𝟏𝟒 - 𝘪𝘵 𝘸𝘢𝘴 𝘢𝘭𝘭 𝘮𝘺 𝘧𝘢𝘶𝘭𝘵

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Das Leben war unfair, dessen waren wir uns alle bewusst. Während die einen Tag für Tag um ihr Überleben zu kämpfen hatten, badeten die anderen in Ruhm und Macht. Leider konnten wir uns nicht aussuchen, welchen Part davon wir übernahmen.

Ich wurde einfach in diese Welt hineingeboren. Wissenslos. Niemand hatte mich gefragt, ob ich dies überhaupt wollte. Aber schließlich konnte ich nichts dagegen unternehmen. Ich war machtlos.

Ich würde nicht sagen, dass ich kein glückliches Kind gewesen bin. Ich hatte zwar nie Freunde, doch ich hatte meinen Vater. Er arbeitete damals sehr viel, um mir wenigstens ein halbwegs normales Leben ermöglichen zu können. Aber wenn er Zuhause war, gab er sein bestes, so viel Zeit mit mir zu verbringen, wie es ihm nur möglich war.

Oft spielten wir Kartenspiele, oder bereiteten zusammen das Abendessen zu. Auch gingen wir gerne im Hafen von Ritou spazieren. Wir hatten viele schöne Momente. Ich liebte meinen Vater wirklich über alles. Er war der einzige Mensch, der mir das Gefühl von Geborgenheit gegeben hatte.

Meine Mutter litt damals zwar noch nicht an ihrer Alkoholsucht, dennoch war sie nie Zuhause. Sie war oft unterwegs, ihre Ausreden waren jedes Mal Geschäftsreisen. Aber ich wusste früher schon, dass sie log. Sie hatten einige Affären mit anderen Männern. 

Auch mein Vater wusste es. Doch er blieb, mir zuliebe. Er hätte jeden Grund gehabt, zu gehen. Aber er tat es nicht. Und ich war der Grund dafür. Ich war der Grund dafür, dass er die letzten Jahre seines Lebens verschwendete. Er arbeitete, damit ich leben konnte. Und ich hinderte ihn daran, jemanden Neues kennenzulernen. Eine Frau zu finden, die auch ihn hätte glücklich machen können. Er hätte es verdient. Und womöglich hätte er auch nicht sterben müssen, wenn er von hier verschwunden wäre. Wenn er sich von mir ferngehalten hätte.

Ich war Schuld an seinem Tod. Ich ganz allein trug die Verantwortung dafür. Ich konnte mich noch so gut an den Tag erinnern, als wäre es gestern gewesen. Auch wenn ich weitgehend dazu in der Lage war, es zu verdrängen, verfolgte diese Erinnerung mich noch bis heute in den Schlaf. 

Wir waren damals spät am Abend draußen unterwegs. Ich wusste noch genau, er wollte mich mit etwas überraschen. Ich war überglücklich und konnte es kaum erwarten, weshalb ich voraus rannte. Es war bereits dunkel, daher bat mich Vater darum, in seiner Nähe zu bleiben. Doch ich wollte nicht hören. Ich war zu aufgeregt. Er rief mir einige Male hinterher, aber ich rannte immer weiter.

Irgendwann merkte ich, dass ich mich verlaufen hatte. Mein Vater war weit und breit nirgends mehr zu sehen. Angst breitete sich in mir aus und ich sah mich in allen Richtungen nach ihm um. Ich schrie nach ihm, vergeblich. 

Es war so dunkel, dass ich die Orientierung verloren hatte. Irgendwann lief ich mit voller Wucht in eine Person rein. Durch den Aufprall fiel ich auf den Boden. Ich sah an der großen, breit-gebauten Person vor mir hoch und bekam es noch mehr mit der Angst zu tun. Es waren die Fatui.

Mein Vater hatte mir oft erzählt, dass die Fatui böse Menschen waren, mit denen man sich auf keinen Fall anlegen sollte. Und wenn ich jemals einem begegnen sollte, sollte ich schauen, dass ich mich so schnell wie nur möglich aus dem Staub machte.

Dennoch hatte Vater geschäftlich mit ihnen zu tun. Er lieferte Waren an ihre Organisation, an die verschiedensten Orte hier in Inazuma. Er war oft gestresst, denn die Fatui akzeptierten nicht die geringsten Fehler und auch nicht die kleinsten Verspätungen der Lieferungen.

Ich sah den Mann vor mir an und begann schließlich zu schreien, ehe ich ruckartig aufstand, mit der Intention, davonzulaufen. Doch mir gelang dies nicht einmal ansatzweise. Auch hinter mir sammelten sich bereits einige Fatui und versperrten mir den Weg.

Der Typ, der mir den Moment zuvor noch gegenüber stand, hielt mir den Mund zu, um mein Schreien zu unterdrücken. Ich biss ihm in die Hand, doch es schien ihn recht wenig zu stören.

Nur kurze Zeit darauf, kamen weitere Fatui hinzu. Doch als ich die Person sah, die sie bei sich hatten, schnürte es mir die Kehle zu. Es war mein Vater. Sie hatten ihn gefesselt und er hatte überall Schrammen.

Ich wusste nicht, was die Fatui von uns wollten, doch es schien mir, als hätte mein Vater es gewusst. Die Fatui redeten von Waren, die mein Vater wohl nicht rechtzeitig geliefert hatte. Und es waren nicht einfach irgendwelche Waren, es schien etwas äußerst Wichtiges gewesen zu sein.

Mein Vater versuchte ihnen zu erklären, was es damit auf sich hatte, in seiner Stimme klang pure Verzweiflung. Doch die Fatui gaben sich damit nicht zufrieden. Schließlich kam das, was hätte kommen müssen. Der Mann, der mich die ganze Zeit schon festhielt, hielt mir plötzlich ein Messer vor die Kehle. Er drohte meinem Vater, mich zu töten, wenn er nicht mit der Wahrheit rausrückte.

Mein Vater flehte sie an, mich gehen zu lassen. Er würde jede Strafe auf sich nehmen, nur damit sie mich am Leben ließen. Ab diesem Moment ging alles unglaublich schnell. Ich sah nur noch, wie einer der Fatui hinter meinem Vater auftauchte. Dann schoss er ihm in den Kopf. Und alles was ich tun konnte, war dabei zuzusehen, wie er auf dem Boden zusammensackte.

Als der Typ mich schließlich los ließ, rannte ich. Ich rannte, so schnell ich nur konnte. Tränen liefen mir ununterbrochen über meine Wangen. Ich schrie. So laut, dass mir die Kehle brannte.

Die Fatui bekamen nie ihre Strafe für das, was sie meinem Vater angetan hatten. Ich konnte ihre Taten nicht beweisen, schließlich war ich nur ein kleines Kind.

Meine Mutter hatte mir die Schuld für seinen Tod gegeben. Und sie hatte Recht. Ich allein war schuld daran, dass er sterben musste. Letztendlich wäre es besser gewesen, wenn sie mich stattdessen getötet hätten. Doch mein Vater hatte sich für mich geopfert. Und so musste er sterben, wegen seiner kleinen, dummen Tochter. Es war nahezu lächerlich, wenn ich darüber nachdachte.

Und dies waren die Gedanken, die mich seither in meinem Leben verfolgt hatten. Meine Mutter hatte mir nie verziehen, wobei ich mir sicher war, dass ihre Trauer nur reine Schauspielerei war. Dennoch war sein Tod der Auslöser, der sie in ihre Alkoholsucht stürzte.

Aber vor allem verzieh ich mir selbst nicht. Und das würde ich auch niemals. Die Szenerie spielte sich immer und immer wieder vor meinen Augen ab. Sein lebloser Körper, wie er vor mir lag. Und ich konnte nichts weiter tun, als dabei zuzusehen.

Ich war nutzlos. So unglaublich nutzlos. Ich fragte mich, wieso ich damals überhaupt davonlief. Vielleicht hätten sie mich ebenfalls getötet, nachdem sie mit Vater fertig waren. Es wäre besser gewesen, für alle. Und doch saß ich nun hier, lebendig. Obwohl ich es gar nicht verdient hatte.

Doch egal wie sehr ich mich selbst verabscheute, den Hass den ich auf die Fatui hegte, war deutlich größer. Und dennoch, hatte ich es nun mit genau diesen Menschen zu tun. Nein, es waren Monster. Und ich habe mich mit ihnen eingelassen.

Aber egal was ich tat, ich würde aus der Sache nicht mehr rauskommen. Ich war an Scaramouche gebunden. Und ich war mir sicher, er würde mich nicht mehr lebendig gehen lassen. Die Fatui waren eine Sache, aber er? Er spielte auf einer ganz anderen Liga.

Doch, wollte ich aus der Sache überhaupt wieder rauskommen? Ich hasste mich für diesen Gedanken, aber ich befürchtete, die Antwort lautete Nein. Irgendwas an ihm faszinierte mich. 

Und selbst wenn er mich nur für seine eigenen Bedürfnisse ausnutzte, ohne jegliche Gefühle. So gab es mir dennoch einen kleinen Wenig das Gefühl, gebraucht zu werden. So lange ich für Scaramouche von Nutzen war, fiel es mir zumindest etwas leichter, das Leben zu akzeptieren.

Ich würde mir natürlich dennoch wünschen, dass er vielleicht genau so fühlte, wie ich es für ihn tat. Doch nachdem er letzte Nacht einfach wieder verschwand und mich wortlos zurückließ, sollte ich mir diesen unrealistischen Wunsch wohl eher aus dem Kopf schlagen.

Und ein Mensch wie ich es war, hatte sowieso keinerlei Rechte, zu wünschen.

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(1316 Wörter)

- 29.01.23




the way you show me love // scaramouche x fem. readerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt