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„He Maulwurf, aufstehen", miaute jemand in Jasmins Ohr. Die sanfte Stimme konnte ein Schnurren kaum unterdrücken, das hörte die junge Einzelläuferin deutlich heraus. Grummelnd öffnete sie ihre Augen einen Spaltbreit, nur um in das Gesicht ihres Ziehbruders zu blicken.

Knurrend kniff die Kätzin ihre Lider wieder fest zusammen und schlang ihren Schwanz um ihren schlanken Körper.

„Geh weg, Krötengesicht. Ich will noch schlafen. Such dir wen anders zum nerven", murrte sie missmutig und drückte ihr Gesicht in das weiche Moos. Thyr wollte scheinbar allerdings noch nicht aufgeben, denn nun begann er, ihr mit seinem warmen Atem ins Ohr zu pusten.

Die schwarze Kätzin kreischte auf und stürzte sich auf den Älteren, doch sie hatte keine Chance. Schon bald war sie von seiner schieren Körpermasse begraben worden und konnte nur noch erstickt jaulen: „Ich gebe auf, du nerviger Fellhaufen, ich steh ja schon auf!"

Der Kater brummte eine unverständliche Antwort und seine Schnurrhaare bebten belustigt. Jasmin reckte sich, fuhr sich mit der Zunge über ihr Fell und begann, einzelne Moosfetzen und Federn herauszuziehen.

Nach einer ausgiebigen Pelzpflege kam sie auf ihre Pfoten und streckte ihren schlanken Körper. Ihre großen Ohren zuckten, als sie laute Geräusche von draußen wahrnahmen. Jaulen, ein Zischen.

Zweibeiner!

Die beiden Katzen blickten sich an, ihre Augen vor Schreck geweitet und angsterfüllt.

Sie rannten los, Jasmins Ballen donnerten auf dem sandigen Boden und sie atmete schnell und hektisch. Sie spürte Thyr neben sich und dann...

... war er fort. Sie fauchte laut, als sie ihren Bruder, ihren besten Freund, zwischen dichten Maschen in den kräftigen Pranken eines Zweibeiners entdeckte. Sein großer, starker Körper wirkte so zerbrechlich und hilflos.

Sie musste ihm helfen!

„Nein! Jasmin! Lauf! Die wollen dich einfangen! Ich komm schon klar! Rette dich!" brüllte der Kater. Tränen schossen ihr in die Augen. Sie konnte ihn doch nicht einfach alleine lassen! „Geh! Rette dich!" Ihr Baugefährte schlug um sich, kratzte, biss.

Ein metallisches Aufblitzen und er wurde still. Sein Kopf pendelte nutzlos hin und her, sein Körper regte sich nicht mehr.

Verzweifelt jaulte sie auf. Eben war doch noch alles gut gewesen!

Sie drehte sich um, preschte in das lichte Unterholz. Ihre Pfoten schlugen taub auf die Erde, sie spürte nichts. Der spitze Dorn, den sie sich auf ihrer Flucht hineingetreten hatte, ließ Schmerz, willkommene Pein, durch ihren Körper strömen. Es zeigte ihr, sie war real, das alles war real, es war kein Albtraum, sondern harte Realität.

Sie musste zum Fluss!

Er war ihre Nahrungsquelle und bot den benötigten Schutz. Lautes Trampeln hinter ihr bewies ihr, dass die Zweibeiner ihr dicht auf den Tatzen waren. Dort! Das Ufer fiel steil ab und sie bereitete sich mit klopfendem Herzen darauf vor, abzuspringen, während sie in Richtung Kante hetzte. Doch ein lauter Knall und ein stechender Schmerz in ihrer Seite durchkreuzten ihren Plan.

Ihre Beine wurden weich, sie stolperte und stürzte. Alles verschwamm vor ihren Augen und sie prallte auf das Wasser auf. Die Luft wurde aus ihren Lungen gedrückt und sie strampelte schwach gegen den Druck an, der sie immer wieder unter die Oberfläche presste. Die Rettung nahte in Form eines Astes, der in wilden Tänzen durch das kühle Nass geworfen wurde und an den sie sich klammern konnte.

Sie wusste, ihr Leben hing davon ab, dass sie sich an diesem Holzstück festhielt. Unbändig schleuderten die Wellen ihre einzige Überlebensmöglichkeit gegen die Wände der Schlucht, durch die sich der Fluss wand.

Ihre Muskeln verkrampften unter der Anstrengung und ihre Sicht wurde immer wieder dunkel. Jasmin durfte auf keinen Fall aufgeben. Sie musste Thyr retten! Ein verzweifeltes Jaulen entwich ihrer Kehle.

Schmerz flutete ihre Sinne, als sich ein großer Splitter vom Ast ablöste und sich in ihre Seite bohrte.

Entsetzt musste sie beobachten, wie neue Wellen sie an den Rand drängen. Sie musste hier weg, sonst würde sie zerquetscht werden! Doch ihr Körper war schwach und ihr Verstand vernebelt. Sie merkte nur noch, wie ihr Kopf gegen einen Stein schlug und Wasser in ihr Maul strömte.

Dann verfloss ihre Welt in Dunkelheit und Stille.

—~—

Hiiiiii! Schön, euch zu sehen! Ich hatte irgendwie Lust, was zu veröffentlichen. Also, tadaaa! Das erste Kapitel!

Gruß, Kapitänin Wolke.

Die Jasmin-Chroniken: Teil 1 - 4 [MMFF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt