Kapitel 3

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Ich wehrte mich nicht, als der Boden unter mir nach und nach nachgab. Auch nicht dann, als knochige Hände aus dem Boden ragten und sich nach mir ausstreckten. Nur verschwommen sah ich dabei zu, wie diese verkohlten, fast nur noch aus Skelett bestehenden Untoten nach mir griffen. Eine Hand packte nach meinem Knöchel, woraufhin die Jubelrufe um mich herum ins unermessliche anstiegen. Ergeben schloss ich meine Augen, ließ an mir zerren, bis eine Erschütterung dafür sorgte, dass ich sie ein weiteres mal öffnete.

Das Wesen, das über mir aufragte, packte die Hand an meinem Knöchel und trat auf die Untoten, als wären sie nicht mehr als Insekten. Den Tod erwartend sah ich zu dem schwarzen Wesen hoch und spürte Neid, als ich die ledrigen Flügel an seinem Rücken sah.

Doch der Tod, den ich erwartete, trat nicht ein. Stattdessen verstummten die Zuschauer auf ihren Podesten, als dieses geflügelte große Wesen sanft nach mir griff. Als wollte es mir nicht weh tun.
Ich wünschte ich hätte mehr tun können. Ich wünschte ich hätte mich widersetzen und in die Arme der Untoten fallen können, um endlich zu sterben. Aber stattdessen konnte ich nur zulassen, dass meine tränenübersäte Wange sich an die kalte Schulter des Wesens schmiegte, während er mich mit einer Hand an seinen Körper gepresst fest hielt und der anderen sein Schwert nach vorne richtete und ohne zu zögern die Untoten beseitigte, die es zu weit hoch wagten. Sie versuchten noch immer nach mir zu greifen. Doch das Wesen hielt mich einfach fest und lief über die Untoten hinweg. Ignorierte ihre Hände, die selbst begannen nach ihm zu greifen und stieß nur jene weg, die nach mir griffen.
Und noch immer war die Stille der Zuschauer unüberhörbar. Man hätte meinen müssen, dass sie erzürnt darüber waren, dass ihnen die Schau gestohlen wurde. Aber stattdessen war die Luft von Furcht und Angst erfüllt.
Tief in mir wusste ich, dass es diesem Wesen galt.
Jenem Wesen, welches mich fort brachte von den Untoten und den Zuschauern.

Mit jedem Schritt wurde mir immer bewusster, dass ich Koa nie mehr sehen würde. Mit jedem Schritt wurde mir bewusst, dass die Wärme meiner Mutter und der Stolz meines Vaters nie mehr Teil meines Lebens sein würden.

Ich werde nie mehr fliegen können.

Die Tränen strömten über meine Wange. Unbarmherzig begleiteten sie mich den gesamten Weg, den dieses Wesen mit mir zurück legte. Selbst dann, als er mich auf einem warmen Boden absetzte, zu Füßen eines Thrones.

Stillschweigend ragte er über mir auf und sah mich emotionslos an, während seine Hände zu Fäusten geballt waren.

Dann. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, kehrte er mir den Rücken zu und verschwand. Ein Wimmern drang aus meiner Kehle, als der ziehende Schmerz in meinem Rücken mich daran erinnerte, was mir fehlte. Irgendwann legte ich mich auf den Steinboden, schloss meine geschwollenen Augen und versuchte die Schmerzen zu verdrängen, die ich hatte. Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, dass ich dabei keine Hoffnung hatte, dass ich aufwachen und das einer dieser Albträume war, an die ich mich nicht erinnerte.

~~~

Ich zitterte, obwohl mir warm war. Stunden mussten vergangen sein, in denen ich hier auf dem Boden lag und mich weder bewegt hatte, noch von irgendjemandem gestört wurde. Es war als wäre dieser Ort wie leergefegt.
Nach einer Weile versuchte ich mich aufzurichten, trotz der Schmerzen in meinem Rücken. Ich krallte mich an der Steinwand fest, zog mich auf die Beine und versuchte einen Schritt nach vorne zu setzten nur, um im nächsten Moment unsanft wieder hinzufallen. Ohne meine Flügel hatte ich kein Gefühl mehr zu meinem eigenen Körper. Mein Gleichgewichtssinn war gestört und so hatte ich keine Wahl, als mich wieder auf den Boden zu kauern.

Irgendwann, nachdem ich abermals nach etlichen Tränen eingeschlafen war, erklangen schwere Schritte in der offenen Halle. Aus halbgeschlossenen Augen sah ich zu der Richtung aus der die Schritte kamen und entdeckte eine Person, die auf mich zukam. Seine Schritte waren geschmeidig und fest, als würde ihm die Welt gehören. Er blieb vor mir stehen und beugte sich herab, woraufhin ich augenblicklich zurück wich.
Dunkles Haar fiel ihm über seine Stirn und verlieh seinen fast schwarzen Augen eine tiefere Härte. Sein Auftreten veranlasste mich zur Flucht und faszinierte mich dennoch soweit, dass ich erstmal nicht zurück wich, als er seine Hand nach mir ausstreckte.

Erst, als er es wagte mich zu berühren, stieß ich seine Hand weg und presste mich mit dem Rücken gegen die Steinwand, nur um im nächsten Moment aufzuschreien.

Ich konnte mich nicht wehren, er griff einfach nach mir und drehte mich um. Sein Daumen fuhr entlang meiner Wirbelsäule, befühlte meine geschundene Haut. >>Bitte nicht.<< flehte ich wispernd und holte erleichtert Atem, als er seine Hand sinken ließ.

>>Ich kann die Schmerzen erträglicher machen.<< drang seine tiefe Stimme durch die Halle. >>Warum lebe ich noch?<< fragte ich stattdessen. Er schwieg. Fuhr stattdessen abermals über meinen Rücken, woraufhin ich ihn wütend von mir stieß. >>Fass mich nicht an!<<

Ich sah Schmerz über seine Züge huschen, bevor er nickte. >>Wie du möchtest.<<

Mit diesen Worten verschwand er und ließ mich allein zurück. Ich wollte es so. Es war besser so.
Mit diesem Gedanken legte ich mich abermals auf den Boden. Darauf bedacht meinen Rücken zu schonen.

~~~

Er hatte meine Proteste ignoriert. Mein Rücken war verbunden und fühlte sich angenehm kühl an, während mein Körper in weiche Laken geschmiegt war. Ich wollte aufstehen, mir das Verband vom Leib reißen und ihnen beweisen, dass ich einen eigenen Willen hatte.
Und doch war die Erschöpfung viel zu groß.
Alles zu dem ich fähig war, war mich in die Laken zu schmiegen und meine schwerfälligen Augen zu schließen, um in eine Welt einzutauchen, in der alles war wie immer. Auch wenn es bedeutete abermals zu Leiden, wenn ich meine Augen aufschlug und die Realität viel zu echt war.
Ich war zu erschöpft und zu verloren, als dass ich mich gegen diesen angenehmen Schlafsog hätte wehren können.

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