Kapitel 8

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Ich würde nie wieder Alkohol trinken. Als ich endlich aufgewacht war, war es bereits ein Uhr nachmittags. Mir tat mein Kopf fürchterlich weh vom Kater und mein Rücken vom auf dem Boden schlafen. Um genau zu sein, fand ich mich um ein Uhr sechs auf dem Grund meines Wohnzimmers wieder mit üblen Kopfschmerzen und einigen Glas Scherben neben mir liegend, wahrscheinlich die Weinflasche. Auf meinem Teppich befand sich ein großer Weinfleck, dunkelrot färbte er meinen beigen Zottelteppich. Mühsam stand ich auf und taumelte erstmal ins Badezimmer. Man, sah ich beschissen aus. Immernoch wie im Tiefschlaf spülte ich mein Gesicht erstmal ordentlich ab. Immerhin sorgte das für etwas Frische. Dann stolperte ich unter die Dusche. Es war mir egal, dass ich nur Kleidung anhatte. Viel wichtiger war für mich die kühlung meines schmerzenden Kopfes und die wundervolle Abwechslung zu dieser Müdigkeit.

Nach dem Duschen ging ich zurück ins Wohnzimmer, und bemerkte, dass ich 12 neue Anrufe während meines Rausch aus schlafens bekommen hatte. Schnell ging ich die Nummern durch. Fünfmal Emma, dreimal Rusch, dreimal mein Bruder, einmal Chajeu. Oh Gott Chajeu! Warum rief der mich denn bitte an?! Hektisch blickte ich auf mein Handy. Scheiße! Ich hätte schon vor fünf Stunden bei der Arbeit sein sollen! Fuck fuck fuck fuck fuck! Warum passierte immer mir sowas? Panisch rief ich Chajeu zurück. Geh ran, geh ran, geh ran! Nach dem fünften piepen ging mein Chef endlich ran. "Oh ähm hallo, tut mir leid, dass ich noch nicht da bin, ich ähm hatte einen dringend Notfall.", sprudelte es nur so aus mir heraus. Ich hasste Lügen wirklich, aber das war eine dringende Notlüge. Mein Chef erwiderte genervt: "Können Sie nicht einfach kurz Bescheid geben, wenn soetwas ist. Wir haben uns ernsthaft Sorgen um Sie gemacht. Ich war kurz davor ein paar Leute da zu dir rüber zu schicken um die Tür einzutreten. Wir dachten es wäre sonst irgendwas mit ihnen passiert! Beispielsweise dass Sie ohnmächtig irgendwo rumlägen oder entführt wurden! Also ehrlich, ihre Freundin hat sogar bereits ihren Bruder informiert, ob der wüsste, wo Sie sich aufhalten. Was hatten Sie überhaupt für ein Notfall der so viel wichtiger als die Arbeit war?" Oh man, kritischer Treffer für Chajeu. Hastig legte ich mir im Kopf eine Ausrede zurecht. Diese kam mir wesentlich schwerer über die Lippen als ich dachte: "M-Mein Kaninchen ist krank. H-hat furchtbare Magenschmerzen." Seine Stimme klang wieder durch das Telefon, ungläubig fragte er: "Sie besitzen ein Kaninchen? Ich dachte, sie hätten keinerlei Haustiere. Dann könnten sie es die nächsten Tage ja mal mitbringen " Oh Mist. Zweiter kritischer Schlag für Chajeu. Bald bin ich K.o geschlagen... Aber ich hatte das jetzt angefangen, nun musste ich da nunmal auch durch. "Okey. Sobald sie wieder gesund ist, bringe ich sie mit. Aber bedauerlicherweise ist sie noch sehr scheu, besonders bei Fremden Menschen. Ihr Name ist übrigens Flocke.", gab ich so viele Informationen wie möglich. Kurz blieb es auf der anderen Seite still, bevor Chajeu sich dann ergab: "Na schön. Ich freue mich schon. Und ich erwarte, dass Sie in einer halben Stunde unverzüglich hier auftauchen. Ich habe auch nicht den ganzen Tag Zeit auf euch zu warten. Also. Ich erwarte Sie." Und er legte auf. Hah! Und ich habe mal wieder gewonnen! Kam auch nicht alle Tage vor, dass ein Mitarbeiter gegen seinen Chef gewann. Um genau zu sein, kam das ziemlich selten vor.

Gleich viel glücklicher zog ich mir schnell neue Klamotten an und lief dann zur U-Bahn. Auf dem Weg hörte ich Kraftclub. Besonders gerne mochte ich Lieder wie 'Band mit dem K' oder 'Chemie Chemie Ya'. Besonders das letztere erinnerte mich stark an mich selbst. In dem Police Department kam ich sogar fünf Minuten früher an. Gut gelaunt ging ich in mein Büro und warf dort meine Tasche neben mich auf den Boden. Zu meiner Überraschung schaute mich Emma hasserfüllt an. "Wo warst du?!", fauchte sie mich wütend an. Ich erzählte ihr die gleiche Story, die ich auch Chajeu erzählt hatte mit dem Kaninchen. Sie sah mich bloß noch genervter an. "Du hast doch überhaupt gar kein Kaninchen!", schrie sie mich an. "Doch! Hab ich mir vorgestern gekauft!", blaffte ich zurück. Wenn sie Zickenkrieg wollte, dann sollte sie auch Zickenkrieg bekommen. Stur wie sie war, erwiderte sie: "Also erstens: Wo lebt denn dein Kaninchen? Du hast doch nichtmal nen Garten! Und zweitens musst du einenenormst schlechten Kauf gemacht haben, wenn es jetzt schon krank ist und du es erst vor zwei Tagen gekauft hast?! Hast du die Garantie davon noch? An deiner Stelle würde ich es zurückgeben. Kannst du dich überhaupt um solch ein lebendes Lebewesen kümmern?!" "Erstens: Es lebt direkt bei mir in der Wohnung. Es handelt sich bei ihr nämlich um ein Hauskaninchen, okey?! Damit besitzt es insgesamt mehr Freilauf als die meisten anderen Kaninchen, die verkauft werden! Und zweitens bleibe ich Flocke trau, denn ich liebe sie. Sie ist so süß und niedlich, du müsstest sie mal sehen. Nur weil du krank bist, ersetze ich dich ja auch nicht mit einem neuen Freund. Wenigstens bin ich ein loyaler Freund für das Tier. Nicht so wie du es wärst. Und meine Pflanzen leben übrigens auch noch!", verteidigte ich mich aufgebracht. Emma wirkte so, als würde sie jeden Moment explodieren. "Weißt du eigentlich, wie sehr du mich in den Wahnsinn treibst?! Ich hasse dich! Und dass schlimmste ist, dass ich mir sogar noch Sorgen um dich gemacht habe! Aber keine Sorge, das werde ich nie wieder. Dein Pflanzen haben übrigens eine schlechtere Lebensqualität als die Menschen, die in Tschad oder Niger leben!

Andererseits kriegst du es ja auch nicht hin, Rusch endlich zu sagen, was du für ihn empfindest. Du bekommst es höchstens hin, mich so zu blamieren. " Na grandios! Mit Kaninchen kam ich besser klar. Vor allem weil Kaninchen klein süß und schnuckelig waren. Genauso wie ich. Mein kleines Hasenfüßlein. Mein kleines Padfoot, du. Awwww solch ein Zuckerpfötchen wie es im Buche stand. Natürlich liebte ich Flocke. Man, jetzt baute ich schon emotionale Bindungen zu einem eigentlichen Geheimen kleinem Kaninchen namens Flocke. Wie kam ich überhaupt auf den Namen Flocke, versuchte ich mich zurück zu entsinnen. Es war einfach das Meisterwerk meines nicht funktionierenden Gehirns. Oder besser gesagt: mein unter Kopfschmerzen nicht gut funktionierendes Gehirn. Warum tat ich meinem Körper das auch an und trank so viel Wein auf einmal? Irgendwann konnte ich einfach nicht mehr und wollte auch nicht mehr. Bis zu meinem Feierabend telefonierte ich auch noch mit meinem Bruder und versicherte ihm, dass es mir gut ging und ich nicht plötzlich irgendeine schlimme Krankheit bekommen hatte. Dafür war ich auch wirklich dankbar. Hätte mir gerade noch gefehlt, so eine Lebensgefährdende Bakterie, die versucht mich kaltblütig zu ermorden. Oder halt ein Lebensgefährlicher Virus, welcher stark an meinen Kräften zerrte. Sowas wollte ich wirklich nicht haben und wünschte ich auch niemanden. Nicht mal meinen ehemaligen Klassenkameraden. Die hätte ich liebend gerne verflucht, aber das war selbst für diese Teufelskinder zu schlimm. Irgendwie fand ich es so im Nachhinein auch ein wenig albern über ein imaginäres Kaninchen zu streiten. Es ging nun längst nicht mehr um das Kaninchen sondern um Ehre und sich gegenüber anderen durchsetzen zu können. Emma sollte wissen, dass sie nicht einfach so auf meinem Ego herumtrampeln konnte, ohne Krieg mit mir zu bekommen.

Aggresiv tippte ich auf meinem Laptop herum und gab willkürliche Wörter in dir Suchmaschine ein. Am Ende landete ich auf einer Seite über Prostatakrebs. Missmutig wiederholte ich das Ganze und hoffte auf ein besseres Ergebnis. 'Wie wechselte man ein Fahrradreifen'. Dabei fahre ich noch nicht einmal Fahrrad. Und wie kam das beschissene Gerät darauf, dass Ich gleich einen Reifen kaputt machen würde?! Frechheit! Genervt von allem und jedem stand ich auf und machte mich auf den Weg zur Kaffeemaschine. Doch, mein Horrorszenario war eingetreten. An meiner geliebten Kaffeemaschine hing ein 'Gerät deffekt'-Schild. WER. ZUM. TEUFEL. HAT. DIESE. KAFFEEMASCHINE. KAPUTT GEMACHT?! Okey, wer in diesem Department hatte etwas gegen mich, außer Emma? Prüfend blickte ich mich um. Aber eigentlich hatte ich keine Feinde hier. Also musste das Emmas nächster Schachzug gewesen sein. Und ja, sie hat meine Dame aus dem Spiel gehauen, aber dafür steht ihre Dame nun direkt in dem Weg meines Springers. Wie von bösen Dämonen besessen, lief ich schnellen Schrittes zurück in mein Büro. "So willst du also spielen?! Wirklich?! Traust du dich das wirklich Schmusekätzchen? Ich glaube kaum!", fauchte ich Emma rasend vor Wut an. "Was hat dich jetzt schon wieder erschreckt, Zirkustiger?", entgegnete Emma ohne von ihrem Laptop aufzublicken. Ernsthaft? Nun verleumdete sie es auch noch?! Dabei wusste ich ganz genau, dass sie es war. "Gib's doch wenigstens einfach zu, dass du meine Kaffeemaschine kaputt gemacht hast!", schrie ich nur noch aufgebrachter. "Also zunächst einmal, ist das immernoch unsere Kaffeemaschine, den Mitarbeitenden des Police Departsments. Und zweitens habe ich die Kaffeemaschine nicht kaputt gemacht. Warum sollte ich auch. Ich trinke nichtmal Kaffee, ich trinke Tee. Und zufällig weiß ich sogar wer es war. Das Teil war nähmlich schon kaputt bevor du dich entschieden hast, auch noch hier her zu kommen. Charlie war es.", erzählte Emma monoton. Charlie sollte es gewesen sein? Aber warum? Hatte ich bei unseren Verhörungen irgendetwas falsch gemacht?! Eigentlich dachte ich, dass es ihm besser nicht gehen könnte. Ich habe ihn doch alles mögliche machen lassen, während ich die Arbeit gemacht hatte. Schnaubend lief ich zu Charlies Büro. So plötzlich wie ich hineinkam, erschreckte sich Charlie fürchterlich und wäre beinahe von seinem Stuhl gefallen. Drohend kam ich auf ihn zu. "Du hast also meine Kaffeemaschine geschrottet?!", fragte ich wütend, ihm immer näher kommend. Verängstigt wich Charlie ein Stück zurück. Nach kurzem Zögern nickte er aber. Solch ein Mistkerl. Erst direkt vor seinem Gesicht blieb ich stehen. "Warum. Warum zum Teufel hast du mir das angetan?! Warum?! Was habe ich dir getan, dass du mir soetwas antust?!", brüllte ich ihn an. Reflexartig hob der Jüngere seine Arme schützend vor den Kopf. Sofort weichte ich zurück. Völlige Geschocktheit wich der Wut. Was tat ich hier nur? "I-ich ich werde dich doch nicht schlagen...", konnte ich gerade noch hervorbringen. Wieso sollte ich jemanden wegen einer Kaffeemaschine misshandeln? Wieso dachte Charlie das? War ich etwa solch ein Monster?

Loose Youself In The PastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt