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Steve J.D. High beobachtete von seinem Schreibtisch aus das emsige Treiben im Großraumbüro der FBI Außenstelle in Las Vegas. Die Brisanz des bevorstehenden Einsatzes versetzte ihn selbst nach dreißig Dienstjahren in einen nervösen Unruhezustand, auch wenn er sich dies nicht anmerken ließ. Die langen Beine ausgestreckt, die Hände vor dem hageren Körper gefaltet, saß er äußerlich entspannt abwartend in seinem Drehstuhl. Als Chief würde er zwar nicht direkt am Ort des Geschehens mitwirken, aber ihm oblag die Aufsicht über die gesamte Organisation und Koordinierung der Operation "All-In".

Sein scharfer Adlerblick behielt die Tätigkeit eines jeden einzelnen Beamten im Auge. Bald Eagle nannten ihn seine Agents hinter vorgehaltener Hand, und dies bezog sich nicht auf seinen militärisch kurz getrimmten weißen Haarschopf. Natürlich wusste er davon und er war sogar ein bisschen stolz darauf. Auch Spitznamen musste man sich hart erarbeiten.

Während er in Gedanken noch einmal sämtliche Ablaufpunkte durchspielte, betrachtete er skeptisch seinen frisch renovierten und zum Open Space Büro umgestalteten Arbeitsplatz. Die in zartem Altrosa und hellem Lichtgrau gestrichenen Räume mit den abstrakten Kunstwerken an den Wänden passten seiner Meinung nach besser zu einer schnöden Anwaltskanzlei als zu einer nüchternen Ermittlungsbehörde. Und dann noch die zahlreichen exotischen Topfpflanzen, die laut Innenarchitekt für ein angenehmes Raumklima sorgen sollten. Welche Verschwendung! Erwartungsgemäß zeigte das Grünzeug bereits erste Anzeichen, den Weg alles Irdischen zu gehen. Auch die blauen Leitlinien auf dem Boden, die zu den verschiedenen Arbeitsbereichen führten, waren seiner Meinung nach komplett überflüssig. Ein Agent, der nicht von allein den Weg zum Labor, der Asservatenkammer oder dem Pausenraum fand, hatte beim FBI nichts verloren.

Verbissen kaute Steve auf einem Nikotinkaugummi herum. Das Rauchen hatte er seiner Frau zuliebe aufgegeben, ein kleines Zugeständnis angesichts der vielen Nachteile, die sein Beruf für das Privatleben mit sich brachte. Aber in Situationen wie dieser, vermisste er die Glimmstängel wirklich. Vielleicht wurde er langsam einfach zu alt für den Job.

Die Anspannung reduzierte die Gespräche im Raum auf ein notwendiges Minimum. Hochkonzentriert widmeten sich die anwesenden Beamten den letzten abschließenden Vorbereitungen. Fünf lange Jahre hatten sie auf diesen Punkt hingearbeitet. Fünf Jahre voller herber Rückschläge mit verschwundenen Zeugen und Spuren, die buchstäblich in der Wüste endeten. Denn trotz zeitsparender digitalisierter Arbeitsabläufe und dem Einsatz modernster Technik und innovativer Verfahren zur Beweismittelsicherung, blieb der Kampf gegen das organisierte Verbrechen eine langwierige und akribische Sisyphusarbeit.

Und oftmals waren es dann doch die altbewährten Methoden, welche zum Erfolg führten.

Mit einem leisen Piepen ploppte eine Nachricht auf seinem Rechner auf. Steve überflog die Meldung, runzelte die Stirn und lehnte sich zurück. Unaufhaltsam rückte der große Showdown näher und mit jeder Stunde, die verstrich, wurde ihm mulmiger zumute.

Aus dem offenen Rund der Schreibtischgruppen blickte ein junger Agent zu ihm herüber. Steve deutete ein Nicken an und erhob sich. Gelassen und ohne sich umzusehen begab er sich zu den Fahrstühlen. Special Agent Jesse Cotton betrat hinter ihm die Kabine.

»Chief.« Die Begrüßung blieb ihr einziger Wortwechsel. Jesse wählte das K auf der Stockwerkanzeige und schweigend fuhren sie in die unterste Etage. Erst nachdem sie den langen Flur durchschritten und zwei hermetisch schließende Stahltüren passiert hatten, blieb Steve stehen. Sein Ziel war weder das Archiv, noch das Waffendepot oder die Serverstation des Gebäudes. Unaufgefordert überreichte ihm Jesse das Tablet, welches er bei sich trug. Das kalte Licht der Neonröhren über ihnen spiegelte sich im Display und Steve drehte sich ein Stück zur Seite, um einen kurzen Blick auf die Anzeige zu werfen.

Blackout-Story   Lügen haben schöne AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt