Der Kuss

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Die nächsten Tage ging mir Levi aus dem Weg.
Während des Trainings konnten wir nicht miteinander sprechen und er kam nur kurz in sein Büro, um ein paar Zettel zu holen und um dann wieder zu verschwinden. Ich vermutete, dass er bei Erwin war, um dort zu arbeiten, was mir einen Stich versetzte.

Ich wollte mit ihm reden. Fragen, ob er auch etwas gespürt hatte und was er denkt, was das gewesen sein konnte. Doch er gab mir nicht die Chance dazu.

Ich saß auf seinem Bürostuhl und kritzelte auf einem Blatt Papier rum, als er plötzlich klopfte.

„Wer ist da?", fragte ich und ich brauchte mich dieses Mal nicht zu verstellen, denn meine Laune war so im Keller, dass ich genauso schlechte Laune hatte, wie sonst Levi.

„Hier ist Petra."

„Was willst du?", sie kam täglich vorbei, um irgendwelche Papiere unterschrieben zu bekommen.

„Ihre Unterschrift."
Ihre Stimme klang fröhlich, was meine Stimmung noch weiter in den Keller brachte. Ich nahm mir einen Alibi Zettel, damit es so aussah, als würde ich an irgendetwas arbeiten.

„Komm herein.", sagte ich knapp und die Tür wurde geöffnet und geschlossen, ohne dass ich aufsah. Ich konnte ihre gute Laune im Moment einfach nicht ertragen. Sie hatte mir nie irgendwas getan, weswegen ich nicht über sie urteilen konnte, doch ich hatte auch nie wirklich ein Gespräch mit ihr geführt.

Das Einzige, was ich gegen sie hatte war, dass sie scheinbar viel Zeit mit Levi verbrachte. Immer wenn sie da war, wollte sie etwas Smalltalk führen, was ich sofort unterband.

Sie legte mir die Papiere auf den Tisch und ich nahm sie, um sie mir durchzulesen. Sie brauchte eine Unterschrift, um Gelder für das Pferdezubehör zu bekommen.

Ich nahm mir einen Stift und unterschrieb. Levi wäre definitiv nicht zufrieden mit der Unterschrift, doch Petra war es auch bei den letzten drei Unterschriften nicht aufgefallen.

„Außerdem bringe ich Ihnen noch Ihre Post, Hauptgefreiter.", sagte sie höflich und auch diese legte sie mir auf den Schreibtisch.

„Sonst noch was?", fragte ich und es tat mir beinah leid, wie forsch ich mit ihr umging.

„Ich wollte mich bei Ihnen entschuldigen.", flüsterte sie leise. Ich sah das erste Mal zu ihr hoch, doch sie sah verlegen auf ihre gefalteten Hände.

„Wofür?", fragte ich ein wenig irritiert.

„Naja...", sie wurde etwas rot und ich spürte, wie Übelkeit in mir hochkam. Ich wusste nicht, ob ich wirklich hören wollte, wofür sich Petra entschuldigen wollte, doch ich hatte keine Wahl, denn sie sprach einfach weiter:
„Bei der letzten Mission. Ich habe sie überrumpelt und seit einigen Tagen sind Sie so komisch zu mir. Ich kann verstehen, dass Sie kein Interesse an so etwas haben und ich weiß auch wirklich nicht, was in mich gefahren ist, dass ich Sie einfach geküsst habe.

Ich fand Sie schon immer bewundernswert."

Ich wollte, dass sie aufhört zu sprechen, doch ich fühlte mich wie versteinert. Ich starrte sie einfach an, während sie immer noch runter sah und wie ein Wasserfall erzählte.

„Ich hatte das Gefühl, dass es der richtige Zeitpunkt wäre. Ich habe mir schon so häufig vorgestellt, wie es wäre und es hatte meine Erwartungen übertroffen.

Doch ich verstehe, wenn Sie nicht dasselbe empfinden. Es wäre vermutlich auch sehr unprofessionell. Sie haben einen höheren Rang als ich.

Also. Verzeihen Sie bitte, dass ich sie überfallen und geküsst habe."
Sie verbeugte sich vor mir, doch ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Mein Kopf war voller Bilder, wie Levi und Petra sich küssten.


„Geh.", hauchte ich leise und ich sah zwar, wie Petra erschrocken den Kopf hob und mich ansah, doch ich starrte nur auf den Tisch.

„N-natürlich.", flüsterte sie und auch, wenn ich hörte, dass ihre Stimme zitterte, doch es drang nicht in mein Bewusstsein.

Petra hatte Levi geküsst. Vielleicht hätte ich auch fragen soll, ob es jemanden gab, auf den er stand, dann wäre mir vielleicht dieser Schock und diese unangenehme Situation erspart geblieben.

Ich legte meine Hände auf meine Stirn und wartete auf den emotionalen Ausbruch, doch er musste noch warten, denn die Tür wurde wieder aufgerissen und ich wollte gerade schon meine gesamte Wut an Petra auslassen, als ich sah, dass es Levi war.

„Runter von meinem Stuhl.", maulte er mich gleich an, doch ich ignorierte ihn. Ich spürte ein Stechen in meiner Brust und ich hatte das Gefühl, es würde mich umbringen.

„Du hast Post.", hauchte ich leise. Ich sah aus dem Fenster, doch ich erkannte nichts. Ich starrte vor mich hin, während die Sätze von Petra sich in meinen Kopf immer und immer wieder wiederholten.
„Petra hat sie vorbeigebracht."

„Aha.", machte er knapp und nahm die Briefe vom Tisch. Ich sah nur im Augenwinkel, wie er die grob durchging.

„Sie hat sich entschuldigt.", flüsterte ich und ich spürte, wie sich die Tränen in meinen Augen sammelten.

„Aha.", sagte er wieder und er schien auf weitere Informationen zu warten, doch als die von mir ausblieben, fragte er nach:
„Wofür?"

Es war das erste Mal, dass ich ihn wieder in die Augen sah. Er wirkte für einen Augenblick irritiert, doch ich ignorierte, dass mir die Tränen über die Wange liefen.

„Für den Kuss.", hauchte ich und ich hörte, wie meine Stimme zitterte.
Levi sah einen Moment geschockt drein und schien nicht zu wissen, was er sagen sollte, also sprach ich einfach weiter:

„Der Kuss hat ihre Erwartungen übertroffen und sie mag dich."
Ich überging die Tatsache, dass ich den Hauptgefreiten duzte. Er sah immer noch entsetzt zu mir und schwieg.

„Allerdings meinte sie, dass es ziemlich unprofessionell wäre, da du ihr Vorgesetzter bist. Zur Bestätigung habe ich sie nach der Entschuldigung hinausgeschickt oder hätte ich ihr in die Arme fallen sollen?"

„Nein.", meldete er sich endlich zu Wort.

„Gut.", meinte ich knapp und stand auf. Ich ging zum Fenster und versuchte mir unauffällig die Tränen von der Wange zu wischen. Ich merkte, wie Levi etwas sagen wollte, doch ich wollte es nicht hören.
„Dann kannst du jetzt gehen. Raus.", befahl ich ihm.

„Es ist mein-"

„RAUS!"
Einen Moment war es still, ehe ich Schritte hörte. Ich wartete, bis ich sicher war und Levi das Büro verlassen hatte.

Wieder überkam mich das Stechen in meiner Brust. Ich krallte meine Hand in das Hemd und ich hatte das Gefühl, als würde ich keine Luft mehr bekommen.
Es tat höllisch weh.


Ich biss die Zähne zusammen, doch der Schmerz ließ einfach nicht nach. Ich wusste nicht, was es war, doch es machte mir Angst...


Under your Skin //Pausiert//Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt