Die Ruhe vor dem Sturm

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Es war später Abend, als Kai auf ihrem Balkon stand und über Port Royal hinwegblickte. Die Nachricht, dass Captain Jack Sparrow gefangen genommen wurde, hatte sich schnell herumgesprochen und Kai kam nicht über den Gedanken hinweg, dass sie womöglich Schuld an seiner Gefangenname trug.

Sie wusste nicht, wieso sie sich so miserabel fühlte. Vermutlich wollte sie die romantische Ansicht, die sie von Piraten hatte, nicht aufgeben.

Ihre Zofen hatte sie schon vor Stunden weggeschickt. Deren Mitleid hatte ihr schnell beim Hals rausgehangen.

Keiner verstand, warum sie nicht traumatisiert war und sich in einer Ecke verkroch. Kai wiederum verstand nicht, wieso sie Angst haben sollte, wenn sie nie in Gefahr gewesen war.

Der Sprung von der Brüstung war weitaus gefährlicher gewesen als die einzelne Kugel in der Pistole des Piraten.

Ein Seufzer verließ Kais Lippen als sie zu ihrer Kommode linste. Das Wetter war von traumhaftschön zu trüb übergegangen und Kai überlegte, ob es nicht vielleicht sogar regnen könnte.

So oder so wollte sie sichergehen, dass Will nichts passiert war und vielleicht würde sie Antworten zu Jacks Gefangenname bekommen. Schließlich hatte sie den Piraten direkt zu Will geführt.

Leise, um ja kein Personal zu alarmieren, streifte Kai sich ihr Kleid ab und öffnete eine Lade ihrer Kommode. Sie zog die Kleidung daraus hervor und warf sie auf den Boden. Danach öffnete sie den doppelten Boden der Lade und zog das eigentliche Objekt ihrer Begierde hervor.

Die kleine Männerkleidung hatte Kai vor Jahren versteckt und benutzte sie, um sich hin und wieder aus dem Haus zu schleichen.

Hose und Hemd waren wesentlich unauffälliger als ein buntes Kleid. Und obwohl Kai eine geübte Kletterin war, wollte sie nicht in ihrem Nachthemd den Weg nach unten antreten.

Geübt schlüpfte Kai in die braune Hose und das weiße Hemd. Danach zog sie sich noch ihre braunen Stiefel an und kletterte über das Geländer ihres Balkons.

Kai kletterte die Hauswand nach unten und schlich durch den Garten zum Tor. Sobald sie vom Grundstück ihres Vaters runter war, wurde sie wieder schneller und joggte die Gassen entlang. Sie kannte den Weg zur Waffenschmiede auswendig, weswegen sie auch mit verbundenen Augen hingefunden hätte. Als sie immer näher zum Hafen kam, überfiel Kai ein mulmiges Gefühl.

Sie blieb stehen und betrachtete ihren Schatten, der an eine Häuserwand geworfen wurde. Er wurde immer blasser und als sie aufblickte, sah sie wie der Himmel sich immer mehr verdunkelte.

Wäre da nicht dieses Gefühl in ihr, würde sie denken, dass es anfing zu regnen. Doch die Stille die sich in Port Royal verbreitete, verhieß etwas anderes.

Es war wie die Ruhe vor dem Sturm.

Unsicher blickte Kai über ihre Schulter, konnte aber nichts erkennen. Überall war gar nichts und dennoch war genau diese Leere der Grund für ihre Paranoia. Es fühlte sich so an, wie das Gefühl, dass sie bei der Überfahrt von England vor acht Jahren gehabt hatte. Nur sehr viel schlimmer.

Ein Nebel breitete sich in den Gassen aus und Kai beschloss schnellstens zur Waffenschmiede zu rennen.

So schnell wie ihre Beine konnten, rannte sie die letzten Gassen entlang und machte schließlich eine Vollbremsung vor der Schmiede.

Sie öffnete die Hintertür und trat in das Gebäude.

„Will?", fragte sie leise und schaute sich um.

Dieser kam um eine Ecke und musterte sie verwirrt. „Kai? Was machst du hier?"

Er kam auf sie zu und legte eine seiner Hände auf ihrer Schulter ab.

Sie blickte auf in seine braunen Augen und schluckte.

„Ich wollte nach dir sehen. Wegen Sparrow. Aber ich habe plötzlich das Gefühl, dass irgendwas nicht stimmt."

Will presste seine Lippen zusammen und musterte sie kurz, bevor er einmal ihre Schulter drückte und zugab: „Geht mir genauso."

Kai fühlte sich gleichzeitig bestärkt und noch mieser. Sie war nicht allein mit diesem Gefühl, aber ein Teil von ihr hätte sich gewünscht, dass Will sie belächelt und „Du bildest dir das nur ein" gesagt hätte.

Ein dumpfes Geräusch ließ beide erstarren. Und als dann ein lauter Knall ertönte, zuckten Will und Kai zusammen. Kai erkannte sofort die Kanonenschüsse und starrte Will mit schreckgeweiteten Augen an.

Der reagierte schneller als Kai und wirbelte schon herum. Schnell griff er nach einer Axt und einem Schwert und drehte sich dann wieder zu ihr um.

„Du bleibst hier!"

Kai öffnete schon ihren Mund, um zu widersprechen, doch Will wartete sie gar nicht ab. Er war aus der Tür draußen, bevor Kai auch nur ein Wort herausgebracht hatte.

Kai griff auch nach einem Schwert, welches sie fest umklammerte, und blickte danach zur Tür. Sie wusste, dass sie nicht einmal halb so gut kämpfen konnte wie Will, denn dieser trainierte täglich. Sie konnte nur die Grundlagen, aber dort draußen starben unschuldige Menschen. Sie musste doch irgendwas tun!

Noch dazu musste sie zurück zu Elizabeth. Sie war in der Waffenschmiede nicht sicherer als irgendwo anders und ihre kleine Schwester war in der großen Villa wie auf dem Silbertablett serviert.

Kai holte noch einmal tief Luft, bevor sie auch aus der Schmiede stürmte.

Kurz war sie überfordert. Das Knallen der Kanonenkugeln und die Schreie der Menschen raubten ihr die Orientierung, doch sie fing sich wieder.

Sie musste sich auf eines nach dem anderen konzentrieren. Wie zum Beispiel auf den Piraten, der gerade nach einem am Boden liegenden Mann ausholte.

Schnell stürmte Kai auf den Piraten zu und warf sich gegen ihn. Der dürre Pirat holte nach ihr aus, doch sie schaffte es mit ihrem eigenen Schwert zu parieren. Ihr Arm schmerzte von der Wucht, aber sie biss die Zähne zusammen, trat nach dem Piraten und als der sich wegduckte, traf sie ihm mit dem Schwert am Hals.

Sie wandte sich von dem zusammensackenden Piraten ab und half dem jungen Mann auf die Beine. „Bring dich und so viele wie möglich in Sicherheit!", befahl Kai und wirbelte schon wieder herum.

Sie wich einem anderen Piraten aus, stürzte aber und verlor das Schwert.

„Hallo, Hübsche.", grinste der Pirat dreckig und holte mit seinem Beil aus. Kai wurde wütend über den Spitznamen, rollte sich im letzten Moment zur Seite und eine Kanonenkugel traf den Piraten in der Brust.

Schwer keuchend, griff Kai nach dem Schwert, welches sie zuvor verloren hatte und richtete sich wieder auf.

Kai half einer Familie in ein Haus hinein und rannte dann weiter, blieb aber stehen, als sie ihre Schwester entdeckte.

Elizabeth wurde von Piraten Richtung Hafen gezerrt. Kai rannte los. Sie würde nicht kampflos zulassen, dass ihre kleine Schwester entführt wurde.

Doch ein weiterer Knall direkt über ihr, stoppte sie. Eine Kanonenkugel war in das Haus über ihr eingeschlagen und Teile der Mauer neigten sich schon nach vorne.

Kai schaffte es gerade noch rechtzeitig aus dem Weg zu springen, um nicht unter dem Geröll erschlagen zu werden, jedoch schlug sie hart mit dem Kopf am Boden auf.

Sie kämpfte gegen die Bewusstlosigkeit an, doch sie konnte keinen Kampf gewinnen, der nur ein mögliches Ende hatte.

~~~

Die Sonne war schon aufgegangen, als Kai wieder zu sich kam. Sie richtete sich stöhnend auf und presste eine Hand gegen ihre Schläfe als sie auf das offene Meer blickte.

Das Piratenschiff und somit auch ihre Schwester waren weg.

Kai drehte sich sofort um, um so schnell wie möglich zu der Festung zu gelangen. Dort wären Norrington und seine Männer. Dort wurden vermutlich gerade Suchtrupps zusammengestellt und Kai würde einen dieser Trupps begleiten!

Golden Cage (Pirates of the Caribbean FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt