[1] Jagen

100 4 0
                                    

"Bellamy!", hörte ich Clarkes Stimme hinter mir rufen und hielt in meiner Bewegung inne. Meine Hände waren blutverschmiert von dem Hirsch, der vor mir ausgebreitet lag. Seine Innereien gaben einen metallischen Geruch von sich.
"Was?", fragte ich nach und verfluchte, dass ich noch immer vollkommen durcheinander war.
"Alles klar?"
"Ja", sagte ich knapp und wollte der Situation schnellstmöglich enfliehen. "Ich gehe noch mal jagen."
"Ist wirklich alles in Ordnung?", fragte Clarke nach und hielt mich am Arm fest.
"Alles bestens", log ich, befreite mich aus dem Griff und lief herüber zu den Waffen, um mir Pfeil und Bogen zu holen.
"Sicher?", rief sie mir noch hinterher. Ich ignorierte sie schweren Herzens und machte mich auf den Weg in die Tiefen des Waldes. Dort, wo ich ungestört war. Dort, wo niemand mein Gesicht sehen und womöglich meine Gedanken ablesen konnte.
Ich hasste mich dafür, dass ich schon wieder von ihm geträumt hatte. Was ich allerdings noch mehr verfluchte, war die Tatsache, dass mich diese Träume vollkommen durcheinander brachten.
Einige Zeit streifte ich nur durch die Wälder und versuchte aufzuhören, die ganze Zeit über Murphys Präsenz zu spüren, obwohl er sich Meilen weit entfernt befand.
Irgendwann fing ich an, Fährten ausfindig zu machen. Vor mir erstreckte sich ein Bach, der die Trinkstelle vieler Tiere darstellte. Hier war der Boden matschig und die Abdrücke deutlicher zu erkennen. Ein Hirsch, vielleicht ein Fuchs, vorne mehrere Kaninchen. Ich folgte den Spuren, sowie ich es immer tat. Doch war es nicht wie immer. Meine Konzentration machte mir einen Strich durch die Rechnung. Die Wildtiere sahen mich noch bevor ich sie sehen konnte. Deprimierend.
Ich atmete durch und spannte den Pfeil, mit dem Vorhaben, nicht mit leeren Händen umzudrehen, doch war das zwecklos. Ich ließ ihn wieder sinken.
Was auch immer dafür nötig war, ich musste dem ein Ende setzen. Sofort. So konnte es nicht weitergehen.
Auf dem Heimweg, sah ich eine flüchtige Bewegung. Ich spannte erneut den Bogen und zielte mein Pfeil ins Gebüsch. Volltreffer. Ein Kaninchen. Na immer hin das.
Ich lief zum dem Tier herüber, nahm es an den Hinterpfoten und trug es zum Lager, während es neben mir hin und her baumelte.

Da es Abendszeit wurde, hatten sich viele um das Feuer herum versammelt und kauten auf dem restlichen gebratenen Fleisch oder unbedenklichen Früchten herum. Da es keine Erbeutung gab, mit der ich groß hätte angeben können, lief ich still zu dem Tisch, warf das Kaninchen darauf und wollte gerade zum Zelt gehen, als ich mich plötzlich umentschied. Vielleicht war Gesellschaft jetzt das, was ich gebrauen konnte. Ich ließ mich auf einen Baumstamm nieder und starrte in die Flammen. Clarke war nirgends zu sehen und Octavia musste bereits in ihrem Zelt sein. Mein Blick wanderte über die Anwesenden und blieb bei Muphy hängen. Er saß etwas abseits auf dem Boden und rührte nichts von dem Essen an, das vor ihm lag. Ein Wunder, dass er überhaupt heraus gekommen war.
"Bellamy", ertönte da auf einmal eine weibliche Stimme. Vor mir stand eine Brünette, an dessen Name ich mich nicht mehr erinnern konnte.
"Darf ich?", fragte sie und zeigte auf den Platz neben mir. Ich nickte wortlos.
"Ich habe dich gestern jagen gesehen", sprach sie weiter. "Wirklich beeindruckend wie du das machst."
Sie sah an mir herab, ehe ihr Blick wieder auf meine Augen traf. Sie wirkte nervös, so als hätte es ihr viel Überwindung gekostet, mich anzusprechen.
"Es braucht nur Konzentration und Zielsicherheit", winkte ich ab.
"Vielleicht kannst du mir ja mal zeigen, wie man richtig jagt", sagte sie da und drehte sich in meine Richtung um.
Ihre Augen funkelten im Feuer. Sie hatte ein hübsches zartes Gesicht und eine attraktive Figur. Und auch wenn sie jünger wirkte, musste sie schon zu den Älteren gehören.
"Ich kann es dir auch jetzt zeigen." Ich deutete auf meinen Bogen, der noch immer um meinem Oberkörper befestigt war.
"Wenn du Zeit hast", sagte sie verlegen.
"Für dich doch immer" Ich erhob mich grinsend und reichte ihr meine Hand.
"Vielleicht sollten wir dafür aber etwas tiefer in den Wald. Dort gibt es mehr Tiere als hier. Das Feuer hält sie auf Abstand."
Ich nahm sie an die Hand und führte sie an den anderen vorbei. Ich spürte Murphys Blicke auf mir ruhen. Im nächsten Moment huschte ein triumphierender Ausdruck auf mein Gesicht. Zu sagen, dass er eifersüchtig war, wäre bullshit gewesen. Dennoch bekam ich das Gefühl, dass ihn irgendwas daran störte. Mir sollte es egal sein.
Ich wandte mich wieder an die Brünette, blieb stehen und sah von ihren Augen zu ihren Lippen. Nach ein paar weiteren Schritten, berührte ihr Rücken den Baumstamm. Sie zuckte leicht zusammen.
"Ich glaube nicht, dass das Jagen so funktioniert", sagte sie und flirtete ganz offenbar mit mir. Ich nahm ihre Handgelenke und küsste ihren Hals. "Ach nein?"
Sie seufzte kaum hörbar auf. Wir standen weit genug von den anderen entfernt, dass sie uns nicht hören konnten, doch wusste ich, dass wir gesehen wurden. Dass Murphy uns beobachtete. Jede unserer Bewegungen.  Ich erwiderte seinen intensiven Blick, während ich an der einen oder anderen Stelle ihres Halses mit meinen Lippen verharrte. Murphy machte den Anschein als sei er derjenige, auf dessen Hals ich soeben Küsse verteilte und an dessen Haut ich ab und zu leicht saugte.
Schließlich löste ich den Blickkontakt mit ihm auf und zog die Fremde weiter hinter mir her. Der Wald wurde dichter und dunkler. Und es wurde kühler, doch spürte ich die Hitze, die von ihrem Körper ausging und meine eigene. Wir stolperten beinahe über eine Wurzel und mussten schlagartig anfangen zu lachen. Solange, bis wir uns küssten, bis meine Hand unter ihr T-Shirt glitt und ihre Brüste berührte, ihren weiblichen Körper, und ihr Kichern sich in ein Seufzen umwandelte. Wir küssten uns leidenschaftlicher, zogen uns aus und schliefen miteinander.
Pfeil und Bogen unbeachtet neben uns auf dem Boden liegend. Vielleicht würde ich ihr ja eines Tages tatsächlich das Jagen beibringen können. Für diesen Moment zählte jedoch nur, dass ich keinen einzigen Gedanken an Murphys Körper verschwendet hatte. Zumindest solange, bis wir uns auf den Weg zurück machten, ich ins Zelt trat und ihn auf seiner Pritsche liegen sah.
"Spaß gehabt?", fragte er beinahe monoton nach und starrte an die Decke.
"Was interessiert es dich?", forschte ich nach und ließ mich auf die Matraze sinken. "Eifersüchtig?", fügte ich belustigt hinzu.
Murphy schnaubte verächtlich, ohne mich anzusehen. Da das Wort ungefiltert meine Lippen verlassen hatte, sah ich mich flüchtig um. Es war niemand zu sehen. Die Worte hatten also keine fremde Ohren erreichen können. Gut so.
Ich ließ mich nieder und drehte mich von ihm weg. Noch bevor weitere von uns zur Nacht das Zelt betreten konnten, sagte Murphy plötzlich: "Weißt du was ich glaube?"
"Es interessiert mich nicht, was du glaubst!"
"Ich glaube", fing er dennoch an weiterzusprechen, "dass du es bedauerst, dass ich es nicht war."
Ich drehte mich um und machte den Mund auf, doch kurz darauf waren Stimmen und Schritte zu hören, und brachten mich dazu, still zu bleiben.
"Du warst aber enttäuschend schnell wieder hier", hörte ich erneut seine Stimme aus der Ferne. "Also ich habe von dir schon mehr Ausdauer erwartet..."
Weiter kam er nicht. Die anderen stürmten gesättigt und aufgekratzt herein. Ich funkelte Murphy bloß schweigend an und signalisierte ihm somit, dass mich seine Kommentare einen Scheiß interessierten. Er mich einen Scheiß interessierte und er sein Maul halten solle. Doch gab es da ein Problem. Meine Träume interessierten sich aus irgendeinem Grund mehr für ihn als mir recht war.
Als ich mit nassen Oberkörper aufwachte und die Schweißperlen mir die Schläfen herunterliefen, war ich mir kurz unsicher, ob ich nicht vor wenigen Sekunden den Baumstamm im Rücken, seine Haare zwischen meinen Fingern und sein Atem an meinem unteren Bauch gespürt hatte.

Forbidden Desire - Bellamy×Murphy Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt