25| Unerwarteter Besuch

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Insane in the Brain
Cypress Hill

Percy

Die Tage vergingen und der Winter zog über New York hinweg und brachte das neue Jahr mit sich, wie ein Geschenk der Zeit. Dennoch schien die Kälte noch nicht zu verschwinden zu wollen und auch der Stress, den die Arbeit mit sich brachte, schien wie die Unendlichkeit selbst. Ich starrte auf meine Bürotür, zögerte hineinzugehen. Ich spürte wie er hinter mich trat, fühlte seine Anwesenheit ohne mich zu Sam umzudrehen, »Percy? Alles in Ordnung?« Ich kniff meine Augen zusammen, fokussierte mein eigenes Namenschild, »Er ist dort drinnen.«, murmelte ich. »Ich kann es spüren.«, es war wie das Adrenalin, dass einem über die Haut kroch, wie wenn man wusste, dass man in Schwierigkeiten steckte.

Ich spürte es. Und ich war mir sicher, dass er dort drinnen war. »Wer?«, fragte Sam und ich drehte mich endlich zu ihm um, beantwortete seine Frage nicht. »Gib uns ein paar Minuten, okay?« Sein Gesicht verzog sich verwirrt. »Was? Perc-?« Ich wartete nicht bis er fertig gesprochen hatte, sondern drückte meinen Rücken durch und betrat den Raum.

Ich lag richtig. Dort war er. Saß grinsend auf meinem Schreibtisch als wäre es sein Büro. Müde fuhr ich mir über die Stirn, »Runter von meinem Schreibtisch.« Er lächelte breit und dachte gar nicht daran, mir folge zu leisten. Aber das tat er nie, »Dir auch einen Guten Morgen, Percival.« Lancelot sah noch genauso aus, wie bei dem letzten Mal, als wir uns begegnet waren. Seine gold-blonden Locken waren kurzgeschorenen und die Tattoos krochen sich bereits seinen Hals hinauf. Einzig seine Piercings schienen mehr geworden zu sein. »Haben sie dich entlassen, oder bist du ausgebrochen?«, fragte ich und vergrub meine Hände in meinen Taschen. Ich fragte erst gar nicht, wie er hier unbemerkt hinein gekommen war. Lance fand immer einen weg genau dort zu sein, wo er nichts zu suchen hatte.

»Ich bin clean!«, grinste er und sprang von der Tischplatte. »Außerdem, was hälst du von mir? Ich würde nie so etwas tun, wie einfach abzuhauen!« Er war bereits 4 Mal einfach so spurlos verschwunden. Bei seinem zweiten Mal, war er erst nach zwei Jahren wieder aufgetaucht. Ich hatte bis Heute keine Ahnung wo er in dem Zeitraum gewesen ist und ich wollte es auch ehrlich gesagt gar nicht wissen. »Was willst du hier, Lance?«, forderte ich zu wissen, während er meinen Schreibtisch erkundete: Seine Finger fuhren über meine Stifte, bis hin zu den Akten. Genervt schnalzte er mit der Zunge, »Dad meint es also endlich ernst, mit deiner Erziehung, hm? Du bist mittlerweile fast schon so schlimm wie Gwaine.« Ich verzog verstört das Gesicht, »Sag doch sowas nicht!«

Lance schwenke seinen Kopf von links nach rechts, als würde er mir eine schlechte Nachricht überbringen müssen, »Es sieht aus, als wäre es bereits zu spät.« Entgeistert hielt er ein paar Akten nach oben, »Du sotierst mitlerweile sogar nach Farben!« Ich lachte auf, »So schlimm steht es um mich noch nicht. Das war ich nicht. Und jetzt komm schon her!« Ich breitete meine Arme aus und Lancelot schwang sich über meinen Schreibtisch und zog mich in eine feste Umarmung, klopfte mir auf den Rücken. Ich seufzte auf, als ich den Alkohl an ihm roch, »Ich dachte, du bist clean?« Er löste sich ein Stück von mir und tätschelte mich auf meine Wange, »Ja, von dem harten Zeug.«
»Lance-«
»Ach spar dir das!«, er löste sich und wandte sich wieder meinem Tisch zu, »Das hab ich schon mit Mom genug.«

Ich verkniff mir zu sagen, dass wir uns lediglich Sorgen um ihn machten. Aber das war bei Lancelot Moreau schlichtweg verschwendete Worte. Auch wenn er sich immer in Scheiße zu reiten schien, schaffte er es doch immer sich dort selbst wieder raus zu ziehen. »Hab' gehört, ihr habt ein kleinen Wettstreit über die Firma am laufen, während ich auf meinem Kuschelsocken-Urlaub war.« Ich lehnte mich gegen einen der Ledersessel.

Die Worte klein und Wettstreit fand ich nicht ganz passend, doch im großen und ganzen hatte mein kleiner Bruder Recht. »Bist du sauer, dass du momentan auf dem letzten Platzt liegst?« Lance lachte auf und klaute einen meiner Stifte aus dem Becher, »Du weißt, ich würde euch alle platt machen, wenn wollte.« Ich nickte schmunzelnd, »Natürlich.«

Er ließ sich in meinen Stuhl fallen. »Aber ich muss sagen,« er stieß sich an der Tischplatte ab und drehte sich eine Runde, »so ein Bürojob wirkt doch langsam ganz vielversprechend.« Ich runzelte die Stirn und setzte mich ebenfalls. Für Menschen wie Lancelot, wäre ein Job im Büro eine Foltermethode. Ich war mir sicher, dass er nicht mal einen ganzen Tag hier durchhalten würde, bevor er nach Hawaii verschwunden wäre. »Und woher der Sinneswandel?«

Er packte die Tischplatte und hielt damit den Stuhl in einem bestimmten Blickwinkel fest, »Alles eine Frage der Perspektive. Ich könnte mich wirklich an die Aussicht von hier aus gewöhnen.« Widerwillig drehte ich mich um und folgte seinem flackernden Blick, obwohl ich schon wusste, was er dort sehen würde. Sam stand an seinem Schreibtsich und beredete gerade irgendwas mit einer jungen Dame. Meine Hände verkrampften sich in dem Leder. »Lance-«
»Arbeitet er für dich?«, er drehte sich zu mir und legte seine Füße auf meinen Tisch, wartete gar nicht auf meine Antwort. »Wie heißt er?« Zögerlich warf ich erneut einen Blick durch das Glas, »Sein Name ist Samuel Cortez.«

Der Blick wanderte kurz hinaus und wieder zu mir zurück, »Und habt ihr es schon miteinander getrieben?«
»Lancelot!«, fuhr ich entsetzt auf, doch dieser lachte nur schamlos. »Was? Du willst mir also weiß machen, dass du diesen jungen Latino-Johnny-Depp ständig vor dir hast und nie...?«, fragte er und wackelte vielsagend mit den Augenbrauen. Aufgebracht erhob ich mich, »Shit, Lance! Wir arbeiten zusammen! Er ist mein Assistent - mein Freund- verdammt nochmal!« Er legte den Kopf schief, »Und?«
»Und?!«, keuchte ich mit hochroten Wangen.

Lancelot nahm grinsend seine Füße von meinem Tisch und verschränkte stattdessen seine Hände auf der Platte, »Ich mein ja nur, du bist in der Zeit wo ich weg war, so schrecklich spießig geworden. Es würde dir gut tun mal wieder richtig durch gef-«
»Um Himmels Willen, Lance!«, unterbrach ich ihn und er lachte teuflisch in sich hinein. »Wir sind beide Erwachsen, Percylein. Kein Grund sich zu schämen. Außerdem... Denkst du er hätte Interesse an mir?« unruhig ging ich vor dem Tisch auf und ab. Als ich seine Frage verarbeitete, hielt ich inne. Ich war mir ziemlich sicher, dass Sam mit seiner Arbeit verheiratet war, aber ... Ich sah hinaus, und merkte das er mittlerweile sein Gespräch beendet hatte, denn er begegnete meinem Blick bereits. Ich schluckte und fuhr mir durch die Haare, widmete mich wieder meinem Problem von einem Bruder, »Cortez ist nicht schwul.« Lance schnaubte verächtlich, »Sicher.« Ich wollte ihn gerade fragen was er meinte, als er das Thema wechselte.

»Wie geht es dem kleinen Teufelchen?«
»Ihr Name ist Darcy.«, verbesserte ich müde, obwohl ich mir sicher war dass er genau wusste, wie meine Tochter hieß. Schließlich war er ihr Patenonkel. »Macht sie noch dieses Tütü-Ding?« Ich verzog die Stirn, »Meinst du Ballet?«

Es klopfte und wir wandten uns beide zur Tür. Lancelot sprang fast schon höflich lächelnd auf als im nächsten Moment Sam den Raum betrat. Oh mann, das war nie gut. »Entschuldigt die Störung. Miss Vivian hat gerade angerufen. Sie meinte es wäre wichtig und du sollst zurück rufen.« Ich nickte, doch eigentlich hörte ich kaum zu, denn Lancelot war gerade dabei denn Schreibtisch zu umrunden. Schnell schob ich mich zwischen die Beiden. Doch das hielt meinen Bruder nicht auf. Stattdessen schwang er einfach einen Arm um meinen Hals und lehte sich praktisch halb auf mich. »Sam«, begann ich, »das ist mein kleiner Bruder La-«
»Lancelot Moreau.«, stellte er sich vor und reichte ihm die Hand. Sam nahm sie entgegen, »Samuel Cortez.«
»Freut mich. Sagen Sie Cortez, seit wann wissen Sie dass Sie schwul sind?«

Purer schock durchflutete mich. Was zum ...?! Mit offen stehendem Mund und absolut keinem Gedanken im Kopf starrte ich meinen Bruder an. Hatte er den Verstand verloren? Er konnte dass doch nicht einfach so-
»Seit der zweiten Klasse, Sir.«, antwortete Sam ohne mit der Wimper zu zucken. Mein Kopf schnellte zu Sam und ich war mir sicher das diese Szene nicht real sein konnte. Was?!

Lance nickte bestätigend, »Was war es? Ich wette, es war Leondardo Dicaprio in Titanic, der Ihnen die Augen geöffnet hat, nicht wahr? Der war es jedenfalls bei mir.« Ich wünschte die Luftmoleküle würden mich endlich als einen der ihren akzeptieren. Sam legte den Kopf schief, schien tatsächlich darüber nachzudenken: »Tatsächlich war es bei mir Lestat de Lioncourt aus Interview mit einem Vampier.« Lance nickte, als hätte mein Assistent ihm gerade einen guten Wein empfohlen.

Als würde er sich erinnern, dass ich auch noch existierte, drehte sich mein Bruder wieder zu mir und klopfte mir auf die Schulter, »Na dann, ich muss dann auch wieder. Machs gut, Mann. Und denk' an meinen Rat!« Mit einem beschwingten Schritt und einem Augenzwinkern, verließ er mein Büro, als wäre es sein einziges Ziel gewesen, mein Leben ein wenig aufzuwühlen. Ich sah wieder zu Sam, der bereits in den Akten blätterte, als wäre das alles gerade nicht passiert. Als er merkte, dass ich starrte, sah er wieder zu mir auf.

»Sollen wir das nächste Meeting durchgehen?«

Not your Secretary! [BxB]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt