69| Von grauen Haaren und Müttern

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Cleopatra
The Lumineers

Percy

Ich beobachtete, wie er unaufhaltsam redete, während er vor mir zu meinem Büro schritt. Er war dabei die Termine für Heute runter zu rattern und wenn er wissen würde, dass ich ihm die letzten 5 Minuten nicht mehr zugehört habe, würde er mich töten. Aber ich konnte nicht anders, als ihn einfach nur anzustarren. Seine Haare waren in den vergangenen Monaten ein wenig länger geworden, und selbst seine Augen schienen wacher zu sein. Ich wusste nicht ob es daran lag, dass wir kurz vor dem Ende des Jahres waren und die Arbeit sich endlich ein wenig zu lichten schien, aber er sah lebendiger aus. Ein Teil von mir hoffte, dass es nicht nur die vergangene Zeit war, die ihn diesen Blick in den Augen verschaffte. Ich gestattete mir die Vermutung zu hegen, dass ich auch meinen Teil dazu beigetragen hatte.

»Hörst du mir zu?«, fragte er mich, als wir meinen Schreibtisch erreichten. Ich nickte. Er sah mich skeptisch von den Akten hervor aus an und ich fragte mich, wie er aussehen würde, wenn sich irgendwann graue Strähnen durch das Schwarz seiner Haare ziehen würden. Ich wollte sehen, wie sich seine Augen veränderten, wenn die ersten Falten sie umrundeten. Räuspernd sah ich hinab auf meine Schuhe, versuchte mich nicht zu sehr in der Ideen zu verlieren. Ich kannte ihn gerade mal ein Jahr, doch jede kleine Veränderung die ich bei ihm bemerkt habe, ließ darauf hoffen, dass ich sie alle sehen würde. Das ich die Chance haben würde,  jede kleine Veränderung an ihm zu entdecken. Sam setzte seinen Vortrag fort.

Wir hatten es nie wirklich angesprochen, doch ich hatte den Plan, dass sobald ich sicher der Geschäftsführer sein würde, meine Geheimnisse der Welt offenbaren würde. Es war nur eine kurze Idee gewesen die ich vor langer Zeit mal in den Raum geworfen habe, die er mit einem Kuss überschattet hatte, doch ich war mir sicher. Nach jedem Tag sicherer als zuvor. Wenn ich eins in den letzten Wochen gelernt habe, dann das ich nicht mehr so tun will, als wäre er nur mein Assistent. Ich will nicht, dass er für immer nur einen Schritt hinter mir stand, ich wollte ihn neben mir. Mit seiner Hand in meiner.

Dieser Job war ihm heilig, und wenn ich endlich ganz oben war, würde ich dafür sorgen, dass nichts ihn von seinem Lebenswerk trennen würde. Nichtmal ich. Seine Angst, ich würde wegen ihm etwas riskieren, oder wir würden etwas verlieren, war mir durchaus bewusst. Deswegen musste ich erst jegliche Sicherheitsvorkehrungen treffen, so dass Sam nichts zu befürchten hatte, würde ich ihn endlich vor der ganzen Welt küssen.

Doch für den Moment musste ich es damit belassen, meinen Assistenten anzustarren und mir vorzustellen wie er mit grauen Haaren neben mir stehen würde. »Percy?« Blinzelnd sah ich zu ihm auf. »Bitte sag mir, dass du zugehört hast.«, flehte er und ich lächelte entschuldigend. »So lange unsere Firma nicht vor dem Ruin steht, ist doch alles gut oder nicht?« Bevor er mit seinem zeternden Vortrag beginnen konnte, schob ich mich an ihm vorbei und machte mich auf den Weg zu meinem Büro.

»Das waren überaus wichtige Information!«, begann er, als ich die Tür erreichte. Einen dummen Witz auf den Lippen betrat ich den Raum, nur um erschrocken innezuhalten, sobald ich sah was sich gerade in meinem Büro abspielte. Was zum...? Überfordert drehte ich mich zu Sam um, der mit einem Blick - welcher so viel ausdrückte wie „hab's dir ja gesagt" - in der Tür stand. Stand die Firma vielleicht wirklich vor dem Ruin?

Anders konnte ich das Bild vor mir nicht erklären. Lancelot hatte es sich in einem meiner Stühle bequem gemacht, schräg, sodass seine Füße von der Lehne baumelten. Doch das war nicht das ungewöhnlichste. Nicht mal Gwaine der mit verschränkten Armen vor meinem Schreibtisch lungerte, war der Grund für diese absurde Szene. Nein, es war der Anblick meiner Mutter.

Lorelai Moreau hatte es sich in meinem Stuhl hinter dem Schreibtisch bequem gemacht. Naja, bequem war der falsche Ausdruck. Mit ihrer ewig steifen Haltung wirkte sie sie wie eine Marionette an Fäden, die ihre Hände feinsäuberlich auf meiner Schreibtischplatte verschränkt hatte. Mit ihr hatte ich nicht gerechnet. Sollte sie nicht erst in ein paar Tagen aus ihrem Urlaub zurückkehren? Perplex schloss ich meine Runde an, »Hallo?«, begann ich und schritt in den Raum. »Wird das hier eine Art von Intervention? Weil, wenn ich mich daran erinnere, wie Lancelot's Letzte ausgegangen ist, dann-«
»Percival,« begrüßte mich meine Mutter mit ihrem üblichen erschöpften Ton.

Sie klang immer so, als wäre sie unendlich müde - aber ich glaube das war normal, wenn man 3 Söhne aufzog, von dem einer ein Junkie, ein anderer ein Teen-Dad und der älteste - die größte Enttäuschung von allen - ein narzisstischer Besserwisser geworden ist.  Sie lächelte zu mir auf, »Es ist auch schön dich zu sehen.«

Ich ließ mich neben Lancelot in einen der Sessel plumpsen, »Wie war Monaco?«
»Gut Gut. Viel zu warm für meinen Geschmack.« Sie ließ ihren Blick über mich wandern und ich wusste was folgte, »Wann hast du dir zuletzt die Haare geschnitten?« Fuchtelnd deutete sie auf mein Gesicht, »Du siehst ja aus wie ein Mädchen mit deinen langen Haaren! Oder wie ein - wie nennt man sie heutzutage? Emo?« Unbewusst fuhr ich mir die Strähnen hinter die Ohren, während Lance neben mir prustete. »Ja, unser Percival - die ewige emo-Prinzessin! Fehlen nur noch ein bisschen Eyeliner und-« Warnend sah ich zu ihm hinüber, »Oh, du brauchst gar nicht reden, mit deinen Biker-Lederjacken und deinem Möchtegern-Buzz-cut! Siehst aus als wärest du einen Schritt davon entfernt aus einem Puff-«
»Ihr seid wie zwei kleine Kinder.« meinte Gwaine genervt, und sah mit einem Augenrollen zu uns hinab, »Das ist ja abgrundtief peinlich

Mein und Lances Kopf schnellten im selben Moment zu ihm hinüber, unsere Worte ein Durcheinander in seine Richtung: »Oh, du brauchst gar nicht reden! Die meiste Zeit wirkst du wie ein-«, begann ich, bevor Lances Stimme meine übertönte. »Solltest du nicht gerade irgendwo kleinen Kindern die Seelen stehlen, oder so was? Und was ist mit -«,
»Du kannst ja nicht mal-«
»Genug!«, zischte Mom und wir verstummten. Als hätte man uns den Stecker gezogen, fielen wir unter ihrem strafenden Blick zurück in die Sessel.

»Idioten.«, raunte Gwaine und warf nochmal Öl in die Glut. »Hosenträger-Dämon!«, zischte Lance im selben Moment in dem ich ihn als einen überbezahlten Wichser betitelte. Mom fuhr sich über die Stirn, »Ich hab' euch nicht hier her befördert, um mir euer Gezeter anzuhören!«
»Was hast du erwartet?«, lachte Lance, bevor sie in mit einer Handbewegung zum schweigen brachte. Jeder von uns allein war bereits eine Strafe für die Gesellschaft, aber wir alle zusammen in einem Raum? Das endete nie gut.

Mom war eine ältere Dame, dessen braune Haare sich bereits grau in langen Strähnen über ihren Kopf zogen. Im Gegensatz zu ihren Kindern, Lance in diesem Beispiel ausgenommen, sah sie nicht aus als würde sie schon seit Jahren, ihre eigenen „kleinen" Unternehmen leiteten. Die meiste Zeit sah sie aus, wie eine typische Französischlehrerin , die einen nicht auf die Toilette gehen ließ, würde man es nicht auf französisch fragen.

In anderen Worten, sah meine Mutter nicht gerade nach dem Geld aus, das sie besaß, oder so aus als würde sie seit Jahren selbst eine riesige Modemarke führen, während sie nebenbei auch noch mit einem der reichsten Männer New Yorks verheiratet war. »Ich bin gerade erst angekommen und wollte einfach meine Jungs in einem Raum sehen! Ist das zu viel verlangt?« Definitiv. Sie erhob sich aus meinem Stuhl. »Und was ist mit Dad?«, fragte ich beiläufig. »Euer Dad ist beschäftigt.«, winkte sie ab, schien zu zögern. »Außerdem weiß er es bereits davon.«

Wir wechselten alle einen knappen Blick untereinander, bis Gwaine das Wort ergriff. »Weiß wovon bereits, Mom?«

Sie klatschte erfreut in die Hände, »Nachdem ich nach zwei Monaten endlich wieder Zuhause bin, und ihr gerade so einen Stress habt wegen der Firma, dachte ich, es wird mal Zeit für ein gemeinsames Familienessen. Um ein bisschen Harmonie wieder herzustellen, was meint ihr?« Was wir meinen? Von meiner Seite sah das aus, wie der erste Schritt zu einem Desaster in drei Akten. Sie sah in die Runde.

»Ich und meine Jungs. Mal wieder alle an einem Tisch!« Es gab kaum etwas schlimmeres.

Not your Secretary! [BxB]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt