Sicht von Kagome:
Kaum hatten meine Füße den Boden berührt, da fiel Sesshoumaru bereits schlapp nach vorn.
»Ich hab dich«, flüsterte ich in seine Ohren. Nur er konnte es hören.
Automatisch drehte ich mich so um, sodass ich ihn auf meinem Rücken tragen konnte.
»Hmpf.«
Verständlicherweise kratzte es an seinem Stolz in seinem eigenen Hause nicht laufen zu können. Aber wenn man die andere Seite der Medaille betrachtete, war es eine herausragende Leistung gleich zwei weitere Personen über solch eine große Distanz zu transportieren.
Er brauchte sich alles andere als zu schämen. Er konnte stolz auf seine Kraft sein!
»Ich bringe dich in unser Gemach«, erklärte ich schnell und lief voran.
Die Angestellten wuselten um uns herum, aber keiner machte eine abfällige Bemerkung über den Zustand ihres Herren. So viel Respekt genoss er mittlerweile hier. Jeder wusste, was Sesshoumaru gerade geleistet hatte und das für ihre Hime des Hauses.
Es dauerte auch nicht lange und der grüne Kappa kam angeflitzt
»Sesshoumaru-sama, Kagome-sama. Ihr habt den Eremiten gefunden. Ganz wie ich es von Euch erwartet habe«, lobte er uns. Ich lächelte ihn zur Begrüßung an und schielte zu Kenta.
Dieser fühlte sich gar nicht wohl. Auch passte der alte Mann überhaupt nicht in das Bild.
»Sieht wohl so aus. Jaken, würdest du dich um ihn kümmern und ihn zu seinem Zimmer bringen?«
Der Frosch-Youkai streckte seine Brust stolz nach vorn.
»Aber natürlich. Das Gemach im Gästehaus ist bereits vorbereitet.«
Ich nickte und war froh darüber, dass der Kappa so mitgedacht hatte.
Kenta kam in diesem Moment zu uns herüber und sah wahnsinnig grimmig aus.
»Was ist das denn für eine Hütte«, brummte er. Seine raue Stimme passte zu seinem aktuellen Gemüt.
»Das ist unser Zuhause«, kommentierte ich nur.
»Pah! Ich würde niemals in so einem Haus leben wollen. Hier kann man sich doch nur verlaufen.«
Meine Güte. Konnte er nicht aufhören zu meckern?
»Ich werde dafür Sorge tragen, dass du immer in Begleitung bist. So kann das nicht passieren«, antwortete ich freundlich. Als Dame des Hauses musste ich gute Miene zum bösen Spiel machen. Es fiel mir schwer.
»Tze. Und was gedenkst du gegen diese ätzende Wärme zu tun? Mir eine Schneelandschaft bauen?«
»Das ist mir leider nicht möglich. Aber ich werde die Anweisung verteilen, deinen Raum nicht zu heizen. So hast du es wenigstens etwas kühler.«
Jaken schaute zwischen mir und Kenta aufgeregt hin und her.
»Wenigstens etwas«, maulte er weiter.
Herrjemine, wenn den nicht gleich jemand von mir weg nehmen würde, dann könnte ich für nichts garantieren.
»Kenta-sama, darf ich Euch zum Gästehaus führen?«
Und einmal in meinem Leben war ich über die schleimige Art von Jaken mehr als froh!
Erleichtert schloss ich die Augen. Rettung in letzter Sekunde. Ich konnte schon spüren, wie sich mein Temperament an die Oberfläche drückte und drohte auszubrechen.
Sesshoumaru schwieg auf meinem Rücken. Wahrscheinlich war er zu erschöpft und bekam diese Unterhaltung nur am Rande mit.
»Na wenn wir doch schon längst da wären.«
Ich zwinkerte dem Kappa zu, drehte mich um und lief in Richtung Haupthaus. Im Hintergrund hörte ich nur noch das Geplapper vom Frosch und abfällige Laute von Kenta.Im Familienbereich angekommen, warteten bereits Yasu, Sumiko und Miroku auf uns.
»Kagome«, begrüßten sie mich erleichtert.
»Wir haben schon gehört. Ihr habt es tatsächlich geschafft!« Das Staunen von Miroku war ihm ins Gesicht geschrieben.
»Wie habt ihr das gemacht?« Während Yasu mich das fragte, öffnete er mir die Tür, damit ich mit Sesshoumaru eintreten konnte. Vorsichtig lief ich zum Bett und legte meinen Mann behutsam ab. Sumiko war sofort zur Stelle und half mir dabei.
Die Augen meines Gefährten waren bereits geschlossen. Er musste wirklich massenweise Energie verbraucht haben. Sonst schlief er nicht einfach so ein.
Vorsichtig – um ihn nicht zu wecken – deckte ich den Daiyoukai zu und führte die Anderen wieder aus dem Zimmer.
Im Besprechungsraum angekommen fing ich an zu erzählen: »Mit einer Sache hattest du absolut recht. Der Eremit ist wirklich kein geselliger Typ.«
Miroku nickte.
»Als wir dort ankamen, fanden wir einen riesigen Dämonenbaum vor. So wie andere Kronen mit Blätter geschmückt sind, war dieser voll von Köpfen«, teilte ich ihnen mit.
»Köpfe?« Sumiko erschrak.
»Etliche. Hunderte oder mehr. Auch Kinder waren dabei.« Bei der Erinnerung stieg wieder die Wut in mir hoch und ich versuchte die Bilder in meinem Kopf weg zu schütteln.
»Und wofür braucht er die?«, fragte Yasu. Ich seufzte.
»Ich will und wollte es auch gar nicht wissen. Ohne Sesshoumaru hätte ich bereits da den Verstand schon verloren und wäre auf Kenta los gegangen.« Das war die Wahrheit.
»Verständlich«, tröstete mich Sumiko. Gleichzeitig strich sie mir über den Oberarm.
»An der Hütte angekommen fing der alte Mann gleich an uns zu beleidigen oder viel mehr Sesshoumaru. Ihr könnt euch denken, wie unser Lord reagiert hat.«
»Aj.« Yasu zog scharf die Luft ein.
Kurz hing ich in meinen Erinnerungen fest, wie Sesshoumarus Biest ausgebrochen war. Aber dann fing ich mich schnell wieder.
»Wie dem auch sei. Wir konnten den Mann überzeugen, da er großes Interesse an mir hegt. Er möchte gerne wissen, wie ich zur Dämonin werden konnte«, fügte ich schnell hinzu. Mehr brauchten sie nicht wissen. Der Fakt, dass mein Daiyoukai auf mich los ging, war für ihn schon schwer genug.
»Ich verstehe«, erwiderte Miroku, »Für ihn musst du etwas ganz besonderes sein.«
Schüchtern sah ich auf den hölzernen Boden.
»Nicht nur für ihn. Für uns alle«, pflichtete Yasu bei.
»Und nun?« Sumiko schaute uns alle fragend an.
»Wir sollten schnellstmöglich mit der Heilung von Rin beginnen. Viel Zeit können wir dem Eremiten nicht zur Erholung geben. Die Kleine wird von Tag zu Tag immer schwächer«, brachte es der Lord des Südens auf den Punkt. Erschrocken starrte ich ihn an.
»Noch geht es ihr gut, Kagome«, beruhigte er mich gleich danach.
Erleichtert presste ich die Luft aus meinen Lungen. Ich dachte schon...
Aber die Betonung am Anfang seiner Aussage bereitete mir Bauchschmerzen.
»Jaken!«, rief ich nun etwas lauter. Selbstverständlich war er bereits zurück und wartete vor der Tür.
»Kagome-sama?« Allzeit bereit Befehle aus zu üben. Der Kappa war wirklich besonders und engagiert.
»Bringe Kenta bitte in das Zimmer von Rin!«
Der Frosch nickte und rannte wie von einer Biene in den Hintern gestochen davon.
Ich stand auf, klopfte mir den Staub von meiner Kleidung und band meine Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen.
»Willst du dich nicht auch ausruhen, Kagome?«, fragte Sumiko besorgt.
»Nein. Mir geht es gut. Ich will nur noch kurz zu den Kindern und dann komme ich nach«, erklärte ich schnell. Ohne ein weiteres Wort abzuwarten verließ ich die Anderen und ging in den Garten. Ich konnte Masaru bereits hören.
»Mutter«, schrie er erfreut und kam zu mir gerannt. Yuki hatte die beiden Zwillinge im Arm.
»Hallo ihr Süßen«, begrüßte ich alle.
»Wie geht es Rin? Und warum schläft Vater, obwohl es noch Tag ist? Habt ihr denn gefunden, den ihr gesucht habt? War die Reise gefährlich und was ist alles passiert?«, bombardierte mich mein Sohn mit Fragen. Ich nahm Akira auf den Arm und sie lächelte mich gleich an.
»Rins Zustand hat sich nicht verändert. Ja, wir haben den Mann gefunden, der ihr vielleicht helfen kann. Die Reise war sehr anstrengend, dadurch schläft euer Vater jetzt. Er muss sich ausruhen um neue Kräfte zu sammeln. Also störe ihn bitte nicht«, antwortete ich ehrlich. Meine Tochter spielte derweil mit meinen Händen.
»Na meine Schöne, wart ihr auch alle brav?« Bei dem letzten Wort schielte ich zum Ältesten. Masaru kratzte sich am Hinterkopf.
»Ich denke schon.«
»Du denkst?«
»Naja...«, sagte er traurig, »es ist etwas passiert.«
Ich wartete geduldig ab, bis mein Kind weiter sprach.
»Beim Training habe ich Kouhei verletzt.«
Kurz sah ich zu Yuki, die mich aber ganz entspannt ansah. Das bedeutete wohl, dass es nichts Schlimmes war.
»Und das heißt?«
»Du verstehst nicht, Mutter! Ich habe einen Freund verletzt!«
Langsam ging ich in die Hocke.
»Ich verstehe dich Masaru. Aber so etwas kann beim Training schnell passieren. Du hast dich doch bestimmt entschuldigt, oder?« Ich durfte mir nicht anmerken lassen, dass ich mir Sorgen um die Kinder machte.
»Natürlich. Aber Kouhei hatte Tränen in den Augen und das hat mich dann traurig gemacht«, verriet er mir, »ich möchte ein Krieger werden, aber um Feinde zu besiegen und keine Freunde.«
Es berührte mich, wie mitfühlend der Kleine bereits war.
»Das ist auch gut so und daran solltest du immer denken. Aber ich glaube, dass Kouhei dir bestimmt nicht mehr böse ist.«
»Das stimmt.«
»Siehst du. Lerne aus deinen Fehlern und behalte es immer in Erinnerung. Dann wird dir so etwas nicht noch einmal geschehen«, belehrte ich Masaru und wuschelte durch sein Haar.
»Okay. Ich danke dir!« Mit einer Umarmung unterstrich er seine Aussage und knuddelte mich fest.
Wie auf ein Stichwort erschien daraufhin Kouhei und ging mit Masaru weiter trainieren.
»Ist sonst noch etwas passiert?«, fragte ich Yuki. Diese schüttelte verneinend den Kopf.
»Dann ist gut«, stellte ich erleichtert fest.
Kurz knuddelte ich ebenfalls Tadashi, ehe ich mich auf den Weg zu Rin machte.
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Zweifelhafte Entscheidung
FanfictionElf Jahre sind seit dem Kampf mit den Drachen vergangen. Mit jedem Tag mehr kann Kagome die Harmonie ihrer kleinen Familie spüren. Schöner könnte es wirklich nicht sein. Doch kann das Glück des jungen Paares anhalten? Leider scheint der Frieden in...