~Fiftynine~

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Montage sind die grausamste Erfindung, die es je gab. Wobei Rechtsphilosophie noch grausamer war und verband man diese beiden Komponenten miteinander, hatte man die perfekte Foltermethode für einen Jurastudenten.

Die Vorlesungen waren allesamt die reinste Qual, wobei es nicht einmal an dem Inhalt lag, sondern viel mehr an dem Professor. Er sprach dauernd in Rätseln und so wie es der Name bereits sagte, gab es dabei kein richtig oder falsch. Es ging vielmehr um die Fragen, was Recht war und in welchem Verhältnis Recht und Rechtsgefühl zueinander stehen.

Es war zwar keine Pflichtvorlesung und ich hätte auch einfach aufstehen und gehen können. Doch da ich das Studium so gut wie möglich abschließen wollte, besuchte ich auch alle unnötigen Vorlesungen.

„Ich persönlich finde es nicht gerecht, Dinge tun zu müssen, die ich Scheiße finde." Meine Augen weiteten sich und meine Nackenhaare stellten sich bei der Stimme hinter mir auf, welche eindeutig einen russischen Akzent hatte. „Im Ernst. Warum tust du dir das an, Swjosdoschka?"

Allein wegen dem Spitznamen wusste ich, welcher der Russen sich hinter mir befand und fragte mich augenblicklich, was er hier wollte. Ich versuchte ihn auszublenden und die letzten 10 Minuten mich nur auf den Professor zu konzentrieren. Allerdings gelang es mir absolut nicht, weshalb ich aufstand, meine Tasche griff und den Vorlesungssaal verließ.

Mit langen und schnellen Schritten lief ich über den Gang der Fakultät, ehe ich neben mir eine Gestalt wahrnahm, welche lässig neben mir herging.

„Flüchtest du vor mir oder vor dem Professor?", fragte Aljoscha mich belustigt. Sein tätowiertes Gesicht sah direkt in meines und ich war mir sicher, dass ich blass wie eine Leiche war.

„Was machst du hier?", presste ich gedämpft hervor.  Die Blicke der anderen Studenten schienen mich zu durchlöchern und ich konnte es ihnen nicht einmal verübeln. So ein Typ wie Aljoscha sah man nicht häufig an einer Uni. Er trug wie sonst auch eine dunkle Jeans und einen Hoodie. Jedoch hatte er dieses Mal keine Mütze auf, weshalb ich seine kurzen schwarzen Haare sah und auch die Tattoos, die darunter hervorschauten.

„Dasselbe wie du, Swjosdoschka", antwortete er mit monotoner Stimme. „Mit dem einzigen Unterschied, dass du dir das freiwillig gibst."

„Was willst du von mir?", fragte ich und bog dabei in einen weniger besuchten Gang ab. „Wer hat dich geschickt? Du kommst wohl kaum, um Jura zu studieren!"

Meine Stimme überschlug sich und auch mein Herz hämmerte mir schmerzhaft gegen die Rippen. Es war nie etwas Gutes, wenn die Russen sich einmischten und nun war einer von ihnen auch noch an meiner Universität!

„Ich achte nur etwas auf dich", zwinkerte der Russe mir zu, wodurch ich ihn perplex anblinzelte. Meinen Blick ließ ich über den Campus streifen, wobei ich plötzlich das Gefühl hatte, beobachtet zu werden.

„Wieso?", hakte ich weiter nach. Ich dachte, sie hatten von Yonathan alles bereits bekommen und ich wäre außerhalb derer Schusslinie. Aljoscha lehnte sich zu mir vor, bis sein Gesicht direkt vor meinem war und sah mir mit seinen dunklen Augen tief in meine.

„Nicht, dass du einfach verschwindest", hauchte er mir kryptisch zu. Ein eiskalter Schauder durchzog mich und mein Unwohlsein sorgte für einen dicken Kloß in meinem Hals.

„Wieso sollte ich?", hinterfragte ich weiter, obwohl ich die Antwort gar nicht wissen wollte. Am liebsten wäre ich weggerannt und hätte Yonathan angerufen, um ihn zu fragen, was ich tun sollte. Doch ich wäre vermutlich nicht sehr weit gekommen.

„Es passieren viele unerklärliche Dinge", zuckte Aljoscha mit den Schultern und sorgte dafür, dass mir kotzübel wurde. „Menschen verschwinden, tauchen nie wieder auf und keiner weiß, wieso."

Lost KingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt