Kapitel 2

5 3 0
                                    

Verwundert über den Fund wischte ich die Erde und den Dreck von dem Gerät. Es brachte nicht viel, der Dreck drückte sich nur in die kleinen Spalten und den Lautsprecher.'T-Net" hatte bereits vor fünfzehn Jahren aufgehört zu produzieren. Die Geräte haben wahrscheinlich schon Sammlerwert. Dieses Walkie Talkie musste verdammt alt sein. Naja, so sah es auch aus. Das Display besaß mehrere Risse und es sah so aus, wie als wäre es seit Jahren nicht verwendet worden. Sicherlich hatte es nichts mit dem Fall zu tun. Der Fall. Plötzlich wurde ich wieder aus den Gedanken über das mysteriöse Ding gerissen und sah auf. Stimmt, der Mord. Schnell ließ ich das Funkgerät in meine Hosentasche gleiten. Später, wenn ich zuhause war, würde ich mich mehr damit beschäftigen. Hastig eilte ich zurück zu dem Tatort. Chajeu musterte mich kurz skeptisch. "Nichts gefunden?", fragte er. Ich schüttelte nur den Kopf. Die Leiche war bereits fortgetragen worden, den Umriss hatte man auf die Betonfläche gezeichnet. Sie würde nun im Labor untersucht werden, auf Hinweise des Todes, obwohl es ja eigentlich ziemlich offensichtlich war.

Schlussendlich fuhren wir zurück, gemeinsam mit den Personen, die wir in nächster Nähe gefunden haben. Sie werden erstmal als Zeugen aussagen, auch wenn sie zeitlich gesehen, die Möglichkeit gehabt hätten, den Mord zu begehen. Als wir wieder beim Revier ankamen, war es bereits 16:47. In wenigen Minuten hatte ich Feierabend für heute. Kurz sah ich noch bei Emma und Rusch vorbei. Rusch war auch schon beim Einpacken seiner Sachen, aber Emma wirkte so in die Materie vertieft, dass sie wahrscheinlich schon wieder einige Überstunden machen würde. Ich sah es schon kommen. Irgendwann nahm sie sich fünf Wochen frei und fliegt einfach nach Hawei, nur durch Überstunden finanziert.

Während ich in der U-Bahn saß und Musik hörte, schweiften meine Gedanken zurück zu Rusch. Sein hübsches Gesicht blitzte vor meinen Augen auf. Er war nicht auf die Weise hübsch, wie andere es vielleicht sahen. Er war wirklich niemand, dessen Schönheit von vielen angehimmelt wurde. Klar, ich liebe seine Augen. Es waren schöne Augen, aber nicht überdurchschnittlich schöne Augen. Stattdessen fand ich die Art und Weise, wie er sich bewegte wunderschön. Seine Bewegungen wirkten alle so fließend und trotzdem so zufällig. Ich fragte mich, wie man sich so bewegen konnte. Einfach so. Vielleicht sollte ich Emma mal fragen, ob sie irgendwas weiß, wieso er das so hinbekommt. Es war einfach nur schön ihn dabei zu beobachten. Naja, das tat ich auch ziemlich oft.

Bei der nächsten Station steigte ich aus. Es war kein langer Weg von der U-Bahn zu meiner Wohnung. Dort angekommen, lief ich die vier Etagen hoch, bis ich endlich vor meiner Wohnungstür stand. Aus meiner Jackentasche kramte ich den Schlüssel hervor. Ich freute mich schon auf meine gemütliche Couch, und eine Tasse Kaffee. Mein Kaffeekonsum pro Tag war ziemlich hoch, immerhin war meine ganze Arbeit äußerst ermüdend. Und erst die Uhrzeit zu der ich aufstehen musste... Manchmal wünschte ich mir Autor oder so zu seien und darüber entscheiden zu können, wann ich aufstehen wollte. Aber das würde wohl nichts werden. Früher versuchte ich mal zu schreiben, aber ich bekam die sinnvollen Verknüpfung einfach nicht hin. Stattdessen schrieb ich meistens sinnlose Sätze aneinandergereiht.

Sobald ich in meiner Wohnung war, warf ich die Tasche auf den Boden und steuert zielsicher auf den Kaffeautomaten zu. Ich war froh als ich den Cappuccino endlich in der Hand hatte und auf dem Sofa lag. Dort fiel mir dann auch wieder das Walkie Talkie ein. Gespannt zog ich es aus meiner Hosentasche und begutachtete das Teil genau. Ein sehr altes Modell. Ob es wohl noch funktionierte? Im nächsten Moment beantwortete sich meine Frage von selbst: Plötzlich flackerte der Bildschirm des Gerätes auf und darauf erschien die Schrift 'Kanal 5'. Einige Momente später drang eine Stimme durch den Lautsprecher: "Jaimy?" Jaimy? Ob James die Person war, der dieses Funkgerät gehörte? Die ganze Situation überforderte mich etwas, weshalb ich einfach schwieg. Nach einer Weile kam die Stimme erneut: "Jaimy Campbell? Bist du da?" Jaimy Campbell?! Der Jaimy Campbell, der vor Jahren in die Luft gegangen ist, als er auf eine verschüttete Bombe getreten ist? Entweder ging es um einen anderen Jaimy Campbell, oder die Person am anderen Ende wusste noch nichts von seinem Tod.

Schließlich entschloss ich mich zu antworten: "Ähm, hallo, hier ist nicht Jaimy Campbell. Ich bin Tom Linsey, ich habe das Walkie Talkie heute gefunden." In Angst, etwas Falsches gesagt zu haben, wartete ich auf eine Antwort. Diese kam auch fast sofort. "Oh Gott, was ist denn mit Jaimy passiert?!", erklang die Stimme besorgt. Ich fühlte mich schlecht. Kurz überlegte ich, ob ich den anderen anlegen sollte, entschied mich aber dagegen. "Meinen Sie den Polizisten Jaimy Campbell? Dann muss ich Ihnen leider mitteilen, dass dieser bereits vor zwanzig Jahren bei einem Unglück ums Leben gekommen ist.", erklärte ich bedrückt.

"Nein, dann reden wir nicht über den gleichen Jaimy. Der, den ich suche, hat blondes Haar, ca. 1,80 groß und lebt hier in der Stadt. Ich habe ihn vor einer Viertelstunde noch gesprochen!", entgegnete er. All das traf auf den Jaimy Campbell zu, den ich meinte. Wahrscheinlich war der andere etwas verwirrt. Vielleicht handelte es sich um einen alten 80-Jährigen Mann? Vorsichtig harkte ich nach: "Ähm, Sir, wie alt sind Sie?" Energisch kam die Antwort: "Was hat das denn jetzt damit zu tun?! Aber wenn du es unbedingt wissen willst: 22." Fast zuckte ich zusammen, so wütend war die Antwort. Naja, verständlich, wenn man einen Freund suchte und einem gesagt wurde, dass dieser schon lange tot war. Trotzdem glaubte ich den anderen nicht ganz. Vielleicht ein an Demenz Erkrankter? "Sir, welches Jahr haben wir?", bohrte ich noch weiter. Der andere antwortete noch aggressiver als zuvor: "Was willst du?! Du verschwendet meine Zeit! Wo hast du das Walkie Talkie genau gefunden?" Grandios. Mir blieb nichts anderes übrig, als seine Fragen zu beantworten, aber das würde ihm wohl nicht helfen. Aufgebend seufzte ich: "Bakerstreet 55, in einem Busch am Wegesrand. Aber dort ist gerade ein Mord passiert, also geh dort besser erstmal nicht hin." Auf eine weitere Frage wartend, starrte ich das Gerät an. Es kam nichts. Überhaupt nichts mehr. Zuerst vergingen Sekunden, dann Minuten, in welchen ich einfach nur wartete. Eine komplette Stille umgab mich.

Holy shit. War dieser Typ jetzt ernsthaft auf dem Weg zu dem Tatort?! Genervt stand ich auf und nahm meine Tasche vom Boden auf. Schnell lief ich durch die Tür und ließ sie hinter mir ins Schloss fallen. Währenddessen wählte ich bereits Emmas Nummer auf meinem Handy an und wartete dann darauf, dass sie annahm. Nach dem zweiten Klingeln erklang ihre Stimme. "Hey, was ist denn?", fragte sie halb genervt, hab besorgt. An dem Hallen der Stimme im Hintergrund erkannte ich, dass sie immer noch bei der Arbeit saß. "Ich hab einen Notfall. Könntest du mit deinem Van in fünf bis zehn Minuten vor dem Hochhaus sein?", fragte ich gehetzt. Nun war Emma endgültig genervt: "Wenn es so schlimm ist..." Und sie hatte bereits aufgelegt. Irgendwie störte es mich, dass alle plötzlich ohne sich zu verabschieden einfach auflegen. Konnte man bei Walkie Talkies eigentlich über auflegen reden? Oder nennt man es nur weggehen? Aber darum konnte ich auch später noch grübeln. Jetzt ging es erstmal darum, dass dieser Typ den Mordpkatz nicht verwüsten durfte. Und somit ging es auch um meinen Job. Wenige Minuten später saß ich in Emmas Wagen, in der Hoffnung, nicht zu spät anzukommen. Auf dem Weg erzählte ich Emma von dem Gespräch uns sie fand es mindestens genauso komisch wie ich. Auch sie tippte auf irgendeinen verwirrten alten. Also noch ein größeres Risiko für mögliche Beweise.

Loose Youself In The PastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt