Sicht von Kagome:Mit starrer Miene standen wir nun vor dem gigantischen hölzernen Tor.
Nur gedämpft nahm ich die Schreie der Wachen und die dazugehörigen Befehle wahr. Im Normalfall würde sich auch eine unangenehme Gänsehaut auf meinem Körper verteilen, wenn ich mich auf das laute Quietschen von den Gelenken der Öffnungsanlage konzentrieren würde. Aber das tat ich nicht. Mein Fokus lag ganz klar auf der bevorstehende Verhandlung.
Wie würde der Osten auf unseren Besuch reagieren? Würde es einen Kampf geben?
All die Fragen schossen in meine Gedanken und ließen mich nicht mehr los.
Ich stand schräg hinter meinem Mann, neben mir war Rin und drückte fest meine Hand. Hinter uns kamen Ah Uhn und Jaken ebenfalls zum Stehen.
Ich wusste nicht viel über das Fürstenpaar des Ostens. Bis auf einen Sohn gab es keine weiteren Erben. Gerüchten zufolge solle die Lady des Hauses eine gewisse Arroganz an den Tag legen. Genau meine Art von Personen, mit denen ich umgehen konnte. Nämlich gar nicht!
Der Herr des Schlosses solle ein Hitzkopf aber gerecht zu seinem Volk sein.
Diese Tatsache bezweifelte ich jedoch bei seiner frechen Forderung an den Westen.
Welcher Fürst würde so etwas tun? Sesshoumaru zum Bespiel bestimmt nicht!
Das große Tor war nun vollständig geöffnet. Ein Dämon mit dem Aussehen eines riesigen Ogers zog seinen Holzspeer zurück und winkte uns durch den Eingang.
Mein Gefährte trat als erstes ein – mir war bewusst, dass wir uns nun an das Protokoll halten mussten. Unser Verhalten durfte nicht durch Gefühle oder Ähnlichem beeinflusst werden.
Dadurch war ich jetzt auch dazu verpflichtet die Hand von Rin los zu lassen. Sie sah für einen kurzen Moment verloren aus, doch ich zwinkerte ihr zu, ehe ich voran lief um direkt hinter Sesshoumaru zu sein. Ah Uhn nahm unverzüglich meinen Platz an ihrer Seite ein, was sie wieder beruhigte.
Ich konnte sie absolut verstehen, das war alles andere als eine angenehme Situation.
Unsere kleine Reisegruppe wurde durch den Innenhof geführt, bis zum ersten Haus.
Der gesamte Palast war auf einem Berg erbaut worden und es schien fast so, als wäre die asiatische Architektur mitsamt dem Bambus und dem Papier aus den Felsen gewachsen. Eigentlich eine richtig schöne Idee. Das Gesamtbild war hübsch anzusehen. Aber bei dem Gedanken, wer hier diese Räumlichkeiten nutzte, da wurde mir schlecht.»Herzlich Willkommen MyLord, MyLady!«
Ein Mann verneigte sich vor uns. Er hatte eine ziemlich schmale Statur. Seine schwarzen Haare waren länger als meine und unter dem Arm trug er mehrere Schriftrollen. Seine Kleidung bestand aus einem weißen Kimono und darüber ein dunkelblauer Haori.
Als er sich wieder aufrichtete stachen seine rubinrote Augen sofort heraus. Was für eine Art Dämon war er? Ich wusste es nicht. Seine Youki-Energie war jedoch nicht gerade in Mengen vorhanden, aber das hatte nichts zu heißen. Möglicherweise unterdrückten hier viele Ihre dämonische Aura. Ihnen war bestimmt bewusst, dass Sesshoumaru und ich es spüren konnten.
»Wir haben Eure Anwesenheit bereits erwartet. Bitte erlaubt mir, Euch in Eure Gemächer zu führen. Dort könnt Ihr rasten und Erholung finden.«
Was für ein glattgeleckter Idiot. Er konnte für die Situation nichts, aber aus irgendeinem Grund schrie seine gesamte Präsenz nicht gerade nach Sympathie. In der Zukunft würde man solche Personen als Arschkriecher bezeichnen.
»Wir sind nicht hier um zu schlafen!«
Kurz und schmerzlos. Kalt und emotionslos. Sesshoumarus Charakterzüge konnte er hier voll und ganz ausleben.
»S-selbstverständlich mein Herr.« Nun schien der Trottel vor uns mit seiner Angst zu kämpfen.
»Ich werde mit dem Lord sprechen«, schlug er vor.
»Das brauchst du nicht mehr.«
Eine tiefe und wie ich fand finstere Stimme erklang aus dem Hintergrund.
Gespannt sah ich in die Richtung. Jetzt würde ich den Dämon kennenlernen, der meiner Familie schaden wollte! In meinem Bauch sammelte sich wieder die Wut.
»Sesshoumaru mein Freund! Schön das du da bist«, jubelte er gut gelaunt. Als er zusätzlich seine Arme ausbreitete um uns in einer warmen Umarmung zu begrüßen, hätte ich beinahe los geknurrt. So ein widerlicher Typ!
Ein großer und breit gebauter Mann blieb vor uns stehen und grinste bis über beide Ohren. Er hatte kurzes brünettes Haar und dunkle Augen. Seine Haut schimmerte bläulich.
Von Yasu und Sesshoumaru wusste ich bereits, dass seine wahre Natur zu den Ogern gehörte.
Ein schwarzer Kimono mit einem weißen zackigen Muster bestickt diente ihm als Kleidung.
»Und wie ich sehe in vorzüglicher Begleitung!«
Sofort blickte er mir in die Augen, kam zu uns und reichte mir seine Hand.
Ich wusste worauf er hinaus wollte und alles in mir wiederstrebte sich danach. Aber es gehörte zum höflichen Umgang zwischen den Familien. Ob ich es wollte oder nicht. Es war meine Pflicht.
Somit schenkte ich dieser Kreatur ein Lächeln und verneigte mich vor ihm. Parallel legte ich meine Hand in seine. Er platzierte einen hauchzarten Kuss darauf. Ich versuchte das unangenehme Gefühl in mir zu vertreiben. Erfolglos.
»Die Lady des Westens nach der Verlobung endlich einmal selbst kennen lernen zu dürfen ist mir eine Ehre!« Er sollte lieber aufpassen, dass er auf seiner hinterlassenen Schleimspur nicht ausrutschte!
»Die Ehre ist ganz meinerseits, MyLord.«
»Sesshoumaru! Euer Weib ist ein genüsslicher Anblick. Sie strahlt solch eine Schönheit aus, dass es meinen Augen fast schon schadet.«
Ich musste mich gedanklich korrigieren. Das war keine Schleimspur mehr. Er befand sich auf einem schleimigen Teppich in der Größe eines Fußballfeldes! Ekelerregend!
»Und dann ist da ja noch die Hime. Was für eine Freude!«, begrüßte er Rin.
Seine Füße liefen an mir vorbei und ich brauchte mich nicht umzudrehen um zu wissen, dass er die gleiche Vorgehensweise nun bei ihr durchführte. Meine Nackenhaare stellten sich auf. Alles in mir schrie danach, Rin an mich zu drücken und von diesem Mann weg zu reißen!
Als er endlich fertig war, ging er zu Sesshoumaru zurück.
»Wollen wir uns in meinem Audienzzimmer zusammen setzen? Ihr solltet auch meine Frau kennen lernen«, schlug er vor. Mein Daiyoukai nickte zustimmend und daraufhin folgten wir dem Lord des Ostens durch seine Häuser. Es dauerte eine Weile, bis wir in einem großen Raum ankamen.
Der hintere Teil bestand aus einer Felswand. Aus dieser ragte eine gigantische Oger-Statue heraus. Daneben waren Fackeln aufgestellt, die gleichzeitig als Lichtquellen fungierten.
Es waren genau vier Kissen auf dem Boden platziert. Davor Zwei weitere. Auf einem saß eine zierliche Frau. Sie hielt sich ihren Kimonoärmel vor dem Mund.
»Sie sind da.« Warum er diesen unübersehbaren Fakt noch erwähnte, wusste ich nicht.
»Ich heiße Euch Willkommen!«
Der Klang ihrer Stimme glich einem lieblichen Glockenspiel. Da könnte ich fast schon neidisch sein.
Wir verbeugten uns vor der Fürstin und nahmen nach der Aufforderung von ihrem Mann Platz.
»Da es unser erstes Treffen in dieser Art ist, sollten wir uns offiziell vorstellen. Mein Name ist Benjiro und der strahlende Name meiner Gemahlin lautet Akari.«
Um ein Haar hätte ich laut los gelacht, weil ich an die Bedeutung dieser Namen dachte. Genieße den Frieden und der Schein. Lächerlich! Sie wurden dieser Bedeutung alles andere als gerecht.
»Sehr erfreut! Mein Name lautet Kagome. Die Hime hört auf den Namen Rin«, erklärte ich.
Weiterhin musste ich lächeln. Was für ein Schauspiel das hier doch war. Das reinste Theater!
Nur mit großer Mühe konnte ich die Wut in meinem Bauch zügeln. Am liebsten würde ich gerne das sagen, was ich denke!
»So. Da das alles geklärt ist, bin ich froh, dass wir uns hier eingefunden haben«, erzählte Benjiro.
Ich rollte in meinem Inneren meine Augen. Der sollte zum Punkt kommen!
»Es ist lange her«, antwortete Sesshoumaru. Da hatte er recht. Das letzte Mal als ich sie für einen Moment gesehen hatte war vor elf Jahren.
»Ach. Das ist für uns Dämonen doch eine kurze Dauer«, winkte der Fürst ab.
»Wie ist es dir ergangen? Erzähl doch mal, wie du dich als Ehemann so machst?«
»Wir sind nicht zum Plaudern gekommen«, unterbrach Sesshoumaru ihn schroff.
Benjiro lachte, sah zu seiner Frau und danach wieder zu meinem Mann.
»Richtig«, sprach er, »ihr habt mir die Hime persönlich vorbei gebracht. Das erheitert mein Gemüt sehr. Es wäre doch bedauerlich, hättet ihr mir eine Ablehnung erteilt.«
Bitte was? Für einen kurzen Augenblick entglitten mir jegliche Gesichtszüge.
Sesshoumaru knurrte als Antwort.
»Na, na! Soll das bedeuten, ich irre mich?«, fragte Benjiro mit Falten auf der Stirn.
»Gewaltig.«
Sesshoumarus Inneres schien zu kochen. Er litt genau wie ich. Voller Sorge starrte ich auf seinen Rücken.
Das Lächeln vom Fürsten des Ostens war schlagartig verschwunden.
»Das soll heißen?«, hakte er nach.
»Glaubtest du wirklich, der Westen lässt sich unter Druck setzen? Noch dazu kommt, dass ich meine Tochter ganz bestimmt nicht gegen ihren Willen als Verhandlungsobjekt missbrauche.« Ruhig erklärte Sesshoumaru unseren Standpunkt. Ich bewunderte ihn gerade für seine Ausdrucksweise.
Ich wäre ihm wahrscheinlich an die Gurgel gesprungen.
»Ich dachte, sie sei deine Ziehtochter? Du hast doch jetzt eine Eigene! Was macht da das ein oder andere Kind weniger?«
Das war zu viel! Dieses Mal war ich diejenige, die knurrte.
»Welch Bedeutung hat sie für Euch, Kagome-sama?«, bohrte er weiter, »Eure Wut scheint mir ohne Begründung.«
Ich würde ihm gleich zeigen was für einen Grund ich hatte! Ruhig Blut, Kagome...
»Rin gehört zu der Familie des Westens. Sie ist nicht nur meine Ziehtochter, sondern auch die meiner Gefährtin.«
Zum Glück übernahm mein Mann das Wort. Ich hätte mich sonst vergessen.
»ABER sie ist ein einfacher Mensch«, sprach nun die Fürstin.
Vom Glockenklang ihrer Stimme mal abgesehen – war sie nicht auch eine Mutter?
»Das ist nicht von Belang welcher Rasse sie angehört«, widersprach ich.
»Das verstehe ich nicht.« Sie schüttelte ihren Kopf, legte die Hände auf ihren Schoß und starrte mir direkt in die Augen.
Ich atmete tief ein und aus.
»Verzeiht bitte die Bemerkung, aber es gibt verschiedene Lebensformen. Mir ist es gleich ob jemand ein Dämon, Mensch oder Hanyou ist. Das Herz und der Charakter sind für mich von Belang. Rin war bereits als kleines Kind ein Teil des Westens und wird es auch bleiben.«
Das war die Erklärung für Akari.
»Und wenn ich mir den Hinweis erlauben darf – wenn Ihr ein Problem mit der Herkunft der Hime habt, warum wollt Ihr, dass sie in Eure Familie einheiratet?« Diese Frage richtete ich direkt an den Fürsten.
Er schien schockiert von meinen Worten zu sein. Mir war das egal.
»Ein Problem haben wir nicht. Wir dachten nur, dass Ihr dieses Mädchen eher an uns gebt, als Eure leibliche Tochter«, rechtfertigte sich dieser Idiot.
Ich schnaubte verächtlich.
»Wie Ihr seht, habt Ihr Euch mächtig geirrt!« Das war provozierend und dessen war ich mir bewusst.
»Wir haben hier ein grundlegendes Missverständnis, wie ich vermute. Sesshoumaru – ich habe in den letzten Jahren beobachtet, wie groß der Westen geworden ist. Ich benötige nur eine Art Versicherung. So kann ich mein Volk und meine Familie in Sicherheit wiegen, dass kein Angriff von deiner Seite ausgehen wird. Du wirst schließlich nicht dein Kind angreifen.«
Das war doch ein schlechter Witz! Wenn das lustig gewesen sein soll, dann war das wirklich ein niveauloser Scherz!
»Der Osten hätte alles andere fordern können. Nicht meine Familie!«
Wieder wenige aber bedeutsame Worte aus dem Munde meines Gatten.
»Seit wann bist du so ein weichherziger Fürst geworden? Hat dich dein Weib so verändert?«, fragte Benjiro nun herablassend. Geschmacklos war dieser Typ also auch.
Sesshoumaru knurrte erneut und der Lord des Ostens seufzte.
»Euch Beiden sind die Konsequenzen bewusst?«
»Ja.«
»Dann bleibt uns keine andere Wahl. Bedauerlicher Weise habt ihr es so entschieden!«
»Halt!« Nun musste ich dazwischen gehen.
»Was heißt hier, es sei unsere Entscheidung? Warum wünscht der Osten eine Forderung von der er ausgehen musste, dass diese abgelehnt wird? Wir können über alles andere verhandeln! Es muss nicht soweit kommen! Wünscht Ihr einen Vertrag? Güter oder Gold?«
Ob ich verzweifelt klang? Ich wusste es nicht.
»Kein Gut dieser Welt würde mir die notwendige Sicherheit schenken«, schlug er mein Angebot aus.
»Aber was würde nach dem Ableben Rins passieren? Sie ist nicht unsterblich?«, stellte ich eine weitere Gegenfrage.
»Neue Situationen würden dann wieder Verhandlungen fordern.«
Der machte mich verrückt! Mit diesem Mann konnte ich nicht sprechen! Er legte sich die Tatsachen so zurecht, wie er sie benötigte.
»Dann sind wir hier fertig«, unterbrach Sesshoumaru das Gespräch.
»Nein, nein. Ich bin ein gutherziger Dämon. Wieso bleibt Ihr nicht über Nacht und denkt über Eure Entscheidung nach? Auch wir werden uns mit dem Gesagten beschäftigen. Morgen bricht ein neuer Tag an und dann werden wir erneut zusammen finden.«
Warum hatte ich urplötzlich ein ganz ungutes Gefühl bei dieser Sache?
Es dauerte eine Weile, bis Sesshoumaru zustimmte. Mir wurde ganz komisch bei der Vorstellung hier noch länger zu bleiben.
»Dann wünsche ich Euch eine angenehme Nachtruhe!«, schleimte der Fürst des Ostens.
Daraufhin befahl er seine Diener, uns in den Gästetrakt zu führen.
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Zweifelhafte Entscheidung
FanfictionElf Jahre sind seit dem Kampf mit den Drachen vergangen. Mit jedem Tag mehr kann Kagome die Harmonie ihrer kleinen Familie spüren. Schöner könnte es wirklich nicht sein. Doch kann das Glück des jungen Paares anhalten? Leider scheint der Frieden in...