family

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„Macht ihr das öfters?", fragte Luna von der Rückbank aus, während sie die Landschaft an sich vorbei rasen sah.

„Was öfters?"

„Na, einfach so wegfahren", mutmaßte die 13 Jährige, während Jay über den Highway fuhr und Hailey eine Packung M und Ms verspeiste, von der sie Luna die zweite Hälfte gab.

„Eher nicht. Normalerweise verbringen wir die freien Tage lieber in miefigen Pubs oder mit Schreibtischarbeit und langweiligen Filmen. Das ist für uns auch erst das erste freie Wochenende seit 4 Wochen", scherzte Jay.

„6", verbesserte ihn Hailey und nahm die letzte Hand Erdnüsse.

„Seit 6 Wochen."

Halstead pustete schwer die Luft aus, nickte ihr süffisant zu.

„Da habt ihr euch ja richtig verbessert, seitdem ich bei euch bin."

Hailey und Jay sahen einander vielsagend an, sagten aber nichts.

Luna bekam das nicht mit weil sie aus dem Fenster sah. Zum ersten Mal seit zwei Jahren hatte sie Chicago verlassen.

„Ich wollte immer abhauen. Mit dem Zug, raus aus Chicago. Einmal hatte ich sogar schon das Ticket, aber einer der Betreuer hat es gefunden und da bin ich dann aufgeflogen."

„Hätte doch sicher auch nicht funktioniert. Dann wärst du obdachlos auf der Straße gelandet."

„So schlimm ist das gar nicht. Ich hab zwischenzeitlich schon mehrmals draußen geschlafen", entgegnete sie.

„Aber nicht im Winter", hielt ihr Jay das Widerspiel und sie schüttelte aufrichtig mit dem Kopf.

„Nee, im Sommer. Irgendwie hatte ich auch immer Glück an die richtigen Leute gekommen zu sein."

„Dann hat die Pechsträhne dieses Jahr aber geendet", spielte Halstead auf David Carter an und sie wurde ganz still.

„Beschrei es nicht. Das Jahr ist noch nicht vorbei", mahnte ihn Hailey und genoss die Sonnenstrahlen auf ihrer Haut. Allmählich hielt der Frühling Einkehr in Chicago.

„Wie lange seid ihr eigentlich schon zusammen?"

„Seit 4 Jahren. Ist das so wichtig?"

„Klar, ich muss doch wissen, bei wem ich hier lebe und wer meine neuen Eltern sind."
Bei den Worten „neue Eltern" wurden Hailey und Jay ganz still, tauschten sich nur bedeutungsvolle Blicke aus, sagten aber nichts.

„Was sind das im Arbeitszimmer eigentlich für Ordner?"

„Was für Ordner?", hakte Hailey nach und erhielt sofort eine dementsprechende Antwort.

„Na, die im Regal. Ryan, Jim und Ricochet steht darauf. Und auf der anderen Seite Emma, Norah und Kathryn. Wer ist das? Habt ihr irgendwelche Leichen im Keller oder muss ich mir da Sorgen machen?"

Jay kam an einer Ampel zum halten, sah dann vorwurfsvoll in den Rückspiegel.

„Sag, mal, warum bist du so verdammt neugierig und möchtest immer über alles informiert sein?", fluchte Halstead, weshalb sie kleinlaut mit den Schultern zuckte.

„Liegt wahrscheinlich in der Familie. Mein Dad ist bei der Polizei", konterte sie kess und erhielt ein Stöhnen.

„Sind das jetzt Infos, die du dann an deine Freunde von der Straße weiterleitest? Ich sag's dir. Kriege ich mit, dass da was von dem was wir hier besprechen irgendwie nach außen gelangt, dann mache ich dir die Hölle heiß. Das ist extrem gefährlich. Für Hailey und auch für mich."

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