Baumgeister

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Ginny

Als wir aus der Tür treten begrüßt uns klare Luft und warmer Sonnenschein.
„Perfekt.", strahlt Luna mit der Sonne um die Wette, „Baumgeister lieben Sonne." Ich freue mich mit ihr, auch wenn ich mich frage, ob ich die Geister überhaupt zu Gesicht bekommen werde. Als ich Luna kennenlernte, dachte ich, dass sie spinnt, wenn sie von all diesen Wesen erzählte, die angeblich hier und da hausen. Aber mit der Zeit habe ich gelernt, dass sie einfach mehr wahrnimmt, als die meisten Menschen. Sie hat so eine Art sechsten Sinn für Wesen, die unsere Welt bevölkern und die sich gut vor dem Rest von uns verstecken. Kein Wunder, wäre ich ein Baumgeist, würde ich mich auch lieber vor Menschen verstecken, wir haben schließlich nicht den besten Ruf.

Luna streckt mir ihren Arm hin und ich hake mich ein. Kurz darauf taucht vor uns eine riesige sonnenüberflutete Lichtung auf, umgeben von einem Wald aus Birken. Die Sonnenstrahlen fallen auch dort auf den Waldboden durch die Äste, an denen die ersten zarten Blätter sprießen. Die Lichtung ist ein Meer aus Krokussen, Osterglocken und blauen kleinen Blümchen. Es fühlt sich an, als befänden wir uns in einem kitschigen Gemälde, fehlt nur noch, dass ein singendes Einhorn von rechts nach links schreitet. Oder ein paar Feen aus den Büschen auftauchen, die den Rand der Wiese säumen. Ich muss mir mein Grinsen verkneifen. Also wenn wir irgendwo Baumgeister finden sollten, dann ganz bestimmt hier.

„Ist es nicht schön hier?", fragt Luna und guckt mich abwartend an. Ich lächele.

„Ja.", sage ich dann, denn auch wenn es kitschig ist – schön ist es trotzdem. Vor allem, weil ich mit ihr hier sein kann.

„Baumer," (so heißen die Baumgeister, die wir suchen, anscheinend) „,bewohnen immer die ältesten Bäume am Rande einer Waldlichtung, also müssen wir schauen, welche hier die dicksten Bäume sind. Wenn sie gerade nicht brüten, verstecken sie sich in den Stämmen, wir müssen dann also Röntgenzauber anwenden, um sie ausfindig zu machen.", erklärt Luna und es ist das erste Mal, dass ich sie in einem geschäftlichen Tonfall sprechen höre.

„Was recherchierst du denn heute eigentlich genau?", frage ich.

„Ich möchte versuchen, mit einem Baumer ins Gespräch zu kommen, um herauszufinden, ob sie auch in Städten aufzufinden sind, was ihre Nahrung ist... so was halt." Das Glitzern in ihren Augen zeigt ihre Vorfreude.

„Welche Sprache sprechen sie?", frage ich erstaunt, denn ich habe irgendwie nicht erwartet, dass Baumer sprechen können.

„Ghosisch. Ich kenne einen guten Übersetzungszauber.", meint Luna und ihr Blick schweift währenddessen schon konzentriert über die Bäume um uns.

„Du gehst nach rechts, ich nach links, in Ordnung?", weist sie mich an und ein kleines Kribbeln in meinem Magen zeigt mir, dass ich dieser bossy Seite von Luna sehr viel abgewinne. 

Ich nicke, ziehe sie reflexartig in eine kurze Umarmung und folge ihrer Anweisung. Unter meinen Füßen knacken kleine Äste und fröhlich atme ich die kühle Frühlingsluft ein, während ich die Durchmesser der dicksten Bäume mit einem heraufbeschworenen Maßband messe, und die Zahlen danach in einem glitzernden Silber auf die Stämme zaubere. Als wir uns auf der anderen Seite der Lichtung wieder treffen, entscheiden wir uns, zuerst zu einen Baum zu kontrollieren, der auf Lunas Seite war, da dieser den dicksten Umfang aufgewiesen hat. Schweigend stapfen wir dorthin. Ich kann nicht leugnen, dass ich etwas aufgeregt bin. Vielleicht werde ich die Baumer ja tatsächlich sehen können?

„Perlucidus.", sagt Luna laut und deutlich und macht einen komplexen Schwenker mit ihrem Zauberstab. 

Der Stamm vor uns wird komplett durchsichtig, er sieht aus, als wäre er aus Glas. Enttäuschung durchflutet mich, als ich nichts erkenne, während Luna begleitet von einem freudigen Ton in die Hände klatscht.

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⏰ Last updated: Jan 13 ⏰

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FlammenrotWhere stories live. Discover now