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Langsam trat Eve in das Zimmer zurück. Von Dennis sah sie nur noch einen nackten Fuß und ein gekrümmtes Häufchen unter einem rot-weiß karierten Bettbezug. Ihr neuer Partner tigerte dagegen unruhig durch den kleinen Raum. Sicher würde er sie gleich wieder mit Fragen bombardieren.

Tausend Gedanken schossen ihr wie eine Horde Pingpongbälle durch den Kopf. Als erstes brauchte sie für ihn einen Namen. Einen, den sie sich gut merken konnte. Wie hieß ein typischer Mafioso? Rocco? Luigi, oder Salvatore? Oder lieber was Martialisches, wie Hunter, Attila oder Drake?

»War der Typ ein eifersüchtiger Verflossener von dir? Aber wieso lag der dann neben mir im Bett? Hat er dich im Bad festgebunden? Oder ging es um das viele Geld? Woher stammt das überhaupt? Und wo sind unsere Ringe, wenn wir verheiratet sind?«

Jap. Wenigstens ein Kerl, den sie richtig einschätzte.
»Eins nach dem anderen. Zuerst werde ich mir etwas anderes anziehen.«

Mr. Wie-nenne-ich-dich-bloß baute sich mit verschränkten Armen vor ihr auf und wippte auf den Fußballen. Geduld zählte anscheinend nicht zu seinen Stärken. Eve rollte mit den Augen und ließ ihn einfach stehen.

Sie lief um das Bett herum, bückte sich und angelte eine pinke Sporttasche darunter hervor. Mit einem geschmeidigen Satz war er an ihrer Seite und riss ihr die Tasche aus der Hand.

»Hey!« Empört sah Eve ihm dabei zu, wie er rücksichtslos ihre wenigen Habseligkeiten herauszerrte und durchsuchte. »Wenn du dir eines von meinen Tops ausleihen willst, hättest du nur fragen müssen.«

Er fixierte sie angespannt mit schmalen Augen. »Nichts für ungut, aber ich traue dir nicht.«

»Was hast du erwartet? Das ich eine Pumpgun zwischen meinen Schlüppern habe?«

»Diese ganze Geschichte ist doch oberfaul. Sonderlich erfreut, mich zu sehen, bist du auch nicht gerade.« Er gab ihr die Tasche zurück und nahm seine Wanderung wieder auf. Sein gehetzter Blick überflog fortwährend das Zimmer, als könnten jeden Moment irgendwelche Monster aus den Ecken kriechen. »Ich warte immer noch auf deine Erklärung. Schließlich habe ich mich an unsere Abmachung gehalten.«

»Ja, und das ist eine völlig neue Erfahrung für mich. Dir habe ich doch diese ganze Misere zu verdanken«, schoss Eve zurück. Ihre Wut musste sie nicht vortäuschen. Diese schwelte seit Dennis' gemeinem Verrat tief in ihr und fraß sich nun Stück für Stück durch die sekündlich dünner werdende Schicht von Angst und Selbstzweifeln nach oben. Die Amnesie ihres Verfolgers schien tatsächlich echt zu sein.

Der Mann vor ihr runzelte die Stirn und knirschte mit den Zähnen. »Klar. Genau das würde ich auch behaupten.«

Er postierte sich im toten Winkel neben dem Fenster und beobachtete die wenig befahrene Straße vor dem Motel. Dieses Verhaltensmuster war ihm wohl in Fleisch und Blut übergegangen, nützte ihm mit seiner Gedächtnislücke jedoch herzlich wenig. Seine Verwirrung war ihm deutlich anzusehen. Fast tat er ihr ein bisschen leid.

Auch der Dino auf dem riesigen Kinoplakat draußen grinste schadenfroh herüber und schielte gleichzeitig hungrig nach den flüchtenden Hauptdarstellern. Den neuen Jurassic-Streifen fand Eve super und den schnuckligen Filmhelden würde sie keineswegs von der Bettkante schubsen ...

»Nicht das ich dich unansehnlich finde, aber willst du dir nicht auch endlich mal was anziehen, Chris?« Eve schlüpfte seelenruhig aus ihrem T-Shirt heraus und in ein luftiges lindgrünes Sommerkleidchen hinein. Vor ihrem "Ehemann" konnte sie sich schlecht verschämt zeigen und an den Hotelpools hatten die reichen Knilche schon bedeutend mehr von ihr zu sehen bekommen, während Dennis klammheimlich ihre Brieftaschen leerte.

Der Neugetaufte blickte verdutzt an sich herunter und riss gleich darauf aufgeregt den Kopf nach oben. »Chris? Ich heiße Chris?« Ungläubig starrte er sie an.

Blackout-Story   Lügen haben schöne AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt