3. Hexendart

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Ginny

Luna riecht gut. Luna riecht immer besser, je länger ich hier neben ihr sitze und mich betrinke. Wir sitzen nah beieinander, ich spüre ihren Körper warm an meiner Seite. Als Seamus von seiner Idee erzählt, nach Berlin zu ziehen, würde ich am liebsten sagen, dass ich mitziehe. Aber die Stadt zuerst zu besuchen, reicht vielleicht auch erst einmal. Und es könnte sein, dass ich die Idee morgen im nüchternen Zustand gar nicht mehr so super finde. Während Seamus von den großen Parks Berlins und den Zusammenkünften auf dem Kreuzberg schwärmt, nimmt Luna tröstend Deans Hand in ihre und irgendetwas daran gefällt mir ganz und gar nicht. Ich versuche, mich durch die Teilnahme am Gespräch davon abzulenken, doch nach einigen Minuten finde ich, dass es reicht. Jetzt möchte ICH Zeit mit Luna verbringen, schließlich bin auch ich mit ihr befreundet. Etwas rumort in meinem Bauch, habe ich schon wieder Hunger? Ich beschließe, mir gleich an der Bar ein paar Erdnüsse zu schnappen und fordere außerdem Luna zu einem Hexendartspiel heraus. Sie löst sich (endlich) von Dean und gemeinsam begeben wir uns zur Dartscheibe. Ich spiele eher selten Hexendart, denn das Spiel macht mich ehrlich gesagt immer wütend. Aber ich freue mich trotzdem, ein wenig Zeit nur mit Luna zu verbringen.
„Du fängst an.", meine ich und drücke ihr drei Pfeile in die Hand. Sie nickt und konzentriert sich. Der Witz beim Hexendart ist, dass man sich eigentlich nicht unbedingt konzentrieren muss. Man kann die eigene Leistung bei Hexendart nicht kontrollieren, es ist ein reines Glücksspiel. Denn die Scheibe, die getroffen werden soll, springt mal hierhin, mal dorthin, ohne dass es irgendwelche Anzeichen gibt, wohin sie sich bewegen wird. Und deswegen macht mich das Spiel auch aggressiv: Man kann durch Training nicht besser werden, man kann nur Glück oder Pech haben. Luna wirft und hat Glück: Ihr Pfeil landet auf der Scheibe, die diesmal nicht gesprungen ist. Nach einem kleinen Freudensprung und -ausruf taxiert Luna die Scheibe erneut und wieder trifft sie. Sogar das dritte Mal klappt es, denn die Scheibe bewegt sich nicht einen Zentimeter von der Stelle. Ich frage mich, ob sie schon Feierabend gemacht hat.
„Ich hab' ja richtig Glück heute!", meint Luna freudestrahlend nachdem sie ihre Runde beendet hat und ich freue mich mit ihr. Sobald ich jedoch meine Runde beginne, scheint die Dartscheibe ihre Pause beendet zu haben und springt dreist hin und her, sodass kein einziger meiner Pfeile auch nur in die Nähe ihres Ziels kommen. Dabei lacht die Scheibe auch noch höhnisch auf und wirft mir freche Sprüche entgegen. Mit jedem Wurf werde ich, durch den Alkohol in meinem Blut befeuert, zorniger.
„Wenn du das Spiel nicht magst, können wir uns auch wieder hinsetzen.", sagt Luna nachdem ich mit einem wütenden Aufschrei meinen dritten Wurf verkacke. Schnaubend blicke ich sie an und ihr offene Art beruhigt mich ein wenig. Ich atme durch.
„Nein. Schon gut. Ich muss mich... einfach zusammenreißen.", presse ich zwischen den Zähnen hindurch und bin froh, dass sie als nächstes dran ist.
Während sie erneut jeden Pfeil versenkt, verfluche ich innerlich diese unparteiische Scheiß-Hexendartscheibe. Ich kann meinen Kampfgeist nur schwer unterdrücken, dadurch bin ich zwar eine gute Sportlerin, aber keine gute Spielgegnerin in der Freizeit. Vor allem nicht, wenn meine Gegnerin die sanftmütige Luna ist, die kein Interesse daran hat, um jeden Preis zu gewinnen. Während sie dennoch gewinnt, versuche ich mein Temperament zu zügeln. Nach drei Runden bin ich jedoch so außer mir, dass sie mich quasi zwingt zurück zum Tisch zu gehen. Also das hätte eindeutig besser laufen können. Verbittert kippe ich einen Shot explodierenden Schnappaschnaps und langsam beruhige ich mich wieder. Die Jungs schwelgen inzwischen in alten Erinnerungen und lachen sich schlapp über Harrys und Rons beklopptes Verhalten auf dem Winterball im vierten Schuljahr. Um runterzukommen, höre ich den anderen zu und atme tief ein und aus. Diesmal hat Luna meine Hand statt die von Dean genommen, um mir beim auf den Teppich kommen zu helfen. Die Berührung fühlt sich gut an. Etwas beschämt ob meines unkontrollierten Verhaltens, schaue ich sie erst einmal nicht an, doch nach einer Weile traue ich mich wieder ihren Blick zu suchen.
„Sorry,", murmele ich dann, „ich habe mich unmöglich benommen." Doch sie lächelt nur. „Gewinnen ist dir halt wichtig. Aber du solltest hier vielleicht kein Hexendart mehr spielen. Ich glaube, die Scheibe mag dich nicht besonders." Und damit hat Luna wahrscheinlich sogar recht. Ich lege meinen Kopf auf ihre Schulter, hinter meiner Stirn ein leichtes Drehen.
„Es ist schön mit dir.", sage ich, „Lass uns das öfter machen." Sie streicht mit ihrer freien Hand über meine Wange.
„Gerne. Ich bin froh, dass du wieder du selbst bist." Ich bin auch froh, dass ich wieder ich selbst bin, denke ich und betrunken lege ich meinen Kopf von ihrer Schulter auf den Tisch. Von hier kann ich sie betrachten und es gefällt mir, dass sie mir dabei erneut über die Wange streicht und ihr Blick über mein Gesicht streift. So sitzen wir lange da, bis Madam Rosmerta die Glocke für die letzte Runde läutet und unsere Gruppe sich schlingernd auf den Heimweg macht.

Harry

Irgendetwas bringt mich dazu, das Innere des Pubs nach meinen Freunden zu durchsuchen, bevor ich eintrete. Meine Intuition hat mich dadurch bewahrt, Ginny in die Arme zu laufen. Wütend starre ich auf den Tisch, an dem sie alle sitzen und sich anscheinend grade köstlich amüsieren. Ich stelle mir vor, dass es Absicht war, dass sie uns mal wieder zusammenführen wollten, schließlich ist die Trennung ja nun lang genug her. Und irgendwann müssen wir uns wieder in einem Raum aufhalten können, denn Ginny und ich waren uns einig, dass unsere Freunde sich nicht zwischen uns entscheiden sollen. Aber ich merke, dass ich einfach noch nicht bereit bin. Ich brauche noch Zeit. Also versuche ich, meine Wut hinunter zu schlucken und überlege, was ich stattdessen tun kann. Währenddessen beobachte ich, wie Ginny Luna zur Hexendartscheibe führt und lache spöttisch auf; die beiden werden gleich ganz viel Spaß miteinander haben. Das letzte Mal, als ich mit ihr Hexendart spielte, habe ich am Ende die Scheibe vor einer wutschnaubenden Ginny retten müssen und wir wurden aus dem Pub geworfen. Mit meinen Händen in den Jackentaschen vergraben, kann ich nicht umhin, das Schauspiel weiter zu beobachten. Es tut gut, nicht neben ihr zu stehen, sondern das ganze mit sicherem Abstand zu verfolgen. ‚Wie symbolisch.', denke ich dann, denn genau so ist es: Ginny ist mir immer noch wichtig und ich liebe sie immer noch, aber mit Abstand geht es uns beiden besser. Nicht, dass es uns wirklich schlecht in der Beziehung ergangen ist, eigentlich ist sie am Ende nur so ausgelaufen, aber wer möchte schon eine auslaufende Beziehung? Trotzdem war der Bruch hart und ich habe viel geweint und mich verkrochen. Ron und Hermine erzählten mir, dass es ihr genauso ging. Seit ein paar Tagen geht es mir jedoch besser und ich hatte mich darauf gefreut, heute endlich mal wieder rauszukommen.
„Ich hätte ja nicht gedacht, dass der Held der Nation lieber als Spanner vor dem Pub steht, statt mit seiner liebreizenden Freundin Hexendart zu spielen.", höre ich eine mir gut bekannte Stimme hinter mir.
„'N Abend, Malfoy.", grüße ich meinen ehemaligen Erzfeind, ohne mich umzudrehen. Ich merke wie er neben mich tritt und komischerweise ist es in Ordnung für mich.
„Salazar, ich hasse dieses Spiel.", kommentiert der Blonde die hin- und herspringende Scheibe und Ginnys eindeutige Wut auf das Geschehen. Ohne dass ich es kontrollieren kann, bricht ein Lachen aus mir heraus, denn ich kann mir nur zu gut vorstellen, wie Malfoy auf dieselbe Art Hexendart spielt wie Ginny. Dabei blicke ich zu ihm und sehe, wie ein zufriedenes Schmunzeln an seinen Lippen zupft.
„Lust auf 'nen Drink, Potter?"

FlammenrotWhere stories live. Discover now