04

283 27 4
                                    

Der Sonnenuntergang bricht langsam an. Mein Zimmer wird in ein sattes Orange getränkt, was die goldenen Verzierungen nur noch mehr glitzern lässt. Im Schneidersitz sitze ich auf meinem Bett und lese alle Rezepte ein weiteres Mal durch.

Inzwischen ist meine Auswahl schon wieder ein wenig kleiner geworden und ich weiß auch, was ich morgen zur Probe backen werde. Die Zutaten sollten alle im Haus sein, habe ich vorhin kontrolliert.

Die Stille hier tut ganz gut, doch diese so schöne Ruhe wird unterbrochen, als ich dumpfe Geräusche von draußen wahrnehme, die sich anhören, als würde irgendjemand mit einer Axt Holz hacken oder so.

Als die Geräusche immer nervtötender werden, lege ich die Rezepte beiseite und gehe zum Fenster.

Mein Herz macht einen Hüpfer, als ich den Prinzen unten im Garten sehe, wie er mit Pfeil und Bogen auf eine entferntere Zielscheibe zielt.

Jetzt kann er auch noch Bogenschießen. Und er sieht so heiß aus, wie er immer wieder ins Schwarze trifft.

Einen Moment erwäge ich, ob ich klopfen sollte, doch dann kommt mir eine bessere Idee und ich werfe mir Jacke und Beanie über, bevor ich mich aus dem Schloss schleiche und mich in die Kälte stürze. Die Schneeflocken fallen inzwischen nicht mehr in solchen Maßen wie gestern herunter.

Etwas nervös und unsicher, ob ich das Richtige tue, gehe ich auf den Prinzen zu. Irgendwie hat er meine Neugierde geweckt, ihn besser kennenzulernen.

»Eure königliche Hoheit kann also auch Bogenschießen.«

Der Prinz senkt seinen Bogen und dreht sich zu mir um. »Hi«, sagt er mit einem sanften Lächeln.

»Hey.«

Er nimmt einen weiteren Pfeil aus der Tasche und spannt ihn in den Bogen, zielt direkt auf die Scheibe.

»Mein Vater hat es mir beigebracht, als ich ein kleiner Junge war«, er schießt den Pfeil ab und trifft genau ins Schwarze, »das ist nur eines der Dinge, die er mich gelehrt hat.«

Ich lächle ihn an, merke dann aber, dass er mich gar nicht sehen kann, weil er ja mit dem Rücken zu mir steht.

»Musst du nicht irgendwo backen?«

»Ich bin froh, wenn ich mal keine Töpfe und Rezepte sehe.«

Er lacht gedämpft und dreht sich zu mir um. Dann hält er mir Pfeil und Bogen hin. »Willst du auch mal?«

Ich hebe die Brauen. »Oh, nein, ich kann das nicht.«

»Irgendwann ist immer das erste Mal.«

Willig nehme ich den Bogen und den Pfeil entgegen und stelle mich seitlich neben ihn und lege Pfeil und Bogen, vermeintlich richtig, an.

»Darf ich?«, fragt er plötzlich, sehr dicht hinter mir und legt seine Hände an meine Arme.

Ich nicke, bringe kein Wort heraus und ich merke, wie sich mein Atem verschnellert, als er plötzlich beginnt meine Finger zu bewegen.

Eine Gänsehaut macht sich auf meinem ganzen Körper breit und ich könnte schwören seinen Atem in meinem Nacken zu spüren.

»Genauso«, sagt er und ich kann nicht anders als zu ihm hochzusehen.

Was ich nicht bedacht habe war, dass ich auch den Pfeil dementsprechend nach oben richte. Aber, als ich ihm in die Augen sehe, verliere ich mich in ihnen wieder so sehr, dass ich kaum bemerke, wie ich den Pfeil aus Versehen losschieße.

Nur das Klirren eines zerbrochenen Fensterglases holt mich auf den Boden der Tatsachen zurück.

»Oh oh...«

Auch der Prinz schaut hoch zu dem Fenster, durch welches gerade der Pfeil geflogen ist, und lacht: »Guter Schuss.«

»Danke. Das wird Ärger geben.«

Die Stille wird von einem schrillen Aufschrei von Madame Johnson unterbrochen.

Der Prinz und ich sehen einander an, denken wohl dasselbe, denn er sagt: »Ich glaube wir sollten abhauen.«

»Ja, das sollten wir«, erwidere ich murmelnd.

Und so, bepackt mit Pfeil und Bogen, laufen wir lachend durch den Schnee zurück in Richtung Schloss, wo wir uns durch die Gänge schleichen, um ja nicht erwischt zu werden, bevor sich unsere Wege trennen und jeder in sein eigenes Zimmer geht.


A/N: Schönen 2. Advent!

My Christmas Prince [l.s.] ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt