Madness, Love and Football - Qatar 2022

Frustration und Nervosität

11.11.2022 | Borussia-Park | Mönchengladbach, Deutschland

Enttäuscht riss Jude sich die regenbogenfarbene Kapitänsbinde, welche er gegen Ende des Spiels von Mats übernommen hatte, vom Arm. „Fuck", ließ er seiner aufgestauten Wut freien Lauf. „Chill, bro", hörte er Gio sagen, während dieser ihm sanft eine Hand auf die Schulter legte. Augenblicklich zuckte Jude zusammen und drehte sich zögernd um. Kaum sah er in Gios Augen, nahm die Niederlage von eben wesentlich weniger Platz in seinen Gedanken ein. Der Ältere wusste, dass Jude oft empfindlich auf Niederlagen reagierte, doch genauso gut wusste er, wie man ihn in solchen Situationen beruhigte. 

Jude hatte vermutlich etwas zu lange in Gios Augen gesehen. Unsicher wandte er seinen Blick ab und hörte Nicos Stimme von gestern in seinen Ohren. „You like Gio, don't you", hatte er gefragt und Jude hatte ihm eine ehrliche Antwort gegeben. Er mochte Gio, er mochte ihn wirklich, ziemlich sicher mochte er ihn mehr als nur freundschaftlich, doch mit Gio darüber reden konnte er einfach nicht. Er wollte ihre Freundschaft nicht riskieren, denn nur mit ihm befreundet sein war noch wesentlich besser, als ihn wegen seiner dämlichen Gefühle ganz zu verlieren.

„You alright?" Gio sah seinen Gegenüber verwirrt an. Jude nickte lediglich und seufzte leise. Sein Blick scannte die Kabine nach einem gewissen deutschen Innenverteidiger. Ebendieser schien ihn ebenfalls angesehen zu haben, denn mit einem Mal trafen sich ihre Blicke. Nico lächelte etwas, sah für einen Moment zu Gio und anschließend wieder zu Jude. Letzterer schüttelte einfach nur den Kopf und fing anschließend an, seine Schuhe von den Füßen zu ziehen, während er sich auf seinen Platz fallen ließ.

Die 4:2-Niederlage von eben hatte Jude beinahe vergessen, denn im Moment war es Gio allein, der in seinen Gedanken umherspukte. Dieser wusste davon jedoch nichts, sondern saß ahnungslos neben Jude in der Kabine.

Einen einzigen kurzen Blick wagte Jude erneut in Gios Richtung. Dass dieser gerade damit beschäftigt war, sein Shirt zu wechseln, beschleunigte den Herzschlag des jungen Engländers nur noch weiter. Sein Atem ging schneller und etwas Hitze schoss ihm ins Gesicht. Selbstverständlich hatte er Gio schon öfter in solchen Situationen gesehen, doch in diesem Moment schien dessen Wirkung auf ihn um einiges stärker zu sein.

„Hey, what's wrong, bro", kam es dann plötzlich von ebendiesem. Gio kniete vor ihm auf dem Boden und sah ihn ernst an, schien Judes Reaktionen völlig falsch zu deuten. „Is this some kind of anxiety attack or what's happening?" Der Amerikaner war sichtlich besorgt um seinen Mannschaftskollegen. Ohne Umschweife griff er nach dessen Händen und wies ihn an, tief durchzuatmen. Jude hingegen verneinte die Frage von eben und entriss dem Älteren seine Hände. Warum machte dieser ihn bloß so verdammt nervös?

Er versuchte, seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu richten, doch das war leichter gesagt als getan. Gios Augen zogen ihn erneut in eine Art Bann. Dessen Hände lagen mittlerweile auf Judes Oberschenkeln, was die Situation nicht verbesserte. „Gio, stop it", meinte Jude ernst, als Gio auf einmal begann, sanft seine Beine auf und ab zu streichen. Für ihn war das vermutlich nur eine einfache Beruhigungsmethode ohne Hintergedanken, doch Jude empfand das nicht nur als solches.

„I said stop it, for fuck's sake", rief Jude dann etwas lauter als ursprünglich geplant. Hektisch sprang er auf und machte einige Schritte von Gio weg. Selbst als dieser erneut auf ihn zukam, stolperte er immer weiter nach hinten. Gio war sichtlich verwirrt. Er verstand Judes Verhalten in letzter Zeit nicht. Sicher, ob ihm das nicht zu nahe ging, war er sich nicht, doch er konnte sich nicht mehr wirklich zurückhalten, als er fragte: „Why the fuck have you been acting so weird around me lately?"