10.

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„Hey Mom."

„Anna, mein Schatz. Wir haben dich schon so lange nicht mehr gesehen." Meine Mom nahm mich zur Begrüßung fest in ihre Arme und drückte mir einen Kuss auf jede Wange. Meine Mom war eine fröhliche Person und sie wusste in jeder Lebenslage eine Lösung. Wir hatten ein sehr gutes Verhältnis zueinander, einzig und allein die Tatsache, dass ich Polizistin geworden war, trübte manchmal ihre Lebensfreude. Ich konnte verstehen, dass sie sich Sorgen machte, aber ich liebte nun mal meine Arbeit. Meine Mom hatte freundliche Grübchen um Augen und Mund, die sie für jeden sofort sympathisch werden ließen. Sie war eine gute Mom und ich war froh dass sie meine war.

„Anna!" Meine kleine Schwester Isabel polterte die Treppe hinunter und umarmte mich genau so stürmisch wie meine Mom. Isabel war mittlerweile sechszehn und wir hatten einen besonderen Draht zueinander. Wir wussten, wir konnten uns alles erzählen.

„Hey Isy.", antwortete ich. „Wie geht's dir?"

„Gut. Schicke Mütze.", stichelte sie. Es ging ihr gut, das sah man ihr an. Sie hatte eine gesunde Gesichtsfarbe, ganz anders als ich momentan.

„Isabel?", rief von oben eine Stimme.

„Ich komme." Schon war meine kleine Schwester wieder die Treppe nach oben verschwunden. Ich zog erstaunt die Augenbrauen hoch.

„Das ist Jordan", raunte mir meine Mutter zu, als ob es ein Geheimnis wäre. Aha, also ein neuer Freund von Isabel. Sie wechselte ihre Freunde alle drei Monate. Grob geschätzt. Allerdings wusste sie mit sich und ihren Reizen durchaus etwas anzufangen, weshalb die Jungs Schlange standen, hatte sie mir einmal erzählt. Sie hatte lange blonde Haare, anders als ich. Außerdem hatte sie eine tolle Figur.

„ Anna, lass uns einen Tee trinken." Meine Mom zog mich in die Küche. Es war eine alte Küche, hier war ich aufgewachsen und hier hatte meine Mom mir das Kochen beigebracht. Überhaupt war das ganze Haus sehr alt. Meine Eltern hatten es vor meiner Geburt gekauft. Ich liebte dieses Haus. Mein Zimmer lag im zweiten Stock, neben dem von Isabel. Jedes Mal, wenn ich meine Eltern besuchte, ging ich nicht, bevor ich nicht in meinem Zimmer war. Zwar war es mittlerweile als Büro für meinen Vater umfunktioniert worden, aber die Gerüche nach altem Holz und Haarspray, sowie mein altes Bett, waren noch immer da. Vielleicht machte es das so besonders. Ich hing sehr an meinem Elternhaus, obwohl ich sie viel zu wenig besuchte.

„Welche Sorte, mein Schatz? Früchtetee oder lieber Pfefferminz?", riss mich meine Mutter aus meiner Nostalgie.

„Pfefferminztee, bitte", antworte ich und setzte mich an den Küchentisch. Ich kaute auf meiner Unterlippe und überlegte, was ich sagen wollte. Während das Wasser brodelte, setzte sich meine Mom zu mir.

„Was ist los, mein Schatz?", fragte sie und legte mir begütigend ihre Hand auf die Wange.

„Mir geht's nicht gut.", war das einzige, was ich herausbrachte. Plötzlich brannten mir Tränen in den Augen und schnürten mir die Luft ab.

„Lass es raus.", sagte sie nur. Ich habe es nie ganz begriffen, aber Mütter hatten ein Gespür dafür, wenn etwas nicht stimmte. Sie wussten immer wann und was sie sagen mussten, damit es einem besser ging, und wann sie still sein sollten und man nur eine feste Umarmung benötigte. So wie ich gerade. Das Pfeifen des Wasserkessels störte meine Mom herzlich wenig, als sie um den Tisch herumkam und mich in ihre Arme nahm. Sie roch nach Waschmittel und ihrem speziellen Parfüm, das sie seit jeher trug. Es brachte das Fass zum Überlaufen. Ich schluchzte vor mich hin und war überrascht, dass ich zu solch einem Gefühlsausbruch fähig war, denn geweint hatte ich schon lange nicht mehr. Sie hielt mich in ihren Armen und wiegte mich hin und her, wie sie es schon getan hatte, als ich noch jünger war. Schließlich machte ich mich von ihr los und wischte mir über die Augen. Sie ging und goss den Tee auf. Dann kam sie mit beiden Tassen zurück. „Möchtest du mir erzählen, was los ist?"

The death comes on High-HeelsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt