Er ist sehr hungrig

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Die Sonne strahlt vom blauen Himmel. Eine junge Frau steht am geöffneten Fenster der Dachschräge. Kaum zwei Schritte von ihr entfernt sitzt ihr Ehemann auf einem Sitzsack und tippt auf seinem Tablet herum. Abgelenkt nimmt er nicht wahr, was seine Frau gerade macht. Nach kurzer Zeit spricht er sie an: "Bestellen wir heute was zu essen?" Doch keine Reaktion. "Schatz?" Wieder nichts. "He, wo bist du denn hin?" Etwas lauter ruft er dann erneut nach ihr. Sie gibt noch immer keine Antwort.

Seuftzend legt der junge Mann sein Gerät zur Seite.Stöhnend wie ein alter Mann erhebt er sich, um nach seiner Frau zu sehen. Er schaut durch das Fenster hinaus. Steckt seinen Kopf hinaus. Nur das Dach und stellt sich dann die Frahe: "Was mache ich hier eigentlich? Sie ist doch wohlkaum aus dem Fenster gefallen."

So dreht er sich um, will gerade an der holzgetafelten Wand entlang gehen, als etwas seine Aufmerksamkeit erregt. Ein Klopfen, welches aus der Wand zu kommen scheint. Langsam tritt er an die Wand heran. Das Klopfen wird lauter. Ein Schrei. Und dann ein leises Weinen. Dies alles kommt eindeutig aus der Wand. Die Stimme klingt nach seiner Frau.

Panik steigt in ihm auf. Wie soll er sie da raus bekommen. Er packt einen Stuhl und schlägt damit gegen das Holz. So löst sich eines der Bretter, an einer Seite. Achtlos wirft er den Stuhl zu Boden. Er packt das Holz mit beiden Händen. Rüttelt daran mit all seiner Kraft. Die Splitter, die sich in seine Finger bohren ignoriert er. Er stemmt einen Fuß gegen sie Wand, dann ein Krachen und noch mehr Splitter. Rückwärts landet er auf dem Boden. Ein breites Stück Holz in den Händen. Das Klopfen ist einem dauerhaften Weinen gewichen. Aufrappeln und weitere Stücke von der Wand lösen.

Hinter dem Holz befindet sich ein Hohlraum. Eine zittrige Hand kommt ihm entgegen. Sie klammert sich am geborstenen Holr fest. Mit leisem und angestrengtem Stöhnen zieht sich eine Person herann. Ein Kopf kommt zum Vorschein. Tränen kleben auf den geröteten Wangen. Unter einer verwüsteten Frisur, erkennt der vor Schock erstarrte Mann seine geliebte Frau, die verängstigt vor sich hin flüstert: "Hilf mir. Hol mich hier raus. Er will mich töten. Er wird mich umbringen, wenn du mich nicht rettest. Aber leise. Sonst hört er dich..." Der Mann kann langsam wieder klarer denken. "Wer, von wehm redest du? Wie kommst du da rein?" Von Schluchzern geschüttelt kommen weitere Worte aus ihrem Mund: "Er ist hungrig. So furtbar hungrig... Und es tut so weh." "Was tut weh?" "Blut ist überall. Er isst sie." "Was?!" "Meine Zehen... Er isst meine Zehen."

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