Sicht von Kagome:Was für eine unangenehme Situation!
Noch nie hatte ich mich so unwohl gefühlt wie in diesem Moment.
Zu dritt saßen wir in Sesshoumarus Arbeitszimmer. Wir zwei Frauen hatten gegenüber vom Daiyoukai Platz genommen. Während mein Mann Rin sachlich die Forderungen des Ostens erklärte, verfinsterte sich ihre Miene bei jedem ausgesprochenen Wort immer mehr.
Zum Schluss hatte sie nur dazu gesagt, dass sie den Sachverhalt verstanden hatte.
Seit dem war absolute Stille.
Keiner wagte es sich das Wort zu ergreifen. Sesshoumaru blieb so ruhig, als wäre er eine Statue. Er hatte eine versteinerte Miene aufgesetzt, die keinerlei Informationen preisgab. Aber ich kannte ihn mittlerweile zu gut. Mir konnte er nichts mehr vormachen. In ihm brodelte es gewaltig. Auch er hatte Angst, dass unsere kleine Hime solch eine Situation nicht verkraften würde.
Bei diesem Gedanken verzog ich angewidert das Gesicht. Wem würde es denn schon gefallen, wenn man wie ein Gegenstand behandelt wurde. Dieser verdammte Osten!
Wütend krallte ich mich in den Stoff meines Kimonos und sah hinab auf meinen Schoß. Meine Muskeln waren bis zu den Fußzehen auf ein Maximum angespannt.
Man konnte die dicke Luft hier im Raum förmlich spüren.
Rin saß wie ein Häufchen Elend neben mir und war in sich zusammen gefallen. In meinem Inneren schrie alles danach, sie in den Arm zu nehmen und fest an mich zu drücken. Aber ich schätzte, dass war hier mehr als fehl am Platz.
Aber was sollte ich tun? Was würde man in solch einer Situation von mir verlangen? Ich war nicht nur ihre Adoptivmutter. Nein. Geleichzeitig war ich ebenfalls die Fürstin des Westens und verantwortlich für jedes Lebewesen was bei uns im Lande lebte.
Für einen kurzen Augenblick erlaubte ich mir meinen Mann anzuschauen. Und schon plagte mich mein schlechtes Gewissen. Innerlich verpasste ich mir eine Ohrfeige. Hier ging es nicht nur mir schlecht.
Sesshoumaru hatte noch viel mehr Zeit mit Rin verbracht. Er hatte ihr Leben mehrfach gerettet, sie als Kind bei sich aufgenommen und starke Vatergefühle aufgebaut.
Nun verlangte man aber von uns, genau dieses zuckersüße Wesen den Monstern zum Fraße vorzuwerfen!
Nein!
Das durfte einfach nicht sein! Das war nicht richtig so!
Entschlossen hob ich meinen Kopf, sah abwechselnd einmal zu Rin und dann zu Sesshoumaru.
»Das ist falsch!«
Beide blickten mich erschrocken an.
»Wir müssen etwas unternehmen! Die dürfen damit nicht einfach so durchkommen!« Meine Stimme klang hysterischer als ich eigentlich wollte.
»Was gedenkst du dagegen zu tun?«, fragte mein Mann.
»Das weiß ich noch nicht, aber eine Sache ist definitiv ein Fakt und darüber diskutiere ich auch nicht!«
Mit einem fest entschlossenen Blick und einer bestimmenden Tonlage unterstrich ich meinen Standpunkt.
»Der da wäre?« Der Daiyoukai hob eine Augenbraue. Er wusste genau, was ich über die Sache dachte.
»Fest steht, ich werde Rin nicht opfern! Sie gehört zu uns und ist Teil unserer Familie«, erklärte ich.
Sesshoumaru nickte und bei der jungen Frau bildeten sich Tränen in den Augen.
»Kagome...«, fing der Lord an zu sprechen. Aber ich unterbrach ihn sofort. Ich wusste genau, was er sagen wollte.
»Nein Sesshoumaru. Du brauchst mich über die Folgen nicht aufzuklären. Ich kenne die Konsequenzen und für jeden einzelnen von euch bin ich bereit, diese zu tragen!«
Rins Tränen liefen an ihrer Wange hinab. Ich streckte meinen Arm aus, wischte diese mit meinem Finger fort.
»Nicht weinen! Ich lasse nicht zu, dass du uns verlässt!«. Ich strich ihr nun fürsorglich über den Arm. Normalerweise durfte ich laut dem Protokoll bei solch einer Besprechung keine Gefühle zeigen, aber wen juckte das im Moment? Wir waren hier unter uns und ich pfiff gerade darauf!
Sesshoumaru schwieg erneut, starrte jedoch ebenfalls auf Rin weinendes Gesicht.
»Ich...«, fing Rin an zu sprechen, »Ich möchte auch nicht weg.«
Mein Herz schmerzte bei ihrem Anblick. Wie schockierend diese Nachricht für sie gewesen sein muss. Ich konnte es nur erahnen.
»Das sollst du auch nicht. Ist mir egal was der Osten dazu sagt!«, schimpfte ich wütend. Das die es wagten, meine Familie so auseinander reißen zu wollen, würden sie noch bitter bereuen!
Ich war zwischen Mitgefühl und Zorn so hin und her gerissen, dass mein Kopf bereits weh tat.
»Aber...«
»Psst. Mach dir keine Sorgen, wir finden eine Lösung.« Ich versuchte wohl eher mich selbst zu beruhigen, anstatt Rin. Erbärmlicher ging es wohl kaum noch.
Plötzlich stand Sesshoumaru auf und drehte sich zum Fenster herum. Bevor ich richtig sah, was er vor hatte, ertönte ein ohrenbetäubender Schlag. Sofort roch ich mit meiner feinen Nase das aufkommende Blut. Der Daiyoukai hatte seine Krallen zur Faust geballt und traf unglücklicherweise eine sehr wertvolle Vase. Diese krachte scheppernd zu Boden, dabei streifte ihn ein Stück an der Hand und hinterließ einen Kratzer.
»Verdammter Mist!«, schrie er zornig.
Ich selbst hatte ihn noch nie fluchen gehört, weshalb ich ihn erstaunt ansah. Sesshoumaru drehte sich wieder zu uns um, erwiderte meinen Blick.
»Was für eine Lösung soll das sein? Wie kannst du Samen der Hoffnung verteilen, obwohl der Boden aus matschigem Sumpf besteht? Es gibt im Grunde keinen anderen Weg!«
Seine Stimme bebte und ein Knurren entwich seiner Kehle.
Diese Reaktion schockierte mich nicht, denn ich hatte Recht damit behalten, dass ihn die Situation viel mehr mitnahm, als alle anderen dachten.
Doch eine Person in diesem Raum verstand das leider absolut falsch.
Rin sah völlig aufgelöst zu Ihrem Ziehvater und schrie: »Also möchtest du auf die Forderung eingehen? Willst du wirklich, dass ich einen wildfremden Mann heirate und den Westen verlasse? Dann hättest du es ruhig früher sagen können!«
Oh nein. Nun drohte die gesamte Geschichte zu eskalieren.
»Rin...« Ich nahm ihre Hand, doch sie entriss sie mir sofort.
»Ah ich verstehe. Nun hast du eigene Kinder und brauchst mich nicht mehr. Dadurch verhandelst du über mich, wie eine Fracht Reis! Alles für den Frieden!«, brüllte sie.
Rin stand auf, ich wollte sie zurück halten, aber sie schüttelte mich einfach ab. Danach rannte sie aus dem Zimmer und zurück blieb ein völlig perplexer Daiyoukai.
Ich seufzte. So sollte das Gespräch nicht ablaufen.
»Sie meint das nicht so«, sagte ich leise und stellte mich neben ihn hin.
»Ach nein?« Zweifelnd über meine Aussage sah er mich an.
»Sie ist natürlich aufgebracht. Versetz dich in ihre Lage.«
»So hat sie noch nie mit mir gesprochen!« Ich verkniff mir ein leichtes Schmunzeln, denn ehrlich gesagt fand ich den Gesichtsausdruck von Sesshoumaru wirklich witzig. Eine Mischung aus purer Überforderung und Verwirrung. Wenn der Auslöser dafür nicht so grausam wäre, würde ich ihm das jetzt auch sagen. Aber Salz in die Wunde streuen war nun mehr als unangebracht.
Deshalb entschied ich mich dafür, meine Arme um seine Mitte zu legen und ihn kurz zu drücken.
»Verzeihe ihr! Sie ist nicht sie selbst«, beruhigte ich ihn.
Ich konnte spüren, wie sich seine Muskeln minimal entspannten. Am liebsten würde ich die Last, die er auf seinen breiten Schultern trug weg boxen.
»Ich gehe ihr nach und werde erneut mit ihr sprechen«, schlug ich vor.
Er nickte als Antwort und das reichte mir auch.
Schnell verließ ich sein Arbeitszimmer und fragte die vorbeilaufenden Angestellten nach Rin.
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Zweifelhafte Entscheidung
Hayran KurguElf Jahre sind seit dem Kampf mit den Drachen vergangen. Mit jedem Tag mehr kann Kagome die Harmonie ihrer kleinen Familie spüren. Schöner könnte es wirklich nicht sein. Doch kann das Glück des jungen Paares anhalten? Leider scheint der Frieden in...