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19. Dezember

Sehr geehrte Madame Corneau,

die Königin beauftragte mich Ihnen zu schreiben und zu fragen, ob Sie bereit wären, die Torte für die Krönung des Prinzen von England, ebenso wie die Torte für das royale Weihnachtsfest in St. George's Castle zu backen.

Eure königliche Majestät hatte Sie als erste Wahl und besteht darauf die beste Patissière zu engagieren.

Die Königin hat zuvor bereits Kuchen und Torten Ihrer Patisserie »Lunarée« probiert und war mehr als begeistert.

Eure königliche Majestät würde sich über eine Zusage stets freuen und hofft Sie zum zwanzigsten Dezember im Schloss erwarten zu können.


Der Brief ging an meine Großmutter, Lydia. Kein Wunder, denn sie wurde schon zweimal zur besten Konditorin der Welt der Les Grandes tables du Monde und viermal zur besten Patissière Frankreichs ausgezeichnet. Doch auch, wenn sie damals auf Kreuzfahrten, in den Vereinigten Staaten oder in sämtlichen Nobelrestaurants der Welt gebacken, und Menschen aller Nationen mit ihren kleinen, süßen Kreationen ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hat, wagt sie heute mit ihren fast zweiundachtzig Jahren kaum mehr einen Schritt aus ihrer eigenen Konditorei an der Champs-Élysee in Paris.

Die Konditorei, in der ich nun schon seit einigen Jahren regiere.

Während sie nur noch gelegentlich den Löffel in der Hand und die Schürze um Bauch hat - meistens, wenn hoher Besuch kommt oder sie meditationsbedingt in alte Verhaltensweisen zurückfällt - dann bin ich hier und sorge dafür, dass der Laden noch immer so läuft, wie er damals lief, als Großvater ihn uns überlassen hat.

Großvater war einer der renommiertesten Konditoren Europas, doch ihn hat das Zeitliche gesegnet, als seine Karriere auf dem Höhepunkt war.

Im Gegensatz zu meinen Großeltern bin ich noch ganz unten auf der Karriereleiter.

Bis jetzt wurde ich einmal ausgezeichnet zum besten Patissier Westfrankreichs, doch war es bei einer Konkurrenz wie dieser auch nicht schwer, den ersten Platz zu belegen.

Demnach bin ich nicht enttäuscht darüber gewesen, dass die Königsfamilie lieber meine Großmutter statt mich anforderte. Vermutlich kennen sie nicht einmal meinen Namen.

Gestatten Sie mir eine kleine Rückblende zu dem Zeitpunkt, als meine Großmutter es erfuhr...

Das Bimmeln der schrillen Ladenglocken lässt mich vom Blech der Macarons aufsehen und ich schaue direkt in die blauen Augen meiner Großmutter.

»Was versuchst du da?«, fragt sie.

Sie lässt ihren Blick über die pinken Macaron-Unterhälften schweifen, von denen ich gerade mal ein Viertel mit einer weißen Creme bestrichen habe, und gerade dabei gewesen bin, auch auf die restlichen Hälften die Füllung aufzutragen.

»Ich fülle das Repertoire wieder auf.«

»Die Kasse musst du damit aber auch auffüllen können.«

»Ja, Oma, ist klar.«

Sie setzt sich auf einen der freien Stühle, stellt ihre Handtasche auf den kleinen Tisch daneben und schüttelt nur fassungslos den Kopf.

»Oma, es ist ein Brief von der Königsfamilie Englands gekommen. Die Königin wünscht, dich als Bäckerin für die Torte des Prinzen.«

Oma seufzt. »Ich bin zu alt für sowas, Louis. Ich habe seit Ewigkeiten keine Torte mehr gebacken.«

»Aber die Königin besteht darauf.«

My Christmas Prince [l.s.] ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt