worries

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Die Wanduhr zeigte auf 12 Uhr, als Jay aus der Mittagspause gerissen wurde.

„Halstead, in mein Büro. Sofort."

Aufgebracht wies Voight den Detective an, ihm zu einem Vieraugengespräch zu folgen. Nichts ahnend, aber sichtlich verwundert kam Jay der Bitte nach.

Noch ahnte er nichts Schlimmes. Vermutlich würde es um den anstehenden Fall gehen, war er sich sicher.

Als sich in Voights Miene jedoch eine Mischung aus Sorge und Düsternis erkennen ließ, wurden schließlich auch Halstead die Knie weich.

„Alles in Ordnung? Geht's Hailey gut? Sie war doch mit Ruzek unterwegs?", sorgte er sich um seine Frau, aber Voight schüttelte mit dem Kopf.

Offenbar war dies nicht das Problem.

„Halstead, der Commisioner hat mich vorhin angerufen. Die Kollegen von der Streife haben jemanden festgenommen. Wir mussten Fingerabdrücke und andere Spuren sichern lassen, um die Daten abzugleichen und auszuschließen, dass die junge Dame schon vorbestraft war. Leider ist beim DNA Abgleich etwas sehr unschönes passiert."

Voight sagte nun gar nichts mehr, legte Halstead stattdessen das Ergebnis vor.

„Der Datenabgleich hatte eine 99 prozentige Ähnlichkeit mit dir."

Irritiert sah Jay auf seinen Vorgesetzten.

„Was heißt hier mit mir?"

Hanks Gesicht ließ nichts gutes bedeuten.

„Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen."

Voight zog skeptisch die Augenbrauen nach oben.

„Okay, ziehen wir die Sache von hinten auf. Ich habe ein bisschen recherchiert."

Damit hielt er Halstead das Bild eines jungen Mädchens entgegen, das herausfordernd in die Kamera sah.

„Luna MC Innes, 13 Jahre alt. Mutter verstorben. Sie lebt seit einem Jahr in einem Jugendheim."

Mc Innes. Jay krampfte sich der Magen zusammen. Der Name sagte ihm irgendwas.

„Vater unbekannt. Die Mutter ist vor kurzem verstorben. Wechselnde kleine Delikte. Die meisten davon Ladendiebstähle. Laut Akte immer wieder aus verschiedenen Jugendeinrichtungen abgehauen. Mein CI Hannah Cates kannte die Kleine auch."

Erst jetzt begriff Halstead allmählich, was Voight damit sagen wollte. War das jetzt ein schlechter Scherz?

„Moment, mal Sie glauben dass ich ihr Vater...?"

Jay ließ den Satz unbeendet.

„Was ich glaube, ist doch völlig irrelevant. Wir haben diesen Treffer in der Datenbank und den haben wir ans DCFS weitermelden müssen. Ob mir das passt oder nicht."

Jay wurde schlecht. Innerlich ging er alle zurückliegenden Beziehungen durch. Wenn er ganz ehrlich war, kamen da einige Frauen zusammen. Eigentlich waren das aber alles kleinere Beziehungen gewesen. Und die meisten hatte er recht zeitnahe beendet.

Er hielt sich reflexartig die nun leicht zitternde Hand vor den Mund.

„Ich habe Sie jetzt informiert, damit Sie den Anruf nicht direkt von der Jugendfürsorge bekommen und dann aus allen Wolken fallen. Die werden nochmals einen Vaterschaftstest anordnen."

Halstead stand völlig neben sich. Er und Vater. Was hatte Voight da eben gesagt? 13 Jahre? Halsteads Hirn ratterte. Wenn sie jetzt 13 war, musste das in der Zeit gewesen sein, als er frisch aus Afghanistan gekommen war und den Schnellkurs bei den Cops absolviert hatte.

Innerlich ging er alle Beziehungen durch, bis er bei jemandem hängen blieb.

„Was ist mit dieser Datenbank? Kann das nicht ein großer Irrtum sein?"

Hank legte den Kopf schief, sah ihn mitleidig an.

„Halstead, ich arbeite seit 38 Jahren bei der Polizei. Es tut mir leid dir das zu sagen, aber ich habe bisher nicht einen Treffer erlebt, bei dem irgendwas mit der DNA Datenbank schief gelaufen ist. Das System arbeitet sehr genau."

Mit ernster Miene nickte Jay mit dem Kopf, erhob sich dann leicht schwindelnd nach oben.

In seinem Kopf liefen sämtliche Gedanken durcheinander. Wie sollte er das Hailey erklären?

Wie sollte es jetzt weitergehen? Und vor allen Dingen, was machte er jetzt mit dieser Information? Fragen über Fragen. Fragen, auf die er vorerst keine Antwort hatte.

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Voight hatte wie immer Recht behalten, denn gegen Nachmittag schlug eine Mitarbeiterin des DCFS in der Wache auf.

Glücklicherweise war Hailey gerade mit Adam bei einer Befragung, sodass sie von all dem nichts mitbekam.

Die gesamte Sache war Halstead furchtbar unangenehm. Dementsprechend fertigte er die Frau auch im Aufenthaltsraum ab, erledigte den Test, den er ihr mitgab und verdrängte alle weiteren Gedanken an das potenzielle Problem.

Verdrängung war eine sich all bewährende Taktik. Damit war er bisher immer gut gefahren. Vermutlich hätte er es nie so weit wie bis hierher gebracht, wenn er sich jeden Vorfall seines Lebens genau zu Gemüte geführt hätte. Dementsprechend würgte er die Frau auch kurz ab, als sie beginnen wollte, von dem Teenager zu erzählen. Er wollte davon nichts hören. Seine Ehe lief gerade gut. Sie hatten den aktuellen Mordfall, in dem Voight mit seinen dunklen Machenschaften Hailey fast ins Verderben gezogen hätte, so gut wie unter den Teppich gekehrt. Dieser Wandel passte einfach nicht in sein aktuelles Leben.

Trotz aller Bemühungen die Sache zu vertuschen, ging ihm der Vorfall aber dennoch so sehr auf die Stimmung, dass es auch Hailey nicht entgangen war.

„Sag mal, was ist eigentlich los? Du hast doch was? Du bist total merkwürdig im Moment? Gibt es irgendetwas, worüber du mit mir reden willst?"

Ertappt sah Halstead seine Partnerin an. Sie saßen gerade im Dienstwagen, auf dem Weg zu einem ihrer CIs, als Hailey ihn zur Rede stellte.

Bedrückte zuckte Jay mit den Schultern.

„Mach dir keine Gedanken. Mein Weißheitszahn scheint derzeit wieder zu spinnen. Nicht der Rede wert", suchte er nach Ausreden. Hailey, die das nicht ganz glauben konnte, taxierte ihn kritisch.

„Sicher?"

Normal sprach ihr Partner nie über gesundheitliche Probleme. Umso mehr spürte sie, dass an seiner Ausrede irgendetwas faul war.

„Können wir uns jetzt bitte auf den anstehenden Fall konzentrieren? Davon werden meine Zahnschmerzen nicht besser", brummte er, weshalb sie schließlich doch das Thema wechselten.

Das löste zwar vorübergehend sein schlechtes Gewissen, aber besser machte es den bestehenden Sachverhalt nicht...

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