39| Die Sache mit dem Regen

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Impossible (Orchestral Version)
Nothing But Thieves

Sam

»Weißt du«, murmelte er. »Manchmal würde ich mein ganzes Vermögen aufgeben um zu erfahren, was in deinem Kopf vor sich geht.« Es waren einzig ein paar Zentimeter der alten Holzbank und ein Schwall kühler Nachtluft, die uns von einander trennten. Und dennoch, als unsere Blicke so aufeinander lagen, schien er näher zu sein als jemals zuvor. Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte, deswegen schwieg ich.

Percy wusste schon mehr über das Innere meines Kopfes, als jeder andere Mensch auf dieser Welt. Er war derjenige, dem ich am meisten anvertraute. Es war schräg und ungewohnt, doch bei ihm war schien es leicht, Dinge über mich selbst zu erzählen. Es war, als würde er sie sowieso schon wissen. Ich fragte mich, ob er das wusste. Ob ihm dieses Wissen überhaupt etwas Wert war.

Der Park um uns herum schien auf einmal so unheimlich still. Als wäre niemand anderes hier. Kein Tier, kein Lebewesen, das uns beobachten könnte. Nur wir. Percival und Ich. Meine Zunge war schwer, als ich etwas erwidern wollte. Als würde selbst mein Körper sich verweigern, diesen Moment zu unterbrechen.

Percy wandte den Kopf nach oben, sah hinauf in den Himmel. Keine zwei Sekunden später spürte ich es auch. Es hatte begonnen zu regnen. Der Himmel riss auf und die einzelnen Tropfen wurden immer schwerer, doch erst als es begann zu schütten, flüchteten wir fluchend von der Bank.

Innerhalb ein paar Sekunden waren wir beide triefend nass. Im schnell Schritt wollten wir zurück zum Wagen, als ich merkte das er stehen geblieben war. Fragend sah ich zurück zu Percy und wie er erstarrt mitten auf dem Schotter erstarrt war. Seine Augen geschlossen, stand er dort, während die Tropfen an ihm hinab rannten, seinen Anzug tränkten. »Percy?«, rief ich über den Regen hinweg. Er lachte auf wie ein kleines Kind, schien mich gar nicht zuhören. Was zur Hölle, macht er da? Als er keine Anstalten machte, weiter zu gehen, kehrte ich um. Zu ihm zurück.

Ohne darüber nachzudenken, zog ich mein Jackett aus und hielt es schützend über uns, auch wenn das nicht mehr viel brachte. Als er merkte, dass der Regen nicht mehr auf ihn fiel, öffnete er blinzelnd die Augen, fand meinen Blick. »Was zur Hölle machst du da?«, knurrte ich. Seine Haare klebten ihm auf der Haut, als wäre er ein Relief aus dem Jugendstil. Grinsend sah er mich an, breitete die Arme aus, »Wir sind sowieso schon nass! Wieso die Eile?« Skeptisch verzog ich das Gesicht. Der Winter war gerade erst weiter gezogen, und es war immer noch kalt. Was wenn er krank wurde? Oder-? »Sam.«, ermahnte er mich, als könne er meine Sorgen hören. »Es ist nur ein wenig Regen.«
»Das werden wir ja sehen, wenn du krank im Bett liegst.« Er legte schmunzelnd den Kopf schief, »Dann muss ich wenigstens nicht arbeiten.«
»Ah, darum geht es hier also.«
»Was denkst du denn?«, er trat einen Schritt näher an mich heran, »Ich nutzte jede Chance um von dir wegzukommen.«, scherzte er und ich schnaubte belustigt. »So schlimm ist meine Anwesenheit, also?«

Sein Lächeln verschwand, als hätte der Regen es mit fort gewaschen. »Nein«, flüsterte er und trat noch einen Stück näher unter den Schutz meines Jacketts. So nah, so dass ich nun die Wärme seines Körpers über die Kälte der Nacht hinweg spürte. Mein Mund wurde schrecklich trocken, als ich nicht anders konnte, als ihn schlichtweg anzustarren. Auf Percys Brille hatten sich die Tropfen gesammelt und verschleierten seinen Blick. Dennoch schien er so klar, dass ich mir sicher war, das er gerade Wegs durch mich hindurch sehen konnte. Doch er würde nichts finden, denn mein Kopf war wie leer gefegt.

Vielleicht war es die Art, wie der Regen seine Wangen hinab lief, oder sein Blick, doch ich dachte nicht nach, als ich meine Hand hob, um ihm sachte ein paar der nassen Strähnen aus der Stirn zu fahren. Seine Haut war warm unter meiner Berührung. Seine Lider flackerten, als sein Blick nach unten wanderte, mein Gesicht entlang, als würde er ebenfalls den Tropfen folgen. Stockend atmete ich aus. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich nicht mehr geatmet hatte. Es schien auf einmal so schrecklich schwer. Als hätte meine Lunge verlernt wie. »Percy-«
»Deine Anwesenheit ist alles andere als schlimm, Sam.«

Ich wollte ihn fragen, was meine Anwesenheit für ihn war. Warum er nicht zurück wich. Warum er mich ansah, als würde er jeden Moment ... Aber ich war mir nicht sicher, dass ich noch etwas wie eine Stimme besaß. Jedenfalls schienen die Worte mich bereits verlassen zu haben, in gar jenem Moment, in dem meine Finger seine Stirn gestreift hatten. Ich ballte meine Hände zu Fäusten. Was passierte hier?

Ich wusste, das ich fror. Ich spürte die Tropfen, die mein Hemd durchweichten, meinen Rücken hinab liefen und nichts hinterließen als Schauer. Aber ich fühlte es nicht. Es schien, als würde mich eine Fremde Hitze versengen. Etwas schweres, warmes, das ich einfach nicht einordnen konnte. Vielleicht war ich bereits krank?

Oder verrückt? Das würde wenigstens die Gedanken erklären, die mir in diesem Moment durch den Kopf jagten. Ich kniff die Augen zusammen, stieß die Luft aus den Lungen, »Verdammte Scheiße.«

Und dann ... Ich spürte sie. Seine Berührung. Wie seine Finger sich zögerlich an meine Wange legten, wie er mich hielt, als wäre er nicht sicher, ich wäre echt. Es war sanft. So sanft, dass ich mir sicher war, dass es nicht echt sein konnte. Sein Daumen fuhr mir über die Wange, bis hin zu meinen Lippen - etwas in mir verkrampfte. Schmerzerfüllt verzog ich das Gesicht. »Percy

Er zog sie nicht weg. Eher im Gegenteil. Er hob seine zweite Hand und irgendwas in mir, zerkrachte zu einem Schwall aus Scherben. Was zur Hölle passierte hier? Erschrocken griff ich nach seinen Handgelenken, löste mich von ihm. Mein Jackett sackte zu Boden, als ich zurück wich. Das hier durfte nicht passieren. Was immer auch es war.

Das ... das war nicht gut. Shit.

»D-du kannst nicht - Ich meine, wir-«, raunte ich und seine Augen schwirrten über meine Züge, als würde er selbst erst realisieren was gerade passiert war. Dieser eine kurze Moment. Ich dachte wirklich ... Percy fuhr zurück, als hätte er sich an mir verbrannt.

Seine Hände immer noch gehoben, setzte er zum sprechen an, »I-ich...« Ein hauch von Panik durchfuhr den Blick meines Bosses.

Er schien zu zittern, und ich betete das es wegen der Kälte war. Ich betete - »Percy, ich-«, raunte ich, doch er wich einen weitern Schritt zurück: »I-ich nehm' einfach ein Taxi. Wir... wir sehen uns Montag im Büro.«

Seine Worte schienen im Prasseln des Regens unterzugehen, doch vielleicht war es auch nur mein trommelnder Herzschlag. Wie erstarrt, stand ich dort, bis seine Silhouette mit der Nacht verschmolz.

Was zum...?!

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