Flowers - Miley Cyrus
„Grace! Jetzt leg doch endlich mal den Laptop weg und lass uns darüber reden", redet Abigail ununterbrochen auf mich ein und versucht für mich da zu sein.
Dabei muss sie das gar nicht. Denn mir geht es gut. Die geplatzte Hochzeit von Alec und mir ist jetzt einige Tage her, doch anstatt heulend auf dem Bett zu sitzen und frustriert tafelweise Schokolade in mich hineinzustopfen, stürze ich mich in meine Arbeit.
„Abi, es ist alles okay", versichere ich ihr. „Du musst wirklich nicht die ganze Zeit hier sein. Mir geht's gut und du hast doch auch sicher etwas besseres vor."
Natürlich bin ich dankbar, dass sie mir beistehen möchte, aber wie ich schon erwähnt habe, ist das nicht nötig. Ich war noch nie der Mensch für große Gefühle und komme wirklich gut damit klar. Zudem bin ich sicherlich nicht die erste, die von ihrem Verlobten sitzengelassen wurde. So geht es doch jeder Frau einmal in ihrem Leben. Gut, vielleicht nicht jeder und sicher nicht unbedingt direkt vor dem Altar. Aber wegen so etwas werde ich ganz bestimmt nicht den Kopf in den Sand stecken.
„Ich verstehe nicht, wie du das einfach so wegstecken kannst. Du hast Alec doch geliebt."
„Ja, das habe ich", antworte ich ehrlich. „Aber es sollte einfach nicht sein und offenbar war die Liebe wohl nicht stark genug."
Ehrlich, ich bin ihm nicht böse deswegen. Es ist mir lieber, er hat es rechtzeitig bemerkt, als dass er sich in sein Unglück stürzt. Er wird eine Frau finden, die ihm die Aufmerksamkeit schenkt, die er verdient. Und ich werde erst einmal single bleiben und mich um meine Arbeit kümmern. Denn das ist das, was ich am besten kann. Ich lächel sie an, während sie mich mit zerknirschtem Blick ansieht.
„Und jetzt Schluss mit dem Thema. Ich hab einen Auftrag und möchte Viktor nicht enttäuschen."
„Dein Boss hat Verständnis dafür. Das hat er selbst gesagt. Die einzige, die sich keine Schwäche erlaubt, bist du, Schwesterherz", kontert meine Schwester, lässt mich aber kurz darauf alleine. Als Stille und Ruhe einkehrt, denke ich über ihre Worte nach.
Ist es so?Lasse ich keine Schwäche zu?
Ich atme tief durch, stelle mich vor den Spiegel und denke an den Augenblick zurück, als Alec mich vor allen Leuten stehen lassen hat. Mein Blick liegt ununterbrochen auf meinen Augen, um nachzusehen, ob sich eine Träne rührt. Doch meine Augen glänzen nicht mal. Ich kneife sie zusammen, versuche mit aller Kraft eine Träne herauszudrücken, aber nichts ... Keine Träne. Nicht mal ein Hauch ist davon zu sehen.
Schulterzuckend drehe ich mich um, gehe auf meine Terrasse und zünde mir eine Zigarette an. Eigentlich hatte ich mit dem Rauchen aufgehört. Alec zuliebe. Er konnte es nie leiden, doch da er nicht mehr hier ist, habe ich wieder angefangen. Zumindest in stressigen Situationen und dieses Gespräch mit Abi hat mich eindeutig gestresst. Während ich den Rauch in den wolkenlosen Himmel puste und den leichten Wind um meine Ohren spüre, genieße ich die Ruhe. Bis auf die Vögel, die ihre Lieder zwitschern, hört man nichts. Deswegen liebe ich diese Wohnung so sehr. Es ist ruhig hier, sodass ich mich voll und ganz auf meine Arbeit konzentrieren kann. Abseits des Trubels in einer Großstadt.
Nachdem ich den letzten Zug meiner Zigarette inhaliert habe, drücke ich diese im Aschenbecher aus und beschließe meine Arbeit nach draußen zu verlagern. Ich hole meinen Laptop und mein Handy nach draußen und nehme mir eine Flasche stilles Wasser dazu. Das Wetter ist viel zu schön, als sich drinnen zu verstecken. Vertieft in meinen neuen Auftrag, vergeht die Zeit wie im Flug. Ich bin voll in meinem Element, gehe in meiner Arbeit auf und hänge Stunden vor dem Bildschirm, bis ich Hunger bekomme und mir einen Salat mit Hühnchen bei meinem Lieblingsitaliener bestelle.
Damit ich mich heute wenigstens noch ein bisschen bewege, hole ich mein Essen ab. Die Luft ist herrlich angenehm. Mittlerweile ist es nicht mehr so stickig, wie heute Mittag. Im August kann es in New York schon sehr heiß werden. Ich begrüße Giovanni und wie immer gibt er mir lächelnd einen Kuss auf meinen Handrücken.
„Hallo schöne Frau. Dein Essen ist sofort fertig", sagt er.
„Sehr gut. Ich bin am Verhungern."
Ich weiß selbst, dass ich zu wenig auf meinen Körper achte, wenn ich in meine Arbeit versunken bin. Aber seit wir das Supermodel Christian Parker unter Vertrag haben, habe ich viel zu tun und dementsprechend wenig Zeit, um regelmäßig zu essen. Er steht in der Öffentlichkeit und bezahlt sehr viel Geld dafür, dass er unsere Unterstützung bekommt. Hauptsächlich kümmere ich mich um ihn. Als Social Media Managerin erstelle ich Inhalte, bin für seine Profile in den öffentlichen Netzwerken zuständig und kommuniziere mit den Followern. Die Firma, für die ich arbeite, sorgt demnach dafür, dass er im rechten Licht steht.***
Nachdem ich die halbe Nacht gearbeitet und nur wenig geschlafen habe, springe ich am nächsten Morgen unter die Dusche. Anschließend schlüpfe ich in mein Outfit, welches ich mir bereits gestern Abend fein säuberlich auf meinem Stuhl im Schlafzimmer zurechtgelegt habe. Meinen braunen Bob, der mir bis zur Schulter reicht, habe ich heute geglättet.
Das Treffen mit Christian ist in einer Stunde und sehr wichtig, sodass ich nichts riskieren möchte. Als ich noch ein wenig Make-Up aufgelegt habe, betrachte ich mich prüfend im Spiegel. Zufrieden streiche ich meinen schwarzen knielangen Rock glatt und richte den Kragen meiner hellblauen Bluse. Schon als Kind war ich eine Perfektionistin. Was wohl auch der Grund dafür ist, dass mir meine Karriere so überaus wichtig ist. Meine Arbeit gibt mir so viel. Sie enttäuscht mich nicht. Menschen hingegen machen so etwas. Alec hat mich enttäuscht. Und vermutlich ich ihn. Es passte einfach nicht, weshalb es bestimmt auch besser ist, sich jetzt in meinen Job reinzuhängen und nichts auf die Liebe zu geben.
Mit einem Eiskaffee mache ich mich in meinem schwarzen Mercedes SLK auf den Weg. Das Verdeck habe ich geöffnet und ich genieße den erfrischenden Wind an diesem heißen Sommertag in vollen Zügen. Als ich vor dem Butler - einem beliebten und gemütlichen Café in der Nähe der Brooklyn Bridge - ankomme, parke ich mein Auto, schließe das Verdeck und steige aus. Mit meinem Laptop und allen nötigen Unterlagen in meiner Tasche, betrete ich das Café, wo Christian bereits auf mich wartet.
„Du bist ja schon da ... Ich hoffe, du wartest noch nicht so lange. Der Verkehr war wieder einmal eine Katastrophe", entschuldige ich mich bei ihm.
„Nein, Quatsch. Setz dich. Ich habe mir schon einen Milchkaffee bestellt. Ich hoffe, das war okay?", fragt er lächelnd.
Ich versichere ihm, dass es mir nichts ausmacht und bestelle bei der nächstbesten Gelegenheit einen grünen Tee. In der Zwischenzeit gehen wir noch vertragliches durch und sprechen über alles mögliche. Zumindest bis Christian nervös auf seinem Hinterteil herumrutscht, der nebenbei bemerkt, sehr knackig ist. Nicht, dass ich ihn live gesehen hätte, aber es gibt genug Fotos im Internet, die das beweisen. Ich bedanke mich bei dem Kellner, der mir den grünen Tee auf den Tisch stellt und sehe neugierig zu Christian.
„Ist alles in Ordnung? Du wirkst irgendwie nervös."
Er seufzt und bemüht sich um ein Lächeln.
„Nun ... Es gibt da etwas, was du wissen musst", beginnt er. Es scheint wichtig zu sein, daher schiebe ich mein Getränk zur Seite und widme ihm meine volle Aufmerksamkeit.
„Es ist so, dass du nicht die ganze Wahrheit kennst. Über mich ... Ich ... bin nicht single."
Ich runzel meine Stirn, lasse seine Worte einen Moment lang sacken, ehe ich erstaunt meinen Mund ein Stück weit öffne.
„Das heißt, du hast eine Freundin? Wow. Das freut mich für dich. Glückwunsch."
Seine Mundwinkel ziehen sich leicht nach oben, während er sich seinen Nacken reibt.
„Wie ist denn ihr Name?", frage ich interessiert nach.
„Michael", erwidert er zerknirscht, während mein Mund sich immer mehr öffnet. Ich stottere vor mich hin, sammel mich aber direkt wieder und freue mich für ihn. Damit hätte ich zwar nicht gerechnet, aber es ist toll, dass er glücklich ist.
„Ich weiß, es kommt überraschend, aber ... Wir haben uns überlegt, dass wir es öffentlich machen möchten."
„Das freut mich. Ehrlich. Heutzutage ist das doch vollkommen normal. Hast du denn schon mit deiner Managerin darüber gesprochen?"
Er erklärt, dass wir einen gemeinsamen Termin haben, um alles Weitere zu besprechen. Und damit ist gemeint, wie das Outing vonstattengehen soll. Nur einen Tag später sitzen Christian und ich bei ihm zuhause. Die Managerin Bree ist ebenfalls da. Während er sich gerade um Kaffee für uns kümmert, gehen wir beide die Einzelheiten durch.
„Wir haben es uns so vorgestellt, dass es ein Foto geben soll, welches eindeutig ist, aber nicht polarisiert. Christian hat viele weibliche Fans und die wollen wir uns natürlich nicht vergraulen."
„Oh ja", mischt er sich grinsend ein und stellt die Tassen auf den marmorierten Tisch. „Meine Fans werden enttäuscht sein."
Das kann ich mir nur all zu gut vorstellen, immerhin ist er ein sehr hübscher und attraktiver Mann. Und das weiß er nur zu gut. Die Frauenwelt liegt ihm zu Füßen und demnächst wohl auch noch die Männerwelt, wenn sie es nicht jetzt schon tun.
„Wir bekommen das hin", versichere ich den beiden und gehe noch weitere Einzelheiten durch, bevor ich mich wieder auf den Weg nach Hause mache und direkt mit dem Beitrag beginne.
Er soll nicht sofort online gehen. Christians Wunsch war es, noch bis zum fünfzehnten des Monats zu warten, daher stelle ich den Timer des Beitrags genau für den Tag ein. Um zwölf Uhr am Mittag wird es dann einen Text und ein Bild von den beiden geben. Zum ersten Mal in aller Öffentlichkeit.
Und ich bin mir sicher, mein Chef wird sehr zufrieden mit meiner Arbeit sein ...
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Fiksi UmumGrace ist Social-Media-Beraterin und ein sogenannter Worcaholic. Durch ihre harte Arbeit hat sie aber auch alles, was sie je wollte. Einen tollen Job mit Aufstiegschancen, eine wunderschöne Wohnung, direkt am Central Park und einen Verlobten, der ih...