4. Neu kennenlernen

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Draco

Mein Herz schlägt aufgeregt von innen gegen meine Rippen, als ich in Potters grüne Augen blicke und auf seine Antwort warte. Er war für mich schon immer unergründlich, ich habe keine Ahnung was er denkt. Sein Blick gleitet wieder zur Weasley, die gerade zum wiederholten Mal ihren Wurf verhaut. Nur dabei zuzusehen macht mich wütend. Ich habe nicht übertrieben, ich hasse dieses Spiel.
„Es sei denn, du hast Lust, den Rest des Abends mit... einer Furie zu verbringen.", meine ich mit belustigtem Unterton und hoffe gleichzeitig nicht zu weit gegangen zu sein. Schließlich rede ich von seiner Partnerin. Und auch, wenn ich meine bissige Art aus der Jugend beibehalten habe, so versuche ich doch inzwischen meine Zunge etwas zu zügeln. Zu meiner Überraschung gluckst Potter erneut auf.
„Puh, also darauf habe ich nun wirklich gar keine Lust." Er zupft an meinem Ärmel, was eine so unschuldige und freundschaftliche Geste darstellt, dass ich ihn komplett verdattert anschaue.
„Komm, im Tropfenden Kessel ist der Feuerwhisky eh besser als hier.", lügt er. „Und die Hexendartscheibe dort ist vielleicht auch weniger parteiisch." Dabei zwinkert er mir zu und macht sich auf den Weg zur Appariergrenze. Vollkommen überrumpelt bleibe ich kurz stehen, bis mein Gehirn realisiert, was soeben passiert ist und meinen Füßen endlich den Befehl zum Laufen gibt. Während ich ihn einhole, frage ich mich, warum er überhaupt draußen stand, anstatt mit seinen heldenhaften Freunden und seiner Freundin den Abend im Inneren des „Drei Besen" zu verbringen.
„Potter,...", hebe ich deshalb zu fragen an, doch in dem Moment kommen wir an der Grenze an und ganz selbstverständlich hält er mir den Ellenbogen zum Seit-an-Seit-Apparieren hin. Kurz frage ich mich, wann sich hier die Rollen vertauscht haben; war nicht ich auf ihn zugegangen, hatte nicht ich anfangs die Kontrolle gehabt? Doch erneut ziehen mich seine Augen in den Bann und ich hake mich wie ferngesteuert bei ihm ein. Verdammt, Potter macht mich fertig, ein Stromschlag durchfährt mich, sobald er mich etwas näher zu sich zieht. Ich beiße die Zähne zusammen und versuche tief durch die Nase ein- und auszuatmen, um mich zu beruhigen. Schließlich muss ich ihm ja nicht zeigen, welche Wirkung seine Nähe auf mich hat.
„Bereit?", fragt er und ich nicke.


Harry

Ich hätte niemals gedacht, dass ich froh über Malfoys Gesellschaft sein könnte. Ach was, „froh", ich amüsiere mich prächtig. So prächtig, dass ich mich mehrfach vor Lachen am Whisky verschluckt habe.
„Ich habe nicht geahnt, dass du Humor hast, Potter.", kommentiert er mein viertes Malheur dieser Art und ich verdrehe die Augen.
„Nicht, dass du vorher jemals witzige Sachen zu mir gesagt hast.", meine ich trocken.
Er grinst süffisant.
„Naja, sagen wir mal so, meine Vorstellung von Humor hat sich die letzten Jahre geändert. Ich bin eindeutig weniger...", er sucht nach einem passenden Wort.
„Schadenfreudig?", untertreibe ich. Malfoy lacht kurz auf.
„Ja. Genau. Schadenfreudig.", bestätigt er dann mit einer hochgezogenen Augenbraue.
„Wie kommt der plötzliche Sinneswandel, Malfoy?", frage ich neugierig. Er dreht sein Glas in den Händen, was ich bei jeder anderen Person als Zeichen von Nervosität gedeutet hätte, aber ein Malfoy ist niemals nervös. Dachte ich jedenfalls. Er räuspert sich und schaut mir verlegen in die Augen.
„Der Krieg hat mich verändert.", sagt er dann leise, den Blick wieder gesenkt. Mein Herz hüpft bei diesem neuen Anblick. Er zeigt sich nervös und verletzlich. Ausgerechnet mir gegenüber, seinem größten Widersacher.
„Ich... ich habe viel nachgedacht, ich musste diese Gerichtsprozesse durchleben, mein Vater ist immer noch in Azkaban. Dadurch habe ich Luft zum Atmen bekommen, weißt du." Ich nicke. Ich verstehe, was er meint. Seitdem all das vorbei ist, habe ich ebenfalls das Gefühl, endlich wieder frei atmen zu können.
„Danke übrigens, dass du für mich und meine Mutter ausgesagt hast. Ohne deine Aussage wären wir sicherlich auch im Gefängnis gelandet.", meint er nun noch leiser. Ich weiß, dass Malfoy sich selten bedankt. Und er legt noch einen drauf:
„Und ich wollte mich außerdem... entschuldigen für mein Verhalten dir gegenüber. Das muss ich auch noch bei Granger und... Weasley machen." Ich merke, dass er vor Rons Namen kurz zögert und rechne es ihm hoch an, dass er beide nennt. Aus einem Reflex heraus klopfe ich ihm kurz auf die Schulter.
„Verziehen.", meine ich dabei. Er zuckt etwas zusammen und schnell ziehe ich meine Hand zurück. ‚Seine Schulter hat sich gut angefühlt.', denke ich und erschrecke mich sofort über diesen abstrusen Gedanken. Malfoys Schulter hat sich nicht gut anzufühlen unter meiner Hand.
„Ich bin beeindruckt, Malfoy.", sage ich dann schnell, um den unangenehmen Moment zu überspielen, „Womit habe ich eine Danksagung und eine Entschuldigung am selben Abend verdient?"
„Wenn nicht der Retter der magischen Welt, wer dann?", schmunzelt er.
„Wie gut, dass du dich dann auch bei Hermine und Ron bedanken und entschuldigen wirst, schließlich hätte ich nicht einmal das erste Schuljahr ohne die beiden überlebt."
„Reiz es nicht aus, Potter, entschuldigen, ja, bedanken ist dann doch zu viel verlangt." Dabei hat seine Stimme wieder den bissigen Tonfall angenommen, den ich aus der Schule kenne und fast bin ich erleichtert, dass diese Seite immer noch an ihm existiert. Aber ich bin aus der Übung im Kontern und nippe deshalb nur schweigend an meinem Feuerwhiskey, der, wie der Name schon sagt, meine Innereien verbrennt.
Malfoy seufzt.
„Und wie geht es dir?", fragt er aufrichtig.
„Die Frage stellt man normalerweise am Anfang einer Begegnung.", antworte ich flapsig und schiebe dann eine ehrliche Antwort hinterher. „Ganz okay. Ginny und ich haben uns getrennt und das war anfangs ziemlich hart. Aber seit ein paar Tagen geht's wieder." Seine grauen Augen mustern mich. Kühl, unergründlich.
„Deswegen hast du also keinen Fuß in den Pub gesetzt. Ich dachte, dass wäre nur auf Grund des Spiels." Ich schüttele den Kopf.
„Nein, ich habe sie das erste Mal seit der Trennung wieder gesehen. Ich war nicht vorbereitet, ich wusste nicht, dass sie dort sein würde." Diesmal klopft er mir auf die Schulter, tröstend. Und meine Schulter kribbelt bei seiner Berührung. Was habe ich heute nur mit Schultern?
Ich atme tief ein und wechsele das Thema zurück zur Ausgangsfrage: „Aber sonst geht es mir gut. Ich verstehe, was du mit Luft zum Atmen meintest. Seit dem Ende des Krieges ist eine riesige Last von meinen Schultern gefallen. Das Jahr danach war schrecklich, manchmal ist es das immer noch...", kurz stoppe ich, ich weiß nicht, ob ich wirklich so sehr ins Detail gehen sollte. Doch Malfoy schaut mich interessiert an, sein Blick auf meine Lippen geheftet.
„Ich vermisse die Gefallenen sehr. Das kann mir manche Tage kosten. Aber irgendwie... irgendwie bin ich trotzdem freier. Ich bin kein Spielstein mehr.", beende ich meinen Gefühlsausbruch.
„Du bist ganz anders, als ich dachte, Potter.", sagt er nach einer kurzen Pause.
„Wie denn?"
„Weich, warm und witzig." Dabei taxieren seine Augen schon wieder meine Lippen und ich beginne mich zu fragen, warum er so fasziniert von meinen Lippen ist.
„Ach, und du dachtest ich sei hart, kalt und langweilig?", drehe ich seine Worte um und realisiere erst danach, was ich gesagt habe.
„Also... hart konnte ich aus der Distanz nun wirklich nicht beurteilen.", raunt er mit heiserer Stimme und einem zweideutigen Blick nach unten. Ich kippe fast vom Barhocker, als ich erkenne, dass Malfoy mit mir flirtet.


FlammenrotWhere stories live. Discover now