möchte dir unter keinen Umständen deine Suppe verderben. Aber ich würde es vorziehen, wenn wir unser Essen still zu uns nehmen.", machte ich sie auf ihre Gewohnheit aufmerksam. Ihr Blick wurde wunderlich, dann schien ihr kurz ein Licht aufzugehen. Aber dennoch beobachtet sie die Situation mit Skepsis. Es war diese Stille, in der sie wieder überlegte, welche Frage sie nun zuerst stellen sollte. Am besten war allerdings gar keine Frage zu stellen. Hier ging es nicht um ihre Meinung und es gab auch keinen Grund für eine Debatte über das richtige Essverhalten. Doch ich wusste, und da kannte ich die Holmes Kinder zu sehr, dass sie es nicht lassen konnten Widerworte zu geben, sobald man sie kritisierte. Doch im Gegensatz zu ihren Geschwistern, neigte Elona durch ihre Unerfahrenheit dazu, mit einer gewissen Unverfrorenheit auf solche Aussagen zu antworten. Sobald das passieren sollte, war ich mir sicher, dass Mycroft der Kragen platzen würde. Auch die Schlürfgeräusche, hatte er nur widerwillig ertragen. Was mich in der Tat sehr überrascht hatte. „Wieso genau sollte man sein Essen verkrampft zu sich nehmen, als würde es einem nicht schmecken?", kam die Rückfrage, die ich erahnt hatte. Nur, dass ich nicht verkrampfte um keinen Mucks von mir zugeben, sondern um die Suppe herunterzuschlucken. Mein Mann grummelte schon und wollte soeben antworten, da kam ihm glücklicherweise Holly dazwischen. „Wegen des Anstands, Enola. Du willst, dass du respektiert wirst, dann respektiere die Angewohnheiten der anderen Leute in der Gesellschaft." Enola beließ es überraschenderweise dabei und versuchte weniger zu schlürfen, was ihr definitiv schwer fiel und sie es nur tat, damit wir nicht weiter auf dieser Kleinigkeit rumhackten. Im Nachhinein fühlte ich mich nicht mehr so wohl. Am Ende hatte Enola vielleicht sogar recht. Was nichts daran änderte, dass ich froh war nicht die strenge Stimme meines Mannes am Mittagstisch zuhören.

Mycroft stand vor dem Anwesen und hatte seine linke Hand in die Seite gestemmt, während die Rechte an seinem Kinn verweilte. Er grübelte über den Zustand des Anwesens, das war nicht zu übersehen. Ich kam langsam auf ihn zugelaufen und stellte mich neben ihn. „Eine Schande.", sagte er, als ich die Steinmauern nach oben sah. Es sah wirklich heruntergekommen aus. Der Efeu und Wein hatten enorme Ausmaße angenommen und sich in die Mauer gefressen. Das konnte so unter keinen Umständen bleiben. „Werden wir jemanden vom Fach brauchen?", erkundigte ich mich bei ihm. Ich drehte ihm den Kopf zu und sah ihn an. Er verzog müde das Gesicht und seufzte: „Nicht nur einen, Liz. Aber darum kümmere ich mich, wenn das vorrangige Problem verschwunden ist." Mit diesen Worten hielt er mir seinen Arm entgegen, in welchen ich mich sogleich einharkte. Aber ein wirklicher Spaziergang sollte es wohl nicht werden, eher eine Runde um das Anwesen, damit er sich ein genaueres Bild über die Kosten machen konnte. "Ich habe Miss Harrison gleich nach dem Mittag ein Telegramm entsandt. Mit dieser Unverfrorenheit, die sie an den Tag legt. Aber mit Miss Harrisons Hilfe ebnen wir ihr den Weg in die Gesellschaft." Er sprach selbstverständlich über Enola. Die ihn von der ersten Begegnung an heute Morgen, bis zum Mittag mit den Kopf schütteln ließ. Wir liefen um die erste Ecke. Die Mauer dort sah nicht besser aus, als der Rest des Hauses. Er spielte bestimmt schon mit dem Gedanken, das Haus zu verkaufen. „Miss Harrisons Mädchen Pensionat also?" „Jemand anders wird mit diesem Wildfang wohl kaum fertig werden.", erklärte er sich knapp. Ich zog es vor, daraufhin zu schweigen. Auch, wenn es mich ärgerte, dass er ausgerechnet Miss Harrison dazu ziehen wollte.

Elizabeth Cavanaugh - The Wife Of Mycroft HolmesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt