4...oder als ich dachte, alles wird normal

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Es ist nun der kühle Oktober herangekommen und mit ihm Halloween und während Lilo auf der angeblich besten Halloween-Party in ganz Seattle tanzt und sich betrinkt, sitze ich auf meinem Lieblingsplatz, der Veranda und schlürfe an meinem warmen Kakao, den mir meine Mom vorhin rausgebracht hatte. Die Mini-Marshmallows habe ich schon herausgesammelt und vernichtet. Sie sind der beste Teil des ganzen.
Ich habe noch ein paar Hausaufgaben zu erledigen und wollte Sonntag damit fertig sein. Denn wir, meine Mom und ich, haben vor ein paar Wochen beschlossen, dass uns nun der Sonntag heilig ist. Mom hat meistens am Sonntag keine Schicht. Also haben wir den Tag zu unserem Mutter-Tochter-Tag erklärt und wir haben schnell gemerkt, wie sehr wir soetwas gebraucht haben.
Letzten Sonntag waren wir Brunchen in einem wunderschönen kleinen Café in der Innenstadt. Und diesen wollen wir es einfach ruhig angehen lassen.
Also haben wir uns ein paar Filme auf Netflix herausgesucht und sehr viele Kalorien in Form von Chips und Schokolade gekauft um sie Morgen alle gleichzeitig zu vertilgen..
,,Mach bitte nicht mehr so lange mein Spatz, es ist schon sehr spät! flüstert sie durch das Netz an der Tür und reibt sich ihre vor Kälte zitternden Hände an ihren Oberarmen warm.
Ich nicke kurz und winkle meine Beine wieder an meinen Körper und überfliege ein letztes Mal diesen verdammt langen Aufsatz von Geschichte, der am Montag fällig ist.
Gerade als ich mein Handy aus meiner Hoodie-Tasche ziehen will, höre ich das Quietschen unseres Gartentores. Schnell schießt mein Blick in die Höhe, um ein ungewolltes Déjá-vu zu erleben. Arwed steht suchend auf unserem Kiesweg und schwankt im Stehen ein wenig. Mein Puls, der sich nach dem Schreck eigentlich wieder normalisieren sollte, schießt nun noch mehr nach oben.
Wir haben uns seit Wochen nicht mehr unterhalten, sind uns ehrlich gesagt sogar aus dem Weg gegangen. Ich gebe zu, ich habe mich manchmal nach ihm umgesehen, recht oft sogar.
Und nun steht er wie damals in meiner ersten Woche von unserem Kennenlernen hier, wieder in meinem Vorgarten. Anscheinend auch wieder betrunken. ,,Kann ich dir helfen?'' rufe ich ihm zu. Er erschrickt leicht und schaut sich um ehe er mich entdeckt und auf die Veranda zusteuert.
,,Die sind noch nicht lange da.'' nuschelt er und deutet auf die Lavendelsträuche die meine Mom um den Weg herum gepflanzt hat.
,,Doch, seit wir hier wohnen schon!'' antworte ich ihm leicht gereizt.
Mein Gehirn hat auf Standby geschalten, denn wieso antworte ich ihm überhaupt. Was will er hier denn schon wieder.
Ich stelle ihm diese frage, in der Hoffnung eine ordentliche Antwort zu bekommen.
Er starrt auf die Veranda und deutet auf die Stelle wo im Sommer meine Schaukel hing.
,,Sie ist weg.'' flüstert er leicht enttäuscht. Ich merke wie sich meine Augenbrauen zusammenziehen und mit ihnen auch die linke Hälfte meines Herzens. Er kann sich da wirklich noch daran erinnern?
,;Es ist zu kalt dafür geworden.'' , ,,Schade.'' er klingt wie ein kleiner Junge dabei. Und sieht traurig aus, seine Augen glänzen im schwachen Licht der Verandabeleuchtung als er sich noch einmal umsieht.
Da er nach circa 3 Minuten immer noch hilflos herumsteht, klopfe ich neben mich auf dad Polster der Bank. Sofort hasse ich mich dafür, ihn bei mir haben zu wollen.
Er nickt leicht bevor er auf den Weg zu mir den Tisch leicht rammt. Ein schmerzerfülltes Zischen kommt über seine vollen Lippen, als er sich fallen lässt.

Unsere Beine berühren sich an den Knien leicht, mein ganzer Körper beginnt zu kribbeln ausgehend von dieser Stelle.
,,Bist du wieder betrunken?'' frage ich und kämpfe mir ein Lächeln ins Gesicht. Ich speichere mein Dokument und will gerade den Laptop schließen, da hält er den Bildschirm fest und starrt darauf. ,,Warum sitzt du...'' er kneift seine Augen zusammen, ,,02:48 Uhr hier draußen und machst amerikanische Geschichte?' fragt er mich. Ich zucke mit meinen Schultern und öffne den Webbrowser, um Disney Plus zu suchen.
Ich schalte den Marvel Film - Thor ein. Ich wollte die 3 Teile schon lange schauen, komme aber einfach nie dazu. Ich stelle den Laptop in die Mitte und merke, wie auch er seinen Blick darauf richtet.
,,Den habe ich ja schon lange nicht mehr gesehen. Wusste gar nicht, dass du auf solche Filme stehst.'' höre  ich ihn sagen, konzentriere mich aber wieter auf den Bildschirm.
Es vergehen spannende 15 Minuten bis er sich leicht aufsetzt und mich anschaut.
,,Ich war auf der Halloween-Party von Josh, warum warst du nicht da?'' , ,,Ich mag sowas nicht.'' antworte ich leise und versuche seinem Blick auszuweichen. ,,Viel lieber büffelst du für amerikanische Geschichte was?'' er gluckste leise auf, fängt sich aber schnell wieder. Mir schleicht sich auch ein leichtes Lächeln auf die Lippen.
,,Deine Freundin war auf der Party.'' ich nicke nur, ich weiß dass Lilo dort ist.
,,Meine Granny hatte hier gewohnt, bis sie gestorben ist.'' das kam unerwartet, er klingt plötzlich komplett ausgenüchtert. Ich spüre den Klos in meinem Hals. Seine Granny? Wenn ich das gewusst hätte. Er sieht sich im Vorgarten um. ,,Ich bin immer hier her gekommen nach einer Party. Ich erzähle meinen Eltern immer, dass ich bei Freunden schlafe.'' er lacht leise in sich hinein. ,,Dabei habe ich kaum Freunde. Daher bin ich immer zu Granny und habe mich hier ausgenüchtert bis zum nächsten Morgen. Sie hatte es meinen Eltern nie erzählt. Sie wären stinksauer gewesen.'' er lässt ein schweres seufzen aus seinem Mund entweichen ehe er wieder den Blick in meine Augen sucht. Sie sind dunkelblau, und leicht gerötet.
,,Hast du schon Freunde gefunden hier?'' fragt er. ,,Ich glaube Lilo kann ich eine Freundin nennen, aber sonst weiß ich ganz gut wie du dich fühlst. Ich hatte kaum Freunde und das wird sich hier nicht ändern.'' er nickt mir zu und mustert mein Gesicht während ich rede.
,,Du hast mich.'' flüstert er, den Blick immer noch mit meinem verschmolzen. Ich lache ironisch auf und schaue wieder auf den Bildschirm. ,,Daher gehst du mir seit diesem einen Abend aus dem Weg?'' frage ich direkt heraus. Ich merke wie seine Schultern zusammensinken und er leise seufzt.
,,Es war mir peinlich.'' , ,,Aber warum hattest du dich dann zu mir in die Schaukel gelegt?'' frage ich und merke, wie sie eine Menge Steine endlich von meinem Herzen schubst.
,,ich weiß es nicht so genau. Ich glaube ich brauchte das irgendwie.'' er zuckt mit seinen breiten Schultern um seine Aussage etwas Kraft zu verleihen. Seine Lippen sind zu einem schmalen Strich zusammengezogen ehe er wieder zum Reden ansetzt.
,,Es tut mir sehr leid.'' , ,,Schon okay.'' winke ich ab und versuche es so cool wie nur möglich rüberzubringen.
,,Wenn es dich tröstet, ich habe in dieser Nacht das erste Ma seit langem wieder gut geschlafen.'' flüstert er mehr zu sich selbst, schaut mich aber weiterhin an. ,,Wie soll mich das trösten?'' meine Stimme zittert. Er ist mir so nah dass ich seinen Atem auf meiner Haut spüren kann.
Er lächelt einfach nur, diesesmal entsteht eine leichte Mulde in seinen Wangen, fast wie ein Grübchen. Er ist so wunderschön, am liebsten würde ich ihn berühren wollen.
,,Ein paar Mal habe ich alleine darin gelegen.'' , ,,Du warst noch ein paar Mal hier?'' frage ich leicht aufgeregt und betone jedes Wort meiner Frage. Er nickt nur uns sieht wieder nach vorne auf den Bildschirm um den Film weiter zu verfolgen. Ich tue es ihm gleich, kann mich aber nun gar nicht mehr darauf konzentrieren. Er hat öfter hier draußen bei uns geschlafen. Ich habe ihn seitdem aber nicht ein einziges Mal wieder gesehem, obwohl er noch ein paar Mal hier war?! ich flippe innerlich glaube leicht aus.

Ich schaue irgendwann wieder zu ihm, fragend und anscheinend so ruckartig, dass er ebenfalls zu mir schaut.
,,Ich hatte gehofft es lag einfach an der Schaukel.'' , ,,Und?'' frage ich, er schüttelt mit dem Kopf.
,,Ich habe nicht so gut geschlafen wie mit dir.'' mit dem Satz bringt er mein Herz zum stolpern. Keinen kurzen oder kleinen, nein ich glaube ich bin kurz gestorben und wiedergekommen. Zumindestens fühlt sich meine Brust so an.
Ich nicke nur, wissend dass er es vielleicht gar nicht sieht. Doch wenn ich jetzt etwas sagen will, wird es schiefgehen. Ich traue meiner Stimme gerade nicht, also lasse ich es einfach.
Also schauen wir den Film einfach weiter. Manchmal lachen wir bei lustigen Szenen, doch die meiste Zeit sitzen wir nur auf der Bank, direkt nebeneinander, als würden wir das schon seit Jahren so machen.
Kurz vor Ende merke ich, dass er meinen Kakao ausgetrunken hatte und wollte neuen holen. Gerade als ich aufstehen will, hält er mich an meinem Handgelenk fest und schaut mich bittend an. ,,Ich weiß, ich sollte dann langsam gehen, aber...'' - ich weiß woraf er hinaus will und ich sollte nein sagen, aber mein Herz will ihn hier haben. So nah wie nur irgendwie möglich und ich weiß nicht einmal warum.
,,Du kannst auf der Couch schlafen, wenn du magst. Ich kann meiner Mom eine Notiz da lasse.'' sage ich und sehe auf den Bildschirm, der den abspann des Filmes anzeigt.
Also klappe ich ihn zu und sammle alles zusammen. Arwed nimmt die Auflagen der Bank und den Rest, den ich nicht mehr tragen kann und folgt mir leise ins Haus.

Ich stelle alles in der Küche ab und zeige ihm, wo er alles hinlegen kann. Dann folgt er mir nach oben, damit ich ihm noch eine Decke und ein Kissen geben kann. Er bleibt kurz im Türrahmen stehen und schaut sich um, ehe er auf mein Bett zusteuert, um sich darauf zu setzen.
,,Das war damals mein Zimmer, Granny hatte es extra eingerichtet für mich.'' sagt er leicht grinsend und darauf bedacht, leise zu sein. Ich nicke vorsichtig und hole alles für ihn aus dem Wandschrank.
Als ich es ihm in die Hand drücken will, sehe ich wie er eingeschlafen ist, er sitzt noch, doch dein Kopf ruht abgeknickt auf seiner Brust und sein Atem gehtregelmäßig. Sein Oberkörper schwankt leicht vor und zurück.
Ich seufze frustriert auf, das kann doch wohl nicht wahr sein, wenn das so weiter geht wird mein Herz noch komplett aussteigen.

Ich lasse also das Bettzeug fallen und gehe auf ihn zu. Trotz das er sitzt, ist er immer noch sehr groß, ich kann ihn direkt ins Gesicht schauen.
Ich überwinde mich und lasse ihn behutsam auf das Bett fallen. Er soll nicht davon aufwachen, vorsichtig decke ich ihn mit der extra Bettdecke zu. Sofort kuschelt er sich hinein und lässt einen Seufzer entweichen.
Ich eile nebenan in das Badezimmer und mache mich kurz frisch, um schlafen zu gehen. Die ganze Zeit überlege ich, ob ich mich wirklich zu ihm legen soll, aber warum auch nicht. Ich meine, mein Bett ist riesig und wir kommen uns sicher nicht in die Quere.
Hoffe ich.

Also gehe ich zurück in mein Zimmer und krabble auf die Seite, wo das Bett an der Wand steht und lege mich unter meine Decke. Wir berühren uns nicht doch es kribbelt unter meiner Haut bis zu meinem Haaransatz. Das Zimmer ist auch recht kühl, aber daran liegt es sicher nicht. Es ist so schön warm in seiner Nähe dass ich mich sofort geborgen fühle als ich meine Augen schließe.

Mühsam und leicht benommen öffne ich meine Augen, als die kalte Oktober-Sonne meine Nase leicht kitzelt. Mein Blick wandert vorsichtig an die andere Kante des Bettes, die zu meinem Leidwesen kühl und leer ist. Er ist wohl so schnell wie möglich abgehauen, wie beim letzten Mal. Dabei dachte ich wir hätten gestern alles geklärt. Scheint aber nicht der Fall zu sein.
Langsam stehe ich auf und verstaue alles wieder in meinem Schrank, ehe ich mich fertig mache und nach unten in die Küche schleiche. Dort sehe ich meine Mom an der Theke sitzen und Zeitung lesen.
,,Wenn er öfter über Nacht bleibt, wirst du ihn mir vorstellen müssen!'' begrüßt sie mich ohne auch nur ihren Blick von dem Artikel vor ihr abzuwenden. ,,Keine Sorge, das wird nie wieder vorkommen.'' nuschel ich leise und gieße mir eine Tasse Kaffee ein.
,,Schade, er ist süß.'' kommentiert sie, ehe wir kurz die morgentliche Ruhe genießen. Bevor wir unseren Sonntags-Plan nachgehen.

Behind my HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt