Kapitel 6

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P.O.V. Amy


Seit der Fahrt nach Dublin war ein halbes Jahr vergangen. Ein halbes Jahr, indem ich versucht hatte meine Gedanken an Niall zu verdrängen - mehr oder weniger hatte das auch geklappt. Ein halbes Jahr, indem ich mein Abitur gemacht hatte. Es war Ende Mai und ich hatte mich an einigen Universitäten beworben, um dort Musik zu studieren. Doch erst einmal lag ein Sommer vor mir, von dem jeder Mensch träumt. Sonne, Urlaub, keine Schule. Nur ich freute mich nicht so richtig. Ich bekam Niall einfach nicht aus meinen Gedanken. Immer wieder tauchten auf einmal, ganz plötzlich Szenen aus Dublin in meinem Kopf auf. Das waren Momente, in denen ich mich hätte Ohrfeigen können, dass ich nicht mit Niall gesprochen hatte. 

Ich saß auf der Terrasse und hatte meine Nase in ein Buch gesteckt. Die Sonnenstrahlen kitzelten meine Stirn. Ich hörte, wie hinter mir die Tür geöffnet wurde und meine Mutter hinaustrat. "Sophie steht vor der Haustür. Sie meinte du würdest nicht aufmachen." erschrocken fuhr ich hoch. Das hatte ich ganz vergessen. Sophie und ich wollten uns heute treffen, um gemeinsam in die Stadt zu gehen. "Mist!" Ich warf mein Buch auf die Liege und rannte nach oben in mein Zimmer. Verzweifelt suchte ich meine Handtasche und Portmonee, um dann wieder nach unten zu rennen. Meine Mutter warf mir ein bösen Blick zu, weil ich die Treppe herunter gerannt war. Doch das war mir jetzt egal. Sophie stand im Flur und warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu. 

"Sorry, ich habe die Zeit beim Lesen total vergessen." "Hab ich mir schon fast gedacht. Aber deine Mutter war so nett mir die Tür aufzuschließen." Wir mussten beide lachen und machten uns dann auf den Weg in die Stadt. 

Doch wir kamen nicht weit, denn bereits an der vierten Ecke begann Sophie auf einmal leicht aufzukreischen. "Da hängt ein Plakat von ihm. Oh mein Gott, sind seine Augen nicht toll." Ich blickte verwirrt durch die Gegend. "Da musst du hingucken." Sophie zeigte auf einen Stromkasten auf der anderen Straßenseite. Als ich dahin blickte, wurde mir schwindelig. Auf dem Plakat war kein anderer als Niall Horan. Nur mühsam konnte ich es unterdrücken in Tränen auszubrechen. "Soll ich versuchen Karten für uns beide zu bekommen?" Sophie blickte mich fragend an. Vehement schüttelte ich den Kopf. Sophie wirkte ein wenig enttäuscht, doch dann gingen wir weiter und für Sophie war der Vorfall vergessen. Doch in mir hatte das Bild von Niall eine neue Welle der Enttäuschung ausgelöst. 


P.O.V. Niall


Ich packte meinen Koffer. Morgen würde ich mein erstes Konzert in Dublin spielen. Und in wenigen Wochen dann in Deutschland. Amy. Sie lebte in Deutschland. Aber ich wusste nicht wo und so machte ich mir auch keine Hoffnungen sie zu treffen. Und überhaupt müsste ich ja richtiges Glück haben, dass sie vorne in den ersten Reihen stehen würde. Und sie würde sowieso nicht zu einem meiner Konzerte kommen, weil sie... Ja, ich wollte nicht darüber nachdenken. Es war schlimm genug, dass bei der Erwähnung von Deutschland mein Puls sofort bei 200 war. Okay, das jetzt vielleicht nicht, aber trotzdem. Ich hatte vor vier Monaten gänzlich aufgegeben irgendetwas über Amy herauszufinden und so langsam sollte ich wahrscheinlich einfach über sie hinweg kommen. Es war ja schließlich nur ein Tag, den ich mit ihr verbracht hatte.

"Niall, wo bleibst du?" Mein Vater kam die Treppe nach oben. Es war ein Fehler gewesen ihn einzuladen. "Dad, gib mir eine Minute. Dann komm ich und wir können gemeinsam Kaffee trinken. Er schien sich mit der Erklärung zufrieden zu geben, denn ich hörte, wie er auf der Treppe umkehrte und wieder nach unten lief. Ich klappte den Koffer zu und verschloss ihn. Anschließend legte ich noch meine Gitarre auf den Koffer und ging dann aus dem Zimmer. Im Flur roch ich bereits frisch gebrühten Kaffee. Dad konnte sich einfach nicht zurückhalten und musste immer mithelfen. Ich betrat die Küche und sah meinen Vater mit zwei dampfenden Tassen in der Hand. "Ich dachte ich mache schon Mal den Kaffee." Er verschwand ins Wohnzimmer und ich kramte stöhnend eine Packung Kekse aus den Tiefen meiner Küche hinaus.

Nachdem ich meinen Vater verabschiedet hatte, machte ich mich daran die letzten Vorbereitungen für morgen zu treffen. Niemals würde ich sie wiedersehen. Niemals. Nie. Ich atmete ein einziges Mal tief ein und wieder aus und verbannte Amy dann aus meinen Gedanken. 

Am nächsten Morgen wurde ich von meinem Management abgeholt und wir fuhren gemeinsam nach Dublin. Ich freute mich endlich wieder auf der Bühne zu stehen. Ich liebte einfach dieses Gefühl von meinen Fans gemocht zu werden. Ich liebte es, wie tausende von Menschen gemeinsam mit mir meine Songs sangen. Ich liebte einfach alles an Konzerten. Und wäre da nicht Amy würden Konzerte an erster Stelle stehen. Nein, Mist. Jetzt hatte ich an Amy gedacht. Genau das wollte ich doch eigentlich vermeiden. Ich wollte einfach ein schönes erstes Konzert spielen, ohne ständig halb in Tränen ausbrechen zu müssen, weil ich Amy nie wieder sehen würde. 


P.O.V. Amy


Ich versuchte, dass der Tag noch irgendwie schön werden konnte, doch es gelang mir nicht. Nialls Bild hatte etwas in mir ausgelöst, was ich nicht einfach so fröhlich überspielen konnte. Ich war gerade an dem Punkt gewesen, wo ich nicht mehr in jedem Moment an Niall denken musste und dann kam das. Ich gab Sophie die Schuld an meiner traurigen Stimmung, obwohl ich ins Geheim wusste, dass sie keine Schuld traf. Ich meine, wer würde nicht ausrasten, wenn er ein Bild von Niall auf der Straße sehen würde?

Ich hatte mich in meinem Zimmer eingeschlossen und mich auf mein Bett geworfen. Leise liefen Tränen über meine Wangen. Wie sehr ich ihn doch liebte. Auf der einen Seite wollte ich ihn sehen, nur um ihn zu sehen, mit ihm zu sprechen. Auf der anderen Seite gab es immer noch diese Wut in mir. Diese Zerrissenheit machte mich mental instabil. Vor meinen Fenstern wurde es langsam dunkel. Ich setzte mich auf und knipste die kleine Lampe auf meinem Nachttisch an. Das warme Licht, was sie abgab, versetzte mich in eine etwas bessere Gefühlslage. Ich trocknete mein Gesicht an der Bettdecke und stand dann auf. Zwischen meinen Anziehsachen suchte ich nach meinem Handy. Als ich es gefunden hatte, sah ich drei neue Nachrichten aufleuchten. Sophie. Was hatte sie denn jetzt?

"Ich habe es geschafft zwei Karten für den Freiraum zu kaufen." 

Ich stöhnte auf. Fast hatte ich damit schon gerechnet. Sophie gab einfach nicht auf. Jetzt würde sie mich zwingen mit ihr auf Nialls Konzert zu gehen und damit musste ich ihn wohl oder übel sehen.


I'd still dance with youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt